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Schule rennen die Lehrer wegIlmenau: Vergiftete Atmosphäre an der Grundschule "Karl Zink"

16. Juli 2022, 05:00 Uhr

Seit Monaten ist das Klima an der Grundschule "Karl Zink" in Ilmenau schlecht. Viele Eltern sind verzweifelt. Fünf Lehrer werden die Schule verlassen. Ein weiterer Versetzungsantrag wurde nicht genehmigt. Im kommenden Schuljahr wird sich für die Grundschüler vieles ändern.

von Sandra Voigtmann, MDR THÜRINGEN

Einer Schule rennen die Lehrer weg. Kinder wollen nicht mehr zum Unterricht. Eltern fühlen sich wie Kämpfer gegen Windmühlen. Bereits Anfang Januar 2022 hat MDR THÜRINGEN über die Grundschule "Karl Zink" in Ilmenau berichtet. Damals hatten 55 Elternpaare mit ihren Kindern eine Demonstration vor der Schule organisiert. Sie forderten, dass die Schulleiterin versetzt wird.

Sie schaffe eine vergiftete Atmosphäre in der Schule, hieß es. Kinder wollten nicht mehr zur Schule gehen, Lehrer stellten Versetzungsanträge. Der Versuch, über das Schulamt eine Lösung zu finden, blieb bis Anfang 2022 erfolglos. Die Schulleiterin selbst wollte sich auf Anfrage von MDR THÜRINGEN damals nicht zu den Vorwürfen äußern.

Bereits im Oktober 2021 gab es an der Schule eine schulaufsichtliche Überprüfung. Mitte Januar 2022 stand fest: Die Schulleiterin der Grundschule "Karl Zink" in Ilmenau wird nicht versetzt. Darüber hatte das Staatliche Schulamt Westthüringen damals die Belegschaft und Elternsprecher der Schule informiert. Das Schulkonzept solle auf den Prüfstand, hieß es. Lehrer, die Versetzungsanträge stellen, wollte das Schulamt nach eigenen Angaben dabei unterstützen.Was hat sich inzwischen an der Schule getan? MDR THÜRINGEN hat nachgefragt.

Eltern und Lehrer sind verzweifelt

Fünf von elf Lehrern gehen zum Schuljahresende. Ein weiterer Versetzungsantrag wurde nicht genehmigt und aus Bedarfsgründen abgelehnt. Zwei Klassen wurden im Laufe des Schuljahres aufgelöst. Das jahrgangsübergreifende Lernen in den Klassen eins und zwei sowie drei und vier wurde abgeschafft - ein Schulkonzept, das Leuchtturmcharakter hatte in Thüringen und aufgrund dessen sich Eltern eben für diese Schule entschieden haben. Die Schülerzahlen im kommenden Schuljahr liegen nach Informationen von MDR THÜRINGEN weit unter denen der vergangenen Schuljahre.

Auch die Erzieherinnenmannschaft im Hort hatte sich im Laufe des Schuljahres stark verändert. Von ursprünglich neun blieben drei. Die meisten kündigten oder stellten Versetzungsanträge. Eltern nahmen ihre Kinder von der Schule oder meldeten die Geschwisterkinder dort gar nicht erst an. Fachunterricht fand in den letzten Schulwochen immer weniger statt. Eltern sind verzweifelt.

Lehrer sprechen von mehr als einer vergifteten Atmosphäre. Es fallen Sätze wie "Das ist wie eine atomare Verstrahlung." In der Kritik steht die Schulleiterin. Sie ist seit Mai 2021 an der Schule in Ilmenau. Seit Juli 2021 mehren sich nach Informationen von MDR THÜRINGEN die Beschwerden. Zuvor verantwortete sie bereits Schulen in Arnstadt und Königsee.

Viele Veränderungen im kommenden Schuljahr

Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen und Monaten führte, waren zum Teil sehr emotional. Namentlich genannt werden wollte niemand - aus Angst, dass Kinder die Konsequenzen zu spüren bekommen. Die Eltern und die gewählten Elternvertreter kämpften für ihre Kinder. Die Schuleingangsphase sei doch so wichtig, hörte ich immer wieder. Als Mutter eines Sohnes weiß ich das nur zu gut. Gerade die Grundschule sollte ein Ort des Vertrauens, der Lust aufs Lernen und der Verlässlichkeit sowie des Respektes sein gegenüber den kleinen Menschen.

