Zerstörtes Wahlplakat der Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Mittelsachsen.
Die Mehrheit der Angriffe auf Politiker und Politikerinnen hat sich 2023 gegen die Grünen gerichtet. Bildrechte: imago images/mhphoto

Zahlen und Fakten Bespuckt, beleidigt, bedroht – So häufig werden Politiker angegriffen

07. Mai 2024, 08:59 Uhr

Die Angriffe auf Politiker in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen steigen seit Jahren an. Im Vorfeld der Wahlen wurden nun schon mehrere Politiker attackiert und geschlagen. Die Zahlen im Überblick.

Am Freitagabend wurde der SPD-Kandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen und so schwer verletzt, dass er operiert werden musste. Das ist einer der schwersten, aber bei weitem nicht der einzige Angriff auf Politiker in den vergangenen Jahren. Wie aus einer Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervorgeht, wurden von 2019 bis 2023 insgesamt 10.537 Straftaten gemeldet, die alle Parteien betrafen.

Dabei verlagerte sich die Zielgruppe der Angreifer in den vergangenen Jahren. Der Auswertung zufolge waren noch 2019 hauptsächlich Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen, derzeit sind jedoch vor allem die Grünen das Ziel politisch motivierter Angriffe.

Attacken auf Politiker deutschlandweit 2023

Im vergangenem Jahr wurden für die AfD nach vorläufigen Zahlen bundesweit 478 Angriffe aktenkundig, bei den Grünen waren es 1.219. Darin sind sowohl tätliche Angriffe als auch Beleidigungen und Bedrohungen enthalten. Ein Blick auf die Art der Angriffe zeigt, AfD-Vertreterinnen und -Vertreter wurden häufiger Opfer von Gewaltattacken, also etwa von Sachbeschädigungen, Brandanschlägen oder körperlichen Übergriffen. Sie waren in 86 Fällen betroffen, die Grünen in 62. Doch keine Partei ist so häufig Opfer von Beleidigungen und Bedrohungen wie die Grünen – 947 Fälle wurden 2023 registriert.

Auch bei den registrierten Angriffen auf Parteieinrichtungen wie Abgeordnetenbüros oder Geschäftsstellen waren die Grünen in der Statistik am häufigsten betroffen: 224 Angriffe wurden im Jahr 2023 registriert. Bei der AfD und der SPD wurden jeweils 115 Angriffe gemeldet. Einrichtungen der Linken wurden in 50 Fällen angegriffen, in 38 Fällen war die CDU betroffen, 19 Fälle entfielen auf die FDP und sechs auf die CSU.

Sachsen 2023: Rechtsmotivierte Straftaten fast verdoppelt

Seit Jahresbeginn gab es dem sächsischen Innenministerium zufolge bereits 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit den Wahlen, davon richteten sich 30 direkt gegen Amts- und Mandatsträger. Allein in der ersten Woche des Kommunal- und Europawahlkampfes seien 51 politisch motivierte Straftaten gegen Wahlplakate bei der sächsischen Polizei angezeigt worden. 2023 hatte das Landeskriminalamt 77 Straftaten gegen Politiker registriert, 32 mehr als im Vorjahr.

Insgesamt wurden in Sachsen 2023 5.745 Straftaten registriert, bei denen die Polizei zu Beginn der Ermittlungen von einer politischen Motivation ausging. Das ist ein Rückgang um 9,2 Prozent im Vergleich zu 2022, aber dennoch der zweithöchste Wert der vergangenen vier Jahre.

Über 2.000 der registrierten Straftaten seien 2023 rechtspolitisch motiviert gewesen, 42 Prozent mehr als noch 2022. Die Polizei klassifizierte den Großteil der Taten als "Propagandadelikte", also zum Beispiel die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Die Straftaten aus dem linken Spektrum, insgesamt 1.089 Fälle, seien auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. Dabei habe es sich hauptsächlich um Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz gehandelt.

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Thüringen - politisch motivierte Straftaten nehmen seit Jahren zu

Wie das Innenministerium Thüringen auf Anfrage von MDR AKTUELL mitteilte, registrierte die Polizei 2023 fast doppelt so viele Attacken auf Wahlkreisbüros wie noch im Vorjahr, 82 an der Zahl. Amts- und Mandatsträger wurden 347 mal angegriffen, damit liegt der Wert nur leicht unter dem des Vorjahres. Insbesondere die Angriffe gegen Personen steigen seit 2020 kontinuierlich an.

In Thüringen wurden dem Innenministerium zufolge 2023 insgesamt 3.097 politisch motivierte Straftaten registriert, 59 weniger als noch im Vorjahr. Doch blickt man weiter zurück, zeigt sich: Die Fallzahlen politischer Straftaten steigen auch in Thüringen seit Jahren. Noch 2018 waren sie mit 1.798 Fällen nur etwa halb so hoch. "Unsere Demokratie steht unter Druck", sagte Innenminister Georg Maier angesichts dieser Entwicklung. 1.835 Fälle, also knapp 60 Prozent der politischen Straftaten aus 2023, wurden dem rechten Spektrum zugeordnet, 444 Fälle dem linken.

Sachsen-Anhalt: Angriffe auf Politiker 2023 insgesamt stark gestiegen

In Sachsen-Anhalt stieg die Zahl der Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen, die sich direkt gegen Politiker richteten, 2023 stark an. 190 Fälle wurden nach Angaben des Landeskriminalamtes 2023 registriert. Damit habe sich die Zahl seit 2020 mehr als verdoppelt. Es handele sich dabei vorrangig zu Beleidigungen und Bedrohungen. Außerdem seien etwa 70 Prozent der Straftaten im Internet begangen worden.

Das LKA Sachsen-Anhalt teilte MDR AKTUELL zudem auf Anfrage mit, dass sich die Taten oft gegen vereinzelte Politiker richteten oder vom selben Täter begangen würden: "Allein 67 Straftaten richteten sich im Jahr 2023 über soziale Medien gegen einen FDP-Politiker in Zusammenhang mit der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine." Ein weiteres Beispiel sei ein SPD-Politiker aus Stendal, der 2021 von einem Mann per Mail mit Beleidigungen überzogen wurde.

Die Angriffe auf Parteibüros und Wirkstätten von Politikern gingen 2023 erstmals seit Jahren wieder zurück. Dem Landeskriminalamt zufolge wurden im vergangenen Jahr 17 Attacken auf Parteibüros in Sachsen-Anhalt verzeichnet. 2022 waren es nach Angaben der Behörde mehr als doppelt so viele. Am häufigsten waren in den vergangenen Jahren Parteibüros der AfD betroffen. Wiederholt wurde auch das Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby in Halle angegriffen, auf das im Mai 2023 ein Brandanschlag verübt wurde.

Dr. Karamba Diaby, SPD
Dr. Karamba Diaby sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag. Bildrechte: SPD / Karin Böhme

Insgesamt steigt die politisch motivierte Kriminalität in Sachsen-Anhalt seit Jahren an. 2023 wurden 3.019 Fälle registriert – damit hatte sich die Anzahl derartiger Straftaten seit 2018 fast verdoppelt. Eine höhere Fallzahl hatte es nach Angaben des Landeskriminalamtes zudem nur 2021 gegeben. 3.133 Straftaten wurden damals registriert – viele davon im Zusammenhang mit der Bundestagswahl.

2023 wurden dem Innenministerium zufolge zwei Drittel der Taten dem rechten Spektrum zugeordnet. Innenministerin Tamara Zieschang sagte: "Insbesondere die stetige Zunahme von rechtsmotivierten Straftaten ist sehr ernst zu nehmen. Sie erreichen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand.“ So hätten vor allem Propagandadelikte und Volksverhetzungen zugenommen.

Gewalt gegen Wahlkampfhelfer und Politiker war auch Thema bei der MDR-Sendung "Fakt ist!" am 6. Mai:

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MDR, dpa (ewi, lmb, dak)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 06. Mai 2024 | 13:00 Uhr

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