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Die Baufläche des Solarparks in Oberlind und das Grundstück des Anwohners Martin Blechschmidt trennen nur rund sechs Meter. Bildrechte: MDR/Marlene Drexler

PhotovoltaikStreit um geplanten Solarpark in Sonneberg-Oberlind

09. Juni 2022, 15:38 Uhr

Sonnenenergie ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Weil Solartechnik wenig in ihre Umgebung eingreift, gilt sie als gesellschaftlich akzeptiert. Im Rahmen größerer Bauvorhaben in Form sogenannter Photovoltaik-Freiflächenanlagen regt sich jedoch auch Widerstand. Ein jüngstes Beispiel kommt aus Sonneberg. Wie lauten die Einwände derer, die dagegen sind?

von Marlene Drexler, MDR THÜRINGEN

Die Gewerbebrache im Sonneberger Ortsteil Oberlind, auf die der Solarpark kommen soll, grenzt direkt an Martin Blechschmidts Garten. Zwischen seinem Zaun und den Solarmodulen lägen nur etwa sechs Meter, sagt er. "Erst dachte ich, etwas besseres kann uns nicht passieren. Ein Solarpark wäre weder laut, noch stinkt er." Heute macht ihm die Nähe zu seinem Haus große Sorgen. Aber gibt es dafür auch triftige Gründe?

Wachsende Skepsis unter einigen Anwohnern

Die rund fünf Hektar große Gewerbefläche, um die es geht, liegt seit Jahren brach. Weil der Boden als schadstoffbelastet gilt, war die weitere Nutzung lange ungewiss. Bis der private Besitzer die Fläche schließlich an einen Solar-Investor aus Berlin veräußern konnte.

Die Kommunikation mit dem neuen Eigentümer sei von Anfang an schwierig gewesen, so die Meinung von Martin Blechschmidt. Er habe den Eindruck, der Unternehmer habe die Fragen und Belange der Anwohner nicht ernst genommen. Aus diesem Grund hätten sich etwa elf Wohnparteien zu einer Initiative zusammengetan. "Hunderte Stunden" habe er darauf verwendet, sich in das Thema einzuarbeiten. Hinzu kämen nicht unerhebliche finanzielle Aufwendungen für einen Anwalt und einen Gutachter, so Blechschmidt.

Der Berliner Investor teilte MDR THÜRINGEN mit, er habe die Anwohner jeweils frühzeitig informiert und halte sich ansonsten an geltendes Recht. Auch hätte er den Anwohnern die Möglichkeit gegeben, sich mit eigenen Anteilen an dem Projekt zu beteiligen. Ferner habe er der Stadt das Angebot gemacht, den grünen Strom aus Oberlind in das eigene Versorgungsnetz einzuspeisen. Seinen Angaben nach ließen sich etwa 25 Prozent der Sonneberger Privathaushalte damit versorgen.

Angst vor gesundheitsschädigenden Auswirkungen

Eine zentrale Sorge der Anwohner besteht in potenziellen Blendungen durch die Solarmodule. Blechschmidt sagt, diese Lichtreflexionen könnten, sofern sie in einer bestimmten Stärke und Häufigkeit auftreten, gesundheitsschädigend sein und im schlimmsten Fall sogar epileptische Anfälle auslösen. Ein ausreichendes Sichtschutz-Konzept, um das zu vermeiden, sei den Anwohnern bisher nicht vorgelegt worden.

Ein weiteres Problem sei die Kontamination des Bodens. Unter den Solarmodulen erhitze sich die Luft erfahrungsgemäß um einige Grade. Blechschmidt befürchtet, dass infolge der Erhitzung die Schadstoffe aus dem Boden austreten könnten. Auch Fragen zu einer möglichen generellen Erwärmung der Umgebung sind für Martin Blechschmidt ungeklärt.

