Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Erneuerbare EnergienEisenach will Windkraft-Ausbau regeln: Ist der Welterbe-Status der Wartburg gefährdet?

23. September 2022, 19:36 Uhr

Nördlich von Eisenach stehen einige Windräder. Die Stadt möchte den weiteren Ausbau genauer regeln. Das Ziel: den Welterbe-Status der Wartburg schützen, aber trotzdem wirtschaftliche Windräder ermöglichen - ein Spagat. Denkmalschützer und Bundeswehr haben Bedenken. Fragen und Antworten zum Thema.

von Ruth Breer, MDR THÜRINGEN

Für Windkraft ist der Reitenberg, die Anhöhe zwischen dem Eisenacher Ortsteil Neukirchen und Mihla, günstig. Auf Eisenacher Gebiet stehen bereits 24 Windräder. Weil weitere dazukommen sollten, stellt die Stadt jetzt einen Bebauungsplan für das Gebiet auf.

Er soll den Welterbe-Status der Wartburg erhalten, das Landschaftsbild beruhigen und Windkraftanlagen ermöglichen. Doch es gibt Bedenken der Denkmalschützer und der Bundeswehr.

Worum geht es?

Es geht um die Eisenacher Flächen am Reitenberg, rund 280 Hektar, die in der Landesplanung als Vorranggebiet für Windkraft ausgewiesen sind. Dort stehen derzeit 24 Windräder mit Gesamthöhen zwischen 100 und 241 Metern.

Im Februar 2019 wurden drei Anlagen mit einer Gesamthöhe von knapp 250 Metern beantragt. Daraufhin hatte der Stadtrat beschlossen, einen Bebauungsplan aufzustellen. Den Entwurf dafür hat das Gremium Mitte September gebilligt, er wird voraussichtlich zum Jahresende öffentlich ausgelegt. Gleichzeitig hat der Stadtrat eine sogenannte Veränderungssperre verlängert, die verhindern soll, dass vor der Geltung des neuen Bebauungsplans etwas Neues gebaut wird.

Wozu braucht es einen Bebauungsplan?

Mit einem Bebauungsplan verfeinert die Stadt das, was baurechtlich in einem Gebiet gilt. Sie gibt sozusagen Spielregeln vor. So kann sie festlegen, wo künftig Windkraftanlagen stehen sollen und welche Bereiche nur landwirtschaftlich genutzt werden dürfen.

Auch die Höhe der Windräder kann ein Bebauungsplan regeln. Die Stadt Eisenach sah den Bedarf für den Plan vor allem wegen Bedenken der Denkmalschützer. Sie befürchten, ein weiter in die Höhe wachsender Windpark könne dazu führen, dass der Wartburg das Prädikat Welterbe aberkannt werde. Andererseits darf der Bebauungsplatz nicht das verhindern, was die Landesplanung in dieser Vorrangfläche vorsieht: Windkraft zu nutzen.

"Kein Plan wäre für alle Seiten das Schlechteste", heißt es von den Eisenacher Stadtplanern. Der B-Plan soll die Interessen der Wartburg schützen und das Landschaftsbild beruhigen. Auch gibt er den Windkraft-Betreibern Planungssicherheit, weil die Standorte bereits im Vorfeld abgestimmt wurden.

Karte der Windräder im betroffenen Gebiet

In der Karte eingezeichnet sind bisherige Windräder im Geltungsbereich (grün), bisherige Windräder, die im Sondergebiet liegen (lila), und ein Bereich im Sondergebiet, der bisher ohne Windrad ist (rot).

Lade Karte ...

Was bedeutet die Veränderungssperre?

Eine Veränderungssperre soll verhindern, dass in einem Gebiet etwas verändert (gebaut, wesentlich umgestaltet oder abgerissen) wird, während ein Bebauungsplan erstellt wird. Sie trat für den Windpark bei Neukirchen erstmals im November 2019 in Kraft und wurde jetzt ein zweites Mal verlängert bis zum 27. November 2023.

Für eine zweite Verlängerung braucht die Stadt besondere Gründe. Angeführt hat sie das "erheblich negativ geprägte" Landschaftsbild des Reitenbergs, die negativen Auswirkungen auf die Wartburg und die mögliche Aberkennung des Welterbe-Titels.

Was hat der Windpark mit der Wartburg zu tun?

