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Di, 07.02. 22:10 Uhr 45:00 min

Wem gehört der Osten?

Oberhof

Ein Film von Dirk Schneider

Komplette Sendung

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Oberhof, am Rennsteig im Thüringer Wald, fast 1.000 Meter hoch gelegen, Ferienparadies und Wintersportplatz, einst DDR-Renommierort. Jetzt, im Winter 2023, ist Oberhof Schauplatz gleich zweier Wintersport-Weltmeisterschaften. Bildrechte: MDR
Die neue Folge der Doku-Reihe „Wem gehört der Osten“ fragt: Wem gehört Oberhof heute? All die Hotels, die Arenen, die Schanzen, die Kunsteisbahn? Wer bestimmt die Geschicke dieses Ortes mit seinen gerade einmal 1.600 Einwohnern? Bildrechte: MDR
Blick in die Historie: Die Ruine von Walter Ulbrichts Feriendomizil in Oberhof - von hier aus startete der DDR-Autokrat seine Skitouren auf dem nur wenige Hundert Meter entfernten Rennsteig. Bildrechte: MDR
Illustrierte Oberhof-Alben verschickten einheimische Familien an die vielen durch die kommunistische Zentrale Enteigneten und Ausgesiedelten. Bildrechte: MDR
Forstbeamter Karl Heinz Müller war Anfang der Neunziger in der CDU - der "einzige schwarze Förster" Thüringens. Er setzt durch, das die Wälder rund um die Sportstätten in Staatsbesitz verbleiben - und der Expansion der Oberhofer Sportstättenindustrie keine Grenzen gesetzt sind. Bildrechte: MDR
Oberhofs Bürgermeister Thomas Schulz kommt Ende der Achtziger nach Oberhof - als der Ort eine Art sozialistisches Paradies ist, zwischen Olympiakaderschmiede und DDR-Feriendienst. Nach der Wende gründet er ein Elektroinstallationsbetrieb; durch die Pleitiers der Nach-Treuhand-Ära verliert er Hundertausende. Heute hofft er, dass Oberhof dank Millionen Fördergelder des Freistaates eine zweite Chance bekommt. Inzwischen ist er selbst Hotelier. Bildrechte: MDR
Mihai Danzke, aufgewachsen in Halle/Saale, wohlhabend geworden als Eigentümer einer Werbeagentur in Berlin, kauft 2012 aus einer Konkursmasse den "Oberen Hof" in Oberhof, eine Großgaststätte im Bergarchitektur-Stil der Anfang 1970er. Für Danzke ist Oberhof ein "Rohdiamant" - regelmässig trainiert er in der neuen Langlauf-Skihalle. Bildrechte: MDR
Danzke hat nicht nur den "Oberen Hof" gekauft, sondern auch ein verfallenes Hotel in der Nachbarschaft. Das Hotel Sanssouci war in der Kaiserzeit eines der schönsten Häuser des Ortes. Bildrechte: MDR
Danzke mit seiner Frau Nicole im Rohbau des eigenen, neuen Appartements im Herzen Oberhofs. Bildrechte: MDR
Ronny Knoll ist PR-Mann des Thüringer Wintersportzentrums. Für den jungen Thüringer ein Traumjob. Bildrechte: MDR
Der modernisierte Start der Kunsteisbahn: Geschätzte 750.000.000 Euro sind seit Mitte der Neunzigerjahre nach Oberhof geflossen - meist in die Infastruktur des Hochleistungs-Wintersports. Bildrechte: MDR
Rodel-Bundestrainer Norbert Loch und der Bundestagsabgeordnete Frank Ullrich - einst Olympiasieger im Biathlon für die DDR und heute Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestags - bei der Eröffnung der modernisierten Kunsteisbahn. Bildrechte: MDR
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und Bildungsminister Helmut Holter sind stolz auf den "Leuchtturm" Oberhof. Bildrechte: MDR

Oberhof, am Rennsteig im Thüringer Wald, fast 1.000 Meter hoch gelegen, Ferienparadies und Wintersportplatz, einst DDR-Renommierort. Jetzt, im Winter 2023, ist Oberhof Schauplatz gleich zweier Wintersport-Weltmeisterschaften. Die neue Folge der Doku-Reihe „Wem gehört der Osten“ fragt: Wem gehört Oberhof heute? All die Hotels, die Arenen, die Schanzen, die Kunsteisbahn? Wer bestimmt die Geschicke dieses Ortes mit seinen gerade einmal 1.600 Einwohnern?

