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Video: Zu viele Regeln, Hemmnisse, Bürokratie: Ein sächsisches Maler-Unternehmen hat zusammen mit dem Arbeitgeber-Verband vorm Bundesarbeitsgericht gegen die "Gemeinnützige Urlaubskasse der Maler und Lackierer" geklagt. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Urteil des Bundesarbeitsgerichts Ärger um Urlaubskasse für Maler und Lackierer

29. März 2024, 05:00 Uhr

Die Malerkasse ist eine Sozialkasse, in die Malerbetriebe für ihre Mitarbeiter einzahlen müssen. Dabei geht es unter anderem um das Urlaubsgeld. Einige der Unternehmen sehen die Kasse als nicht mehr zeitgemäß an. Sie versuchen, gegen die Kasse vorzugehen und mehr Einblick in deren Umgang mit ihrem Geld zu bekommen. Laut eines aktuellen Gerichtsurteils muss die Kasse die Informationen nicht offenlegen.

In Erfurt hat das Bundesarbeitsgericht Mitte März eine Klage des Arbeitgeberverbandes für Maler und Lackierer in Deutschland e.V. gegen die Malerkasse zurückgewiesen. Laut Gericht haben die Unternehmer keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Malerkasse. Hintergrund der Klage war der Auftritt der Kasse auf einer Fachmesse gewesen.

Was ist die Malerkasse und warum gibt es sie? Die Malerkasse entstand Anfang der 1970er-Jahre, als auf dem Bau heikle Arbeitsbedingungen herrschten. Ob Maurer, Dachdecker oder Maler: Sie wechselten häufig ihre Arbeitgeber. Witterungsbedingte Kündigungen waren üblich: "Im Frühling geheuert, im Winter gefeuert". Dadurch erlosch – nicht selten – ihr Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.

Um die Urlaubsansprüche der Leute auf dem Bau gegenüber ihren Arbeitgebern abzusichern, einigten sich Unternehmerverbände und Gewerkschaften in ihren Tarifverträgen, sogenannte Sozialkassen zu betreiben. Die Malerkasse ist eine davon.

Einblicke in die Verhandlung vorm Bundesarbeitsgericht

Umschau-Reporter Matthias Toying war im Gerichtssaal bei der Verhandlung dabei und schildert seine Eindrücke dazu.

Vorsitzender Richter schätzt Forderung der Kläger nach Auskunftspflicht der Kasse als "ungewöhnlichen Fall" ein

Sie begrüßen sich nicht und sprechen miteinander kein Wort: Die Gräben zwischen den Rivalen in diesem Rechtsstreit sind tief. Schließlich wird die Sache zum wiederholten Mal verhandelt. Nachdem die Malerkasse vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht Recht bekommen hatte und daher keine Auskunft über die Verwendung der von ihr eingezogenen Beiträge geben muss, waren die Kläger in Berufung gegangen. Als fünf Richter am Bundesarbeitsgericht mit etwas Verspätung, kurz nach 11 Uhr, den Saal betreten, erheben sich alle Anwesenden von ihren Plätzen.

Der Vorsitzende Richter Waldemar Reinfelder gibt sich betont entspannt. Von Anfang an macht er klar, dass er nicht recht begreife, warum die Kläger eigentlich Auskünfte von der Malerkasse haben wollten. Als eingetragener Verein sei die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk nur ihren Mitgliedern rechenschaftspflichtig. Er findet, das ist ein "ungewöhnlicher Fall".

Eine Frage der Transparenz über Verwendung der Beiträge? - Debatte zwischen Kläger und Beklagter

Rechtsanwalt Wolf J. Reuter, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin, entgegnet der Einschätzung des Richters im Namen der Kläger: "Für Transparenz braucht es keine Gründe." Wüssten die Beitragszahler aber, wieviel Geld für den Auftritt der Malerkasse auf einer Fachmesse oder für einen Image-Film ausgegeben werde, könnten sie gegebenenfalls verlangen, dass solche Ausgaben in Zukunft unterlassen werden.

Die Sprecherin der Gegenseite, Pia A. Kappus, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Frankfurt am Main, zeigt sich zunächst verwundert: "Es ist doch alles transparent." Dann wird sie deutlich: Es bestehe kein Anspruch auf Offenlegung, weil es "gesetzlich nicht verankert" sei. Mehr Auskünfte würden auch mehr Kosten verursachen. Wie der Richter fragt auch sie: "Was wollen Sie mit der Auskunft machen?" Werner Loch, einer der Vorstände der Malerkasse erklärt zum Messeauftritt, die Besucher müssten darüber informiert werden, wie die Urlaubsansprüche der Maler gesichert werden können. Der Anwalt der Kläger entgegnet: Er sehe Messeaufsteller mit Werbesprüchen wie "Fairer Wettbewerb - klare Regeln". "Ist das Information?", fragt er.

