Schwarz-Weiß-Foto der Schriftstellerin Brigitte Reimann: eine Frau mit kurzem dunklen Haar und einem gestreiften Oberteil blickt freundlich in die Kamera
1933 in Burg bei Magdeburg geboren, weckt Brigitte Reimann mit ihren Texten schon früh Aufmerksamkeit. Bildrechte: DRA

90. Geburtstag Drei Bücher von Brigitte Reimann, die man gelesen haben sollte

21. Juli 2023, 04:00 Uhr

Brigitte Reimann ist zu ihren Lebzeiten eine der schillerndsten Schriftstellerinnen der DDR. Geboren bei Magdeburg, lebt sie später in Hoyerswerda und Neubrandenburg. Als sie 1973 mit nur 39 Jahren an Krebs stirbt, hat sie einige wichtige Romane geschrieben, in deren Mittelpunkt oft Frauen und deren Drang nach Emanzipation stehen. Ihr bekanntester Roman "Franziska Linkerhand" bleibt leider unvollendet. Am 21. Juli 2023 wäre Brigitte Reimann 90 Jahre alt geworden. Das sind drei Bücher von ihr, die bis heute berühren:

Tagebuch: "Ich bedaure nichts. Mein Weg zur Schriftstellerin" (2023)

"Wieder – oder immer noch – verstimmt, nervös, aufgebracht gegen jeden und alles. Verfluche das Nest und die Idee, hierherzukommen – und weiß dabei, dass ich übermorgen oder nächste Woche wieder begeistert sein werde, durch irgendein nichtiges Erlebnis, die Begegnung mit einem Menschen, der mir gefällt."

Als Brigitte Reimann diese Sätze am 14. Februar 1960 in ihrem Tagebuch notiert, ist sie mit großen Erwartungen nach Hoyerswerda gezogen. Hier sollen die Grenzen zwischen der "Intelligenz" und der Arbeiterklasse eingerissen werden, hier will die Schriftstellerin Stoff für ihr Schreiben finden. Doch der Alltag ist von Höhen und Tiefen durchzogen.

Die Tagebücher von Brigitte Reimann geben Einblick in das private Leben einer leidenschaftlichen und klugen Frau, die viel schreibt, sich immer wieder neu verliebt, ihre Unabhängigkeit aber nie aufgibt. Gerade weil sie vermutlich nie für die Öffentlichkeit gedacht waren, kann man mit den Tagebüchern von Brigitte Reimann eine außergewöhnliche Schriftstellerin entweder neu entdecken oder noch näher kennenlernen.

Buchcover "Ich bedaure nichts", das Cover ist in zwei Teile geteilt, ein oberer orangefarbener auf der eine Frau in schwarz-weiß zu sehen ist und ein unterer rosafarbener, auf dem der Titel steht
Brigitte Reimanns Tagebücher "Ich bedaure nichts" sind im Aufbau Verlag erschienen. Bildrechte: Aufbau Verlag

Angaben zum Buch (zum Aufklappen)

Brigitte Reimann: "Ich bedaure nichts. Mein Weg zur Schriftstellerin"
Herausgegeben von Angela Drescher
Aufbau Verlag
592 Seiten
ISBN: 978-3-351-04186-1

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Brigitte Reimann 7 min
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Briefwechsel: "Sei gegrüßt und lebe" (1993)

"Liebe Christa, ich bin beschämt, dass ich so hemmungslos an Dich hingeschwatzt habe: ich strapaziere deine Geduld mit privaten Kümmerchen, während Du andere, viel gewichtigere Sachen um die Ohren hast …" schreibt Brigitte Reimann am 13. Februar 1972 an Christa Wolf.

Obwohl die Freundin nur vier Jahre älter ist als Brigitte Reimann, führen sie doch grundverschiedene Leben. Während Christa Wolf früh und glücklich heiratet und eine Familie gründet, bleibt Brigitte Reimann zeitlebens eine Suchende, die mit sehr unterschiedlichen Männern sehr unterschiedliche Beziehungen führte. Was die beiden Frauen jedoch verbindet, ist ihr unbedingter Wille zu schreiben und mit diesem Schreiben etwas zu bewirken. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der Kulturpolitik der DDR, an der sie sich permanent reiben.

In ihrem Briefwechsel, den sie bis kurz vor dem Tod Brigitte Reimanns im Februar 1973 führen, berichten die beiden Schriftstellerinnen offen über ihren Alltag, über ihre Arbeit, aber auch über Krankheiten und Ängste. Das alles in einem vertrauten und warmen Ton, der bis heute berührt.

Buchcover "Sei gegrüßt und lebe", auf dem weißen Cover steht in grünen Buchstaben oben der Titel, auf der linken Seite ist ein schwarz-weiß Foto von Reimann zu sehen, auf der rechten Seite ein schwarz-weiß Foto von Christa Wolf
Buchcover zum Briefwechsel "Sei gegrüßt und lebe" zwischen Brigitte Reimann und Christa Wolf Bildrechte: Aufbau Verlag

Angaben zum Buch (zum Aufklappen)

Brigitte Reimann und Christa Wolf: "Sei gegrüßt und lebe. Eine Freundschaft in Briefen und Tagebüchern 1964-1973"
Herausgegeben von Angela Drescher
Aufbau Verlag
270 Seiten
ISBN: 978-3-351-03636-2

Roman: "Die Geschwister" (1963)

"Wir gingen langsam durch die Kastanienallee, im zähen schleierigen Regen. Ich glaube, ich begann jetzt erst zu begreifen, was Uli gesagt hatte: in den Westen. Nach Hamburg, übermorgen."

Es ist die Geschichte von Elisabeth und ihrem Bruder Ulrich, die in diesem Roman erzählt wird. Während Elisabeth erst Kunst studiert und dann in einem Kombinat einen Zirkel malender Arbeiter leitet, will Ulrich, ihr jüngerer Bruder zu Konrad ausreisen, ihrem älteren Bruder, der in Hamburg lebt. Ein Entschluss, der Elisabeth erst schockiert und den sie Ulrich schließlich doch ausreden kann.

Im eigenen Leben von Brigitte Reimann ist es ihr Bruder Lutz, der die Familie 1960 Richtung Westen verlässt. Ein autobiografisches Ereignis also, das die Grundlage für diesen eindrucksvollen Roman bildet, den es in verschiedenen Fassungen gibt. 1963 erstmals erschienen, wird 2023 eine Neuausgabe auf Grundlage des Originalmanuskripts veröffentlicht, das ein Jahr zuvor bei der Sanierung eines Hauses in Hoyerswerda gefunden worden war. Ebenfalls 2023 erscheint mit "Siblings" die erste englische Übersetzung eines Romans von Brigitte Reimann.

Angaben zum Buch (zum Aufklappen)

Brigitte Reimann: "Die Geschwister"
Aufbau Verlag
224 Seiten
ISBN: 978-3-351-04204-2

Redaktionelle Bearbeitung: Hanna Romanowsky

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Juli 2023 | 08:10 Uhr