Theater Meiningen"Wer Wind sät": US-amerikanischer Polit-Thriller zu Meinungsfreiheit und Cancel Culturevon Marlene Drexler, MDR KULTUR
Das Stück "Wer Wind sät" fragt, wie weit man im universitären Diskurs mit der Meinungsfreiheit gehen kann. Kann man einen Rassisten einladen oder muss man diesem die Öffentlichkeit verweigern? Wo beginnt Cancel Culture? Es sind hochaktuelle Themen, die das Staatstheater in Meiningen auf die Bühne bringt. Das Stück von Paul Grellong ist hier in deutscher Erstaufführung zu sehen.
- Das Staatstheater Meiningen zeigt das Stück "Wer Wind sät" des US-Autors Paul Grellong.
- Es handelt im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und Cancel Culture.
- Das Theaterstück wurde von realen Ereignissen inspiriert, die u.a. von den Sozialen Medien beeinflusst sind.
"Wer Wind sät" wird in den Kammerspielen des Staatstheaters Meiningen in deutscher Erstaufführung gezeigt. Das Werk des US-Amerikaners Paul Grellong beschäftigt sich mit spannenden Fragen: Wie weit darf Meinungsfreiheit gehen? Wie tolerant muss die Gesellschaft gegenüber Intoleranten sein?
Freiheit der Meinung an US-Eliteuniversität
Die Handlung spielt auf dem Campus einer amerikanischen Elite-Universität. Im Zentrum steht der renommierte Geschichtsprofessor Charles Nichols. Der Mittfünfziger versteht sich selbst als unbestechlichen Verfechter der Meinungs- und Redefreiheit. Deshalb scheut er sich auch nicht davor, für ein angesehenes Symposium den "White Supremacy"-Sympathisanten und Holocaust-Leugner Benjamin Carver als Redner einzuladen.
Nichols ist der festen Überzeugung: es braucht die direkte Konfrontation, um Rassisten und ihre Ansichten zu demontieren. Sein Vorgehen beschreibt er mit der Metapher: "Wenn du die Negative in der Dunkelkammer zerstören willst, musst du die Tür aufmachen und Licht ins Dunkel lassen." Er, Nichols, wolle Carver auf "offener Bühne die Hosen runter reißen".
Wo beginnt Cancel Culture?
Ist diese Strategie genial – oder gefährlich und naiv? Kann man jemanden, der zu unlauteren Mitteln, wie falschen Fakten und Geschichtsrevisionismus greift, tatsächlich mit Argumenten entzaubern?
Nein – findet in dem Stück zumindest eine Gruppe Studierender. Wer Hassrede eine Plattform bietet und zulässt, dass rassistisches Gedankengut öffentlich reproduziert wird, mache sich mitschuldig. Die Universitätsleitung, die vor allem auch um das öffentliche Ansehen der Hochschule besorgt ist, schließt sich dem letztlich an. Wo beginnt "Cancel Culture", wo gelebtes Recht auf Nicht-Diskriminierung?
Brillante Dialoge und komplexe Figuren
Der Autor Paul Grellong, der dieses im Jahr 2019 am Warehouse Theatre im amerikanischen Greenville uraufgeführten Stück geschrieben hat, ist von Hause aus Drehbuchautor. In "Wer Wind sät" spiegele sich das in einer realistischen Schreibweise und brillanten Dialogen wider, so der Meininger Schauspielchef Frank Behnke, der die Inszenierung als Regisseur verantwortet.
Für Dramaturg Cornelius Edlefsen sind es die spezifischen persönlichen Erfahrungen der Figuren, die den Konflikt zusätzlich verdichten. So ist etwa die Dekanin Amy Katz, die Nichols zu einem Rückzieher auffordert, jüdischer Herkunft. Baxter Forrest, ein ehemaliger Doktorand von Nichols, der seinem Doktorvater mit Ratschlägen zur Seite steht, ist eine Person of Color.
Medialer Hype und die Sozialen Medien als Gift für die Debattenkultur
Das Stück ist ganz offensichtlich von realen Vorfällen inspiriert. Proteste an Universitäten wegen Auftritten umstrittener Rednerinnen und Redner, das gab es in jüngerer Vergangenheit immer wieder. In den Vereinigten Staaten ebenso wie in Deutschland.
Neben der inhaltlichen Diskussion über die Grenzen der Meinungsfreiheit schafft es Paul Grellong aber auch noch etwas Anderes einzufangen, findet Regisseur Frank Behnke: "Ich habe mehr und mehr festgestellt, dass es auch ein Stück darüber ist, wie sehr Debatten erschwert werden, in einem Umfeld von medialen Hype und den Sozialen Medien."
Die Figuren seien allesamt getrieben durch die öffentliche Wahrnehmung. Insofern handle das Stück nicht nur von der universitären Blase, sondern gebe auch Auskunft über eine gesamtgesellschaftliche Verfasstheit.
Handlung nicht chronologisch
Eine Besonderheit des Stücks ist, dass die Handlung nicht linear erzählt wird. Die chronologische Abfolge der Szenen ist durchmischt, so dass Absichten und Motive der Figuren erst nach und nach ans Licht treten. Überraschende Wendungen lassen den Abend wie einen Polit-Thriller wirken.
"Unser Ziel ist es, das Thema aufzureißen ohne eindeutige Positionierungen vorzugeben", so Behnke. Im besten Fall trage der Abend dazu bei, dass sich das Publikum eine eigene Meinung bildet.
Quelle: Marlene Drexler, Redaktionelle Bearbeitung: op
Die Aufführung"Wer Wind sät"
Polit-Thriller von Paul Grellong
Deutsch von Anna Opel, deutschsprachige Erstaufführung
Besetzung:
Charles Nichols: Stefan Willi Wang
Baxter Forrest: Marcus Chiwaeze
Amy Katz: Anja Lenßen
Lucas Poole: Matthis Heinrich
Maggie Rosen: Emma Suthe
Quinn Harris: Larissa Aimée Breidbach
Frank Sullivan: Enno Hesse
Regie: Frank Behnke
Staatstheater Meiningen | Kammerspiele
Bernhardstraße 3, 98617 Meiningen
Termine:
22.12.2023 | 19:30 Uhr | Kammerspiele
05.01.2024 | 19:30 Uhr | Kammerspiele
11.02.2024 | 19:00 Uhr | Kammerspiele
23.02.2024 | 19:30 Uhr | Kammerspiele
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 24. November 2023 | 12:10 Uhr