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Auch die Rettungsschwimmer-Ausbildung im Winter hängt an geöffneten Schwimmhallen. Bildrechte: Erik Hoffmann

Risiko GasmangellageBäder in Thüringen: Energie sparen gegen Schließungen

22. August 2022, 17:00 Uhr

Kommt es erstmals in Deutschland zur "Gasmangellage", wird es für Schwimmbäder ernst und sie wären von Schließung bedroht. Deshalb wird in ganz Thüringen geplant und gerechnet - auch um den Schwimmunterricht zu erhalten.

von Antje Kirsten, MDR THÜRINGEN

Eine Gasmangellage gab es in Deutschland noch nie. Das Szenario ist momentan aber nicht gänzlich ausgeschlossen. In den Kommunen werden deshalb die möglichen Folgen durchgespielt, man will vorbereitet sein. Im Fall einer Gasmangellage würde zum Beispiel den großen Schwimmhallen der Hahn zugedreht. Oder auch nicht, denn die Suche nach Auswegen läuft auf Hochtouren.

Energie sparen mit 25 Grad Wassertemperatur

In der Roland-Matthes-Schwimmhalle in Erfurt ist das Wasser nur noch 25 Grad warm. Seit Anfang August ist die Temperatur um zwei Grad abgesenkt. Verlängert wurden auch die Intervalle für die Sprudeldüsen und den Regenpilz im Kinderbecken. "Das", sagt Bäderchefin Kathrin Knabe-Lange "spart zwölf Prozent Strom ein. Denn die Massagedüsen und Bodensprudler werden von großen Pumpen angetrieben. Die haben viel Power, was einen entsprechend hohen Energieverbrauch mit sich bringt."

Problem: Aus Gas erzeugte Fernwärme

Überhaupt sind Schwimmhallen Energiefresser. "Für die Zukunft müssen wir uns ohnehin Gedanken machen, wie wir diese großen Bäder betreiben können. In dieser Dimension gibt es momentan keine Lösungen in punkto erneuerbare Energien", sagt Kathrin Weiß von den Stadtwerken Erfurt. Die Schwimmhallen in Erfurt - und nicht nur die - werden mit Fernwärme geheizt und die wird aus Gas erzeugt.

Für die Zukunft müssen wir uns ohnehin Gedanken machen, wie wir diese großen Bäder betreiben können.

Kathrin Weiß

"Wir spielen aktuell alles durch, was es für uns bedeuten würde, wenn die Gasmangellage tatsächlich ausgerufen wird", beschreibt Kathrin Weiß die Situation. Zwar sollen laut Verordnungsentwurf der Bundesregierung keine öffentlichen Bäder geschlossen werden. Aber: die dritte Stufe des Notfallplans "Gas" der Bundesregierung sieht vor sogenannte "nicht geschützte Kunden" abzuschalten.

Betroffen sind davon auch Freizeiteinrichtungen wie Schwimmhallen. Die Roland-Matthes-Schwimmhalle verbraucht im Jahr laut Bäderbetrieb 1,6 Millionen Kilowattstunden Strom. "Wer mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden verbraucht, wird abgekoppelt. Die Energielieferung wird abgeschaltet", erklärt Kathrin Weiß den worst case.

Erfurt: Schwimmunterricht in Roland-Matthes-Halle

In Erfurt hat man sich darauf aber geeinigt, die Matthes-Halle als Bildungseinrichtung offenzuhalten, um den Schwimmunterricht und das Training aufrecht zu erhalten. Fürs öffentliche Baden bliebe sie geschlossen. Stattdessen würde die Schwimmhalle am Johannesplatz vom Netz genommen. Das wiederum geht aber auch nicht so einfach, räumt Bäderchefin Kathrin Knabe-Lange ein.

"So eine Schwimmhalle nach unten zu fahren, ist ein langes Verfahren. Das ist nicht mal so schnell gemacht, sonst könnten wir sie hinterher nie wieder in Betrieb nehmen. Die teilweise sensible Technik könnte völlig kaputt gehen. Allein durch die Rohrleitungen fließt ja nicht nur Wasser, sondern auch Chemie. Bei einem plötzlichen Stillstand würde die Chemie die Rohre angreifen. Nicht auszudenken, was die Folgen wären."

Die Halle am Johannesplatz bliebe geschlossen, aber am Netz. "Wir können auch nicht die Becken komplett leeren. Eine Grundlast musst erhalten bleiben, auch mit leichter Desinfektion. Das System im Hinterland darf nicht verkeimen. Das wäre eine große Gefahr."

In Erfurt würde sich dann alles in der Roland-Matthes-Schwimmhalle abspielen, die verbraucht zwar mehr Energie als sie in einer Gasmangellage dürfte, aber sie ist die Halle, die den Schwimmunterricht in der gebrauchten Größenordnung in Erfurt noch aufrechterhalten würde. Das bedeutet für Kinder im Erfurter Norden beispielsweise, dass sie zum Schwimmunterricht einmal quer durch die Stadt fahren müssten.

Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft warnt vor Einschränkungen beim Schulschwimmen (hier in Schwarza) Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Um alle Kinder in nur einer Halle zu unterrichten, gibt es Überlegungen die 50-Meter-Bahnen zu teilen, um auf den halben Bahnen mehr Kinder schwimmen zu lassen. "Es sind alles momentan Planspiele, aber wir wollen vorbereitet sein", sagt Kathrin Weiß.

Bäder in ganz Thüringen verunsichert

Diese theoretischen Vorbereitungen treffen aktuell viele Kommunen, auch wenn es in den Bädern auf MDR-Nachfrage vielerorts noch hieß: Wir überlegen noch, wir hoffen noch, wir denken nach. Fürs Tatami-Bad in Schmölln rechnet Stadtwerke-Geschäftsführer Severin Kühnast bei einer Gasnotlage damit, dass das Bad zu bleibt beziehungsweise nur noch als Sportbad fürs Schulschwimmen genutzt werden kann. Betroffen wären in Thüringen die großen Schwimmhallen wie das Sportbad in Gera, das Bad in Mühlhausen aber auch die Thermen.

Beim Thüringer Heilbäderverband, der für die Thermalbäder unter anderem in Bad Langensalza, Bad Sulza oder auch Bad Frankenhausen und in Bad Tabarz spricht, hofft man, dass die Thermen als Gesundheitseinrichtungen eingestuft werden und somit offen bleiben können.

Thermen hoffen auf Ausnahmestatus Bildrechte: imago images/Elmar Gubisch

Verbandspräsident Matthias Strejc, Bürgermeister von Bad Frankenhausen: "Die Thermen in den Kurorten und Heilbädern sind wichtige Bausteine in unserem Gesundheitswesen. Wir hoffen deshalb sehr, dass die Thermalbäder mit medizinischen und therapeutischen Aufgaben auch in der Notfalllage weiter mit Gas beliefert werden und ihren Beitrag zur Gesunderhaltung der Bevölkerung leisten können. Im Übrigen stellt diese Forderung auch der Deutsche Heilbäderverband für die gesamte Bäderlandschaft in den Deutschen Kurorten auf und ist aktuell dabei, diese Forderung an die Bundesregierung zu richten."

Sorgen um Schwimmfähigkeit der Kinder

Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG warnt vor Bäderschließungen. Für Anfängerschwimmkurse oder die Rettungsschwimmausbildung gibt es keine trockenen Alternativen, heißt es von der DLRG Thüringen. Schon vor der Pandemie seien 60 Prozent der Kinder nach der Grundschule keine sicheren Schwimmer gewesen. Der Bundesverband äußerte sich besorgt über die Situation.

Im dreistufigen Notfallplan "Gas" haben wir nach Stufe 1 - die Frühwarnstufe - inzwischen Stufe 2 - die Alarmsstufe erreicht. Die fordert alle zum freiwilligen Strom- und Gassparen auf. So hat die Roland-Matthes-Schwimmhalle in Erfurt auch ihre Saunazeiten um täglich drei Stunden verkürzt, das Leinebad in Leinefelde seine Öffnungszeiten.

Stufe 3 - die Gasmangellage - wird besprochen, vorbereitet und dabei hoffen alle, dass sie auf keinen Fall eintritt. "Das wäre auch für die Schwimmbäder verheerend" heißt es vom Thüringer Bäderverein, aus den Rathäusern, Stadtwerken, Vereinen und von den Bäderchefs.

Bäder & Energie

MDR (csr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. August 2022 | 15:00 Uhr

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