Darüber hinaus bringt die Initiative an, dass aufgrund des abschüssigen Geländes die Ränder ihrer Gärten bei Starkregen regelmäßig überschwemmt werden könnten. Blechschmidt hält daher den Bau eines Abwassersystems für unvermeidlich. Aber auch das sei vom Bauherrn bisher nicht vorgesehen.

Energieagentur: Erfahrungswerte widersprechen den Sorgen

Die Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur Thega schreibt auf Anfrage, dass der geringe Abstand des geplanten Solarparks in Oberlind zu einem Wohngebiet zunächst einmal keine Besonderheit darstellt. Ähnlich gelagerte Fälle gebe es zum Beispiel in Altenburg und Bad Langensalza.

Dass Blendungen gesundheitliche Schäden bewirkt hätten, sei der Agentur bisher nicht bekannt. Es sei jedoch üblich, dass der Bauherr vorab ein Blendgutachten beauftragt und vorlegt. Im Zweifel müsste der Bauplan dann angepasst, die Module etwa anders ausgerichtet werden. Zudem gebe es verschiedene Möglichkeiten, durch Bepflanzung einen Sichtschutz herzustellen. Voraussagen durch Gutachter, denen nicht die originalen Baupläne vorliegen, seien nach Erfahrung der Thega grundsätzlich wenig verlässlich.

Ferner wird der Solarpark laut der Agentur keine grundsätzlichen Klimaveränderungen zur Folge haben. Wohl aber werden sich die PV-Module durch die Sonneneinstrahlung temporär erhitzen und damit auch Wärme an die direkte Umgebung abgeben.

Anwohner fühlen sich zu wenig eingebunden

Martin Blechschmidt ist es wichtig zu erwähnen, dass er nicht grundsätzlich gegen erneuerbare Energien ist. Auch sei er kompromissbereit. Am meisten ärgere ihn, dass die Menschen vor Ort seiner Meinung nach nicht genügend in den Planungsprozess eingebunden wurden. Hierbei adressiert Blechschmidt vor allem die Stadt.

Stadtoberhaupt Heiko Voigt weist den Vorwurf von sich. Die Stadt stehe dem Bauvorhaben grundsätzlich offen gegenüber, lege aber durchaus Wert darauf, alle Beteiligten mitzunehmen. Zu dieser Prämisse habe sich die Stadt auch durch die Einleitung eines Bebauungsplan-Verfahrens bekannt. Anwohner Blechschmidt ist der Ansicht, dass das Verfahren nur eröffnet wurde, weil die Bürger ihre Stimmen erhoben haben. "Wenn wir nichts gesagt hätten, stünde der Solarpark schon", ist er sich sicher. Als privater Eigentümer des Grundstücks könnte der Investor tatsächlich jederzeit nach Thüringer Baurecht bauen. Dabei wären die Hürden und auch die vorgesehene Berücksichtigung der Anwohner-Interessen deutlich geringer.

Ab 1. Juli können Einwände eingebracht werden

Im Unterschied zu einem normalen Bauantrag müssen in diesem Verfahren alle Träger öffentlicher Belange - dazu gehören neben Umweltverbänden und Behörden auch die Anwohner - gehört werden. Allerdings gebe es dabei einen gesetzlich streng geregelten Ablauf, so Bürgermeister Voigt. Einwände die schon vor Beginn des Verfahrens gemacht werden, hätten keine Gültigkeit.

Für Voigt haben sich die Fronten auch deshalb so verhärtet, weil das Thema genutzt worden sei, um Politik zu machen. Das ärgere ihn: "Die Anwohner wurden durch Halbwissen und Halbwahrheiten verunsichert." Ab dem 1. Juli werden die Baupläne öffentlich ausgelegt. Ab dann könne jeder innerhalb von vier Wochen Einwände einreichen. "Und diese müssen dann im weiteren Verlauf auch zwingend berücksichtigt werden, sonst scheitert das ganze Verfahren", so Voigt. Konkret heißt das, dass der Bauherr der Verpflichtung unterliegt, jeden Einwand auszuräumen.

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MDR (mab)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 09. Juni 2022 | 12:00 Uhr

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