Urteil: "Keine gesetzliche Grundlage" für Auskunftsanspruch

Eine Stunde lang werden Argumente wie Bälle hin- und hergespielt. Bis eine Aussage der beklagten Malerkasse aufhorchen lässt: "Alle Ausgaben werden durch Beiträge finanziert und die daraus erwirtschafteten Zinsen". Zwei Informationen, die einen gewissen Neuigkeitswert haben. Erstens: Die Malerkasse legt also Beitragsgelder am Kapitalmarkt an, um Zinsen zu generieren. Und zweitens: Es gibt keinen weiteren externen Geldgeber, wie man das von anderen Sozialkassen kennt. Alle Aktivitäten der Malerkasse werden also von Malerbetrieben Deutschlands finanziert.

Eine knappe Stunde später betreten die fünf Richter erneut den Saal. Der Vorsitzende verkündet, was aufmerksame Zuschauer erwartet hatten: "Die Klage wird zurückgewiesen." Nach Auffassung des Gerichts bestehen keine Auskunftsansprüche der Beitragszahler, denn: "Es gibt keine gesetzliche Grundlage" für eine solche Auskunft. Und: Die Malerkasse sei berechtigt, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, auch wenn das in ihrer Satzung nicht ausdrücklich erwähnt wird. Mehr erfahren die Anwesenden an diesem Tag nicht. Eine schriftliche Urteilsbegründung wird nachgereicht (AZ 10 AZR  117/23).

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Reaktionen von Klägern und Beklagten auf das Urteil

"Es ist erstmal ernüchternd, dass wir eine Forderung gestellt haben nach Transparenz, dass man sich hinstellt und sagt: 'Ja, das sind zwar Beitragsmittel, aber was wir mit den Beitragsmitteln dort machen, das hat euch nicht zu interessieren'", sagt Unternehmerin Sylvia Jämlich als Reaktion auf das Urteil.

Die Gegenseite wirkt hingegen erleichtert und ist gegenüber dem MDR erstmals zu einem Statement bereit. "Ja, wir fühlen uns bestätigt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind ja auch vom Bundesarbeitsgericht noch einmal bestätigt worden und es ist ausdrücklich festgestellt worden und auch in der Begründung, dass wir entsprechend den Satzungen und den vorgegebenen gesetzlichen Regelungen handeln", erläutert Werner Loch, Vorstandsmitglied der Malerkasse.

Einzahlungen sind Pflichtbeiträge

Wichtig zu wissen: Es handelt sich um Pflichtbeiträge und nicht um freiwillige Zahlungen. Das sehen nicht alle Unternehmen noch als zeitgemäß an. Einige versuchen sich zu wehren: Das Arbeitsgericht in Wiesbaden teilt auf MDR-Anfrage mit, dass im vergangenen Jahr fast 1.953 Mahnverfahren durchgeführt und gegen 231 Unternehmen Klage wegen säumiger Zahlungen eingereicht wurden.

Ausnahme Saarland Es geht auch ohne den Umweg über eine Malerkasse. Im Saarland zahlen Unternehmer Urlaubsvergütungen direkt an die Mitarbeiter aus.

Das ist möglich, weil die dortige Malerinnung sich bereits bei Gründung der Kasse gegen eine Teilnahme an dem bürokratischen Verfahren ausgesprochen hatte. Es sind keine Beschwerden saarländischer Maler über nicht gezahlte Urlaubsvergütungen bekannt.

Wie funktioniert die Malerkasse?

Auf der Internetseite der Kasse wird dazu erklärt: "Das Grundprinzip der Malerkasse ist, dass alle Aufwendungen für den Urlaub in der Branche gemeinsam von allen Betrieben, ähnlich einer Risikoversicherung, getragen werden. Der Beitrag ist abhängig von der Bruttolohnsumme und beträgt aktuell (Stand September 2019) 12,30 Prozent für die Urlaubskasse und 2,00 Prozent für die Zusatzversorgungskasse."

In der Praxis bedeutet das: Einmal im Monat geht das Urlaubsgeld, das den Mitarbeitern eines Unternehmens zusteht, zunächst an die Malerkasse. Wie hoch der Betrag dabei ausfällt, errechnet sich aus dem jeweiligen Bruttomonatslohn. Wenn dann ein Mitarbeiter Urlaub nimmt, darf die Firma das entsprechende Geld von der Malerkasse zurückfordern. Allerdings: Einen Teil des Geldes behält die Kasse bei einem Großteil der Fälle ein.

Was