Der Film führt uns auf die Spur von Millionen Steuergeldern für Oberhof, ein „Leuchtturm“ der Thüringer Politik und er porträtiert heute wohlhabende und ehrgeizige Ostdeutsche, die eine Menge Geld in dem einstigen Vorzeigeort der DDR investieren. Der Oberhofer Ortschronist Wolfgang Lerch sagt: „Fremdbestimmung bis heute. Oberhof war immer eine Bühne der Eitelkeit der jeweils Herrschenden.“

Bei der Übergabe der modernisierten Rennrodelbahn im November 2022 (Kostenpunkt: 40 Millionen EUR Steuergeld) ist die Politik omnipräsent. Der Ministerpräsident Bodo Ramelow, der Bildungsminister Helmut Holter sind da, der „Oberhof-Beauftragte“ der Regierung, der eigentlich Staatssekretär im Finanzministerium ist. Der PR-Mann des vom Freistaat betriebenen Wintersportzentrums Oberhof, Ronny Knoll, berichtet von Ideen für Olympische Spiele. Es wehen die Fahnen von Europa, Deutschland, dem Freistaat - die von Oberhof gibt es nicht. Ein Symbol.

Ein Drittel des Stadtgebietes gehört heute dem Sport. „Dem Freistaat“, sagt Bodo Ramelow. Der Freistaat bestimmt in Oberhof. Denn ihm gehört fast alles: etwas mehr als 1000 Hektar Fläche zwischen Kunsteisbahn, Skihalle und Großschanze. Das Areal der Wintersport-Stätten gleicht heute einem Industriegebiet. Wo früher Wald war, ist jetzt Beton. Oberhof verlässt sich lange Zeit auf Show, Stars und Sport und verpasst den Anschluss an einen zeitgemäßen Tourismus.

Mihai Danzke, aufgewachsen in Halle (Saale), zu Wohlstand gekommen als Werbeunternehmer in Berlin, kauft vor 10 Jahren den „Oberen Hof“ in Oberhof, Anfang der 1970er im Stile exzentrischer Bergarchitektur errichtet. Das Gebäude ist kaputt, halb vermietet, für ihn aber ein Liebhaberstück: Freunde raten ihm ab. Die Banken kennen Oberhof nicht einmal. „Dann verwechseln die das mit Oberstdorf in Bayern, dann erklärst du wortreich Oberhof ... Ah, sagen die, 1.600 Einwohner. Da wollen Sie investieren? Aber doch nicht mit uns ...!“

Der Oberhofer Thomas Schulz hat das alles durch: Er verliert mit einem Elektrobetrieb nach der Wende Hunderttausende bei Hoteliers in Oberhof, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Oberhof ist in den Nullerjahren eine Ansammlung von Grundstücksbrachen: Die Transformation des einstigen DDR-Ferienparadieses in die Marktwirtschaft misslingt. Schulz entschließt sich 2006, als Bürgermeister zu kandidieren, er ist es bis heute: „Was war ich naiv!“ Aber Schulz hat Glück: Vor etwa zehn Jahren entdeckt die Thüringer Politik Oberhof als ein Leuchtturm des Tourismus, die landeseigene Entwicklungsgesellschaft kauft Grundstücke von Pleitiers und Spekulanten und nimmt sich vor, Oberhof städtebaulich zu helfen.

Bürgermeister Thomas Schulze konnte vor ein paar Jahren aufatmen: Die vom Staat initiierte Schönheitskur für die Ortsmitte bescherte ihm den Anruf eines Top-Hoteliers aus Österreich. Die interessierten sich für Oberhofs Lage in Deutschlands Mitte in bester Mittelgebirgsfrischluft - fast wie vor 100 Jahren. Das hochpreisige Familienresort Grand Green hat 2022 eröffnet - ein Gamechanger. Alle fühlen: Gut 30 Jahre nach der Wende erwacht der Ort zu neuem Leben. Doch immer wieder hängt der Tourismus in Oberhof am seidenen Faden, den Pensionen und Hotels fehlt es an Personal.

Der Berliner Mihai Danzke hält durch in Oberhof, 20 Millionen hat er bis jetzt investiert. Jetzt will er sogar seinen Wohnsitz nach Oberhof verlegen. Er ist sich sicher: „Oberhof ist ein Rohdiamant, er muss nur geschliffen werden …“ Wer aber macht das? Wem gehört Oberhof?

Der Bürgermeister sagt: „Ich hätte früher gesagt, den Regierenden, heute sag ich, den Leuten selber. Wir haben alle Chancen, wir müssen‘s nur tun. Diese Chance, diese Wahlmöglichkeit, hatten wir vor 15 Jahren nicht.“

Wintersportparadies Oberhof

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