Negative Erfahrungen, die hier gemacht werden, hängen den Kindern mehr als ein Schulleben lang nach. Eltern berichteten von Kindern, die immer neue Ausreden hatten, warum sie nicht in die Schule wollen. Für Berufstätige heißt das schon unnötiger Stress am Morgen. Lehrer erzählten, dass sie versuchten, sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen, doch Kinder hätten feine Antennen.

Im kommenden Schuljahr nun wird sich für die Grundschüler vieles ändern. Vertraute Lehrer und Klassenlehrer sind nicht mehr da. Die Lehrer selbst haben erst vor Kurzem erfahren, dass ihre Versetzungsanträge genehmigt wurden. Viele von ihnen waren zwischen acht und zehn Jahren an der "Karl Zink" gewesen. Dass sie so lange im Ungewissen gelassen wurden, empfanden sie als starke Belastung. "Wir haben der Kinder wegen durchgehalten.", "Jetzt werden wir in alle Winde verstreut.", "Das geht uns an die Substanz.", "Wir lassen alle ein Stück unseres Berufslebens zurück und vor allem die Kinder."

Schulklassen werden aufgeteilt

Die Kinder und Eltern haben in der letzten Schulwoche erfahren, welche Lehrer gehen und welche Klassenlehrer die Kinder im kommenden Schuljahr haben werden. Schlimmer noch finden sie aber, so haben sie mir erzählt, dass die Kinder in verschiedene Klassen aufgeteilt werden. Die Kurse bleiben nicht zusammen. "Die Kinder bekamen Zettel, auf die sie zwei Lernpaten schreiben sollten. Sie haben Freunde drauf geschrieben.

Zu Hause gab es Tränen, weil sie doch viel mehr Freunde als nur zwei haben." Von Tränen in Kinderaugen berichteten auch Lehrer, die den Kindern in der letzten Schulwoche sagen mussten, dass sie im kommenden Schuljahr nicht mehr da sein werden. Das bisherige Schulkonzept wird es nicht mehr geben.

Statt in den Klassen eins und zwei sowie drei und vier jahrgangsübergreifend zu lernen, gibt es ab nächstem Schuljahr nur noch homogene Klassen. Den dazugehörigen Schulkonferenzbeschluss zweifeln viele an, höre ich immer wieder. Die Elternsprecher seien nicht ausreichend eingebunden gewesen.

Schule war Thema im Thüringer Landtag

Auf Seiten der Elternschaft und mit Hilfe der Elternsprecher wurden viele Wege beschritten in den letzten Monaten. Die Liste ist lang. Schulkonferenzprotokolle wurden eingefordert, die es zum Teil nicht oder mit wochenlangen Verspätungen gab. Die Schule war Thema im Bildungsausschuss des Landtages, es wurden Mails und Briefe geschrieben an den Thüringer Bildungsminister Helmut Holter, an den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sowie an die Antikorruptionsbeauftragte des Thüringer Bildungsministeriums, Juliane Jäger.

"Warum hilft uns und unseren Kindern niemand?", fragt eine Mutter im Gespräch. Eine andere will wissen "Geht Beamtenrecht über Kindeswohl?" Immer wieder höre ich, dass die Eltern sich mit ihren Sorgen und ihrer Kritik nicht ernst genommen fühlen. "Wer kann, nimmt sein Kind von der Schule." "Das alles macht uns so traurig."

Eltern haben Mails und Briefe an den Thüringer Bildungsminister Helmut Holter geschrieben. Bildrechte: IMAGO/Jacob Schröter

Eltern fühlen sich im Stich gelassen

Im Januar wurde für die Unterstützung mittels des schulpsychologischen Dienstes seitens des Schulamtes plädiert. Dieser hat seine Arbeit an der Schule aufgenommen. "Keine Ahnung was der soll" und "Was macht der eigentlich?", sind Reaktionen von Eltern darauf. Sie fühlen sich vom Schulamt ein Stück weit im Stich gelassen.

Wie wird es im kommenden Schuljahr weitergehen? Ich erfahre, dass zwei Lehrerinnen, die noch keine Klasse haben, wohl eine solche als Klassenlehrerin übernehmen sollen.

Außerdem solle es eine Neueinstellung geben. Eine offizielle Bestätigung vom Schulamt Westthüringen gab es auf unsere Anfrage bis zum letzten Schultag nicht. Nach meinem Eindruck gehen alle - Kinder, Lehrer und Eltern - erschöpft in die Sommerferien. Von glücklich kann man aufgrund der Sorgen über das kommende Schuljahr aber nicht bei allen sprechen.

MDR (jn)

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