Der Windpark auf dem Reitenberg liegt sieben bis acht Kilometer nördlich der Wartburg. Weil die Windräder auf einer Anhöhe von 300 bis 380 Meter über Normalnull ( Höhe über dem Meeresspiegel, NN) stehen und neue Anlagen stetig höher werden, sind sie von der Wartburg (420 Meter NN) aus gut zu sehen. Aus Sicht des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie droht eine "empfindliche Störung der Raumwirkung der Wartburg".

Es geht also um die Einbettung der Burg in die umgebende Landschaft, um die Sicht von der Burg auf das Umland. Als besonders störend sieht die Behörde hohe Windkraftanlagen, die die Horizontlinie durchbrechen. Deshalb hat sie in ihrer Stellungnahme gefordert, Windräder dürften nicht über eine absolute Höhe von 480 Meter über NN reichen. Ähnlich hatte sich in der Vergangenheit auch Icomos geäußert, die internationale Denkmalpflege-Organisation, die die Unesco zu Fragen des Welterbes berät. Sie hatte 2018 für die Windräder eine Grenze von 500 Metern über NN vorgeschlagen.

Warum darf die Stadt keine niedrigen Windräder vorschreiben?

Die Stadt wollte in ihrem Vorentwurf zum B-Plan den Wünschen der Denkmalschützer nachkommen und hatte als Obergrenze 500 Meter über NN vorgeschlagen. Dann hätten auf dem Reitenberg künftig nur noch sehr niedrige Anlagen gebaut werden dürfen. Das Problem, auf das das Landratsamt Wartburgkreis ausdrücklich hingewiesen hat: Windräder unter 200 Metern Höhe gelten aktuell als unwirtschaftlich. Eine solche Vorgabe in einem B-Plan für ein Windkraft-Vorranggebiet wäre eine sogenannte Negativplanung und damit rechtswidrig. Deshalb sieht der Entwurf jetzt eine Anlagenhöhe von maximal 200 Metern vor.

Was hat die Bundeswehr gegen den Windpark?

Die Bundeswehr hatte zunächst die Pläne der Stadt rundweg abgelehnt. Das Gebiet liegt laut dem Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr innerhalb eines Sicherheitskorridors einer Tiefflugstrecke für Hubschrauber. Allerdings hatte diese Behörde in der Vergangenheit bereits einzelnen Anlagen auf dem Reitenberg zugestimmt. Deshalb konnten sich die Stadtplaner mit dem Amt auf einzelne Standorte verständigen. Die Bundeswehr behält sich aber die Zustimmung für künftige Genehmigungen im Einzelfall vor.

Was sieht der Entwurf des B-Plans vor?

Weniger Windräder - aber leistungsstärkere. Künftig soll nur noch in zwölf Baufeldern jeweils eine Windkraftanlage stehen. Lediglich eines dieser Felder ist bisher unbebaut. Das bedeutet, dass nur ein zusätzliches Windrad neu gebaut werden könnte. An den elf weiteren Standorten dürften bestehende Anlagen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden ("Repowering"). Die übrigen hätten zwar Bestandsschutz, könnten aber nicht erneuert werden.

Die maximale Gesamthöhe soll bei 200 Metern liegen. Das bedeutet an den meisten Standorten, dass die von den Denkmalschützern gewünschte Maximalhöhe von 500 Meter über NN überschritten wird.

Nach Angaben der Stadt würden derzeit nur drei der bereits vorhandenen Anlagen der Maximalhöhe des Denkmalschutzes entsprechen. Die meisten liegen auf 550 Meter, die Spitze des jüngsten Windrads kommt sogar auf eine topografische Höhe von 581 Metern.

Wie geht es weiter?

Der Entwurf des Bebauungsplans wird voraussichtlich ab Ende November bis zum Jahresende öffentlich in der Stadtverwaltung ausgelegt. Bürger können sich dort informieren und Stellungnahmen abgeben. Alle Informationen finden sich auch auf der städtischen Homepage.

Alle Träger öffentlicher Belange - also Behörden, Verbände, Nachbargemeinden - sind ebenfalls einbezogen und dürfen (wie schon zum Vorentwurf) Stellung beziehen. Die Ergebnisse muss die Stadt abwägen und ihren Plan gegebenenfalls ändern. Ziel ist es, dass der neue B-Plan im kommenden Jahr in Kraft tritt.

Mehr über Windkraft in Thüringen

MDR (co)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten Thüringen-West | 14. September 2022 | 06:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen