NotfallFrist von zehn Minuten - Warum eine Rettung bei Tauchunfällen fast unmöglich ist
Im September sind zwei Menschen bei einem Tauchunglück in einem See bei Nordhausen gestorben. Warum ist eine Rettung bei einem Tauchunfall so schwierig und welche Aufgaben haben die acht Thüringer Polizeitaucher? Wir haben nachgefragt.
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Als am 10. September drei Taucher im Sundhäuser See bei Nordhausen in Not gerieten, gelang es nur einem von ihnen, sich durch einen Notaufstieg zu retten. Weil es durch den schnellen Aufstieg zur sogenannten Dekompressionskrankheit kam, wurde er schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht.
Die anderen Taucher, beide 29 und laut Polizei eher unerfahren im Tauchen, starben. Die Toten wurden nach Informationen von MDR THÜRINGEN von Sporttauchern, die gerade vor Ort waren, geborgen. Wie genau der tragische Unfall passieren konnte, wird derzeit noch untersucht.
Tauchunfälle wie dieser passieren selten in Thüringen. Laut Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschft (DLRG) gab es hier in den vergangenen drei Jahren drei tödliche Tauchunfälle: Die zwei bereits erwähnten im Sundhäuser See und einen im Haselbacher See im Altenburger Land im Juli. Wobei der Mann eines natürlichen Todes starb.
In einem Notfall wird in der Regel die Feuerwehr alarmiert. Und dann bleibe eine "Hilfsfrist von zehn Minuten", sagt Karsten Utterodt, Vorsitzender des Thüringer Feuerwehrverbands. Innerhalb dieser Zeit muss die Feuerwehr vor Ort sein, um zu helfen.
Natürlich setzen wir alles in Bewegung, aber eine Rettung ist wenig realistisch.
Thomas Müller | Leiter der zentralen Leitstelle für den Landkreis Eichsfeld
Um einen in Not geratenen Taucher oder eine Taucherin zu retten, müsste eine Rettungstauchereinheit schon fertig angezogen und mit einsatzbereiter Technik am Gewässer bereitstehen. "Natürlich setzen wir alles in Bewegung, aber eine Rettung ist wenig realistisch", sagte der Leiter der zentralen Leitstelle für den Landkreis Eichsfeld, Thomas Müller, MDR THÜRINGEN.
Karsten Utterodt vom Feuerwehrverband bestätigt das: Die Vorbereitung dauere einfach zu lange, um jemandem, der unter Wasser in Not gerät, wirklich helfen zu können. Zudem bräuchte jede Feuerwehr in Thüringen Taucher, wenn die Hilfsfrist eingehalten werden soll.
Wenn wir wirklich ganz schnell helfen wollen, ist das erstens finanziell und zweitens personell nicht umsetzbar.
Karsten Utterodt | Thüringer Feuerwehrverband
Utterodt: "Wenn wir wirklich ganz schnell helfen wollen, ist das erstens finanziell und zweitens personell nicht umsetzbar." Denn eine Tauchstaffel bestehe aus fünf Personen und die müssten rund um die Uhr einsatzbereit sein, "24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr." Wenn überhaupt, könne das nur eine Berufsfeuerwehr leisten: Ausrüstung, Personal und regelmäßige Fortbildungen.
Keine Feuerwehrtaucher mehr in Thüringen
So wie die Berufsfeuerwehr in Gera. Hier gab es bis 2022 Feuerwehrtaucher, erzählt Utterodt. Heute gibt es nirgendwo in Thüringen mehr Feuerwehrtaucher. Laut Thomas Müller hat die Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Nordhausen die Technik und die Aufgaben der Feuerwehrtaucher - auch Katastrophenschutz gehöre dazu - übernommen.
Auch, wenn man die Polizei zu Hilfe rufen würde, könnte sie nur im Ausnahmefall Personen retten. Die acht Polizeitaucher in Thüringen haben vor allem andere Aufgaben: Sie suchen in Seen, Teichen und Flüssen nach Beweismitteln oder suchen und bergen vermisste Personen und Güter bei Unfällen und Katastrophen.
Zwei- bis dreimal Im Jahr Personensuche in Gewässern
Ein Sprecher der Thüringer Polizei sagte MDR THÜRINGEN, dass eine Personensuche in Binnengewässern etwa zwei- bis dreimal im Jahr vorkomme. Dazu zählten auch Badeunfälle und die Suche nach vermissten Personen. Häufiger würden die Polizeitaucher Beweismittel bergen, so der Polizeisprecher.
Die Gruppe der Thüringer Polizeitaucher ist bei der Bereitschaftspolizei mit Sitz in Erfurt angesiedelt. Die Männer - derzeit ist keine Taucherin dabei - gehören zur technischen Gruppe. Sie stellen Gitter bei Demos auf, halten Scheinwerfer und Metallsuchgeräte bereit oder leisten technische Unterstützung bei Katastrophenlagen.
Manchmal sei die Gruppe bei Veranstaltungen vor Ort, zum Beispiel beim Open-Air-Festival Sonne Mond Sterne (SMS) an der Bleilochtalsperre, "um im Notfall schnelle Hilfe zu leisten". Denn alle Polizeitaucher seien ausgebildete Rettungsschwimmer.
Werden die Polizeitaucher gebraucht, dauere es innerhalb von Thüringen schon zwei bis drei Stunden, bis sie einsatzbereit seien, sagt der Polizeisprecher. Denn die Technik werde größtenteils auf Lkw transportiert. Das bedeutet: Die Polizisten können nur mit Lkw-Geschwindigkeit zum Einsatzort fahren. Hinzu komme die Vorbereitung auf den Tauchgang. "Das dauert, bis die Technik eingerichtet ist", sagt der Polizeisprecher.
Niemals allein tauchen
Die Polizei wäre also eher keine Option, wenn Taucher in Not geraten. Nicht nur deshalb sollten Taucher zu ihrer eigenen Sicherheit nicht allein tauchen. So heißt es auf der Website des Verbandes Deutscher Sporttaucher: "Während eines Tauchganges muss die gegenseitige Überwachung und Unterstützung durch Mittaucher stets gewährleistet sein."
Das ist auch deshalb so wichtig, weil über Wasser niemand mitbekommt, wenn im Gewässer etwas passiert. Man weiß also oben nicht, dass jemand unter Wasser ein Problem hat.
Rettung schwierig
Am Ende bleibt die Hoffnung, dass sich Taucher gegenseitig helfen und so Unglücke vermieden werden können. Denn auch wenn die Feuerwehren schnell vor Ort sind, ist eine Rettung schwierig. Tragische Tauchunfälle - und das ist ein Glück - sind selten in Thüringen.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. September 2023 | 16:00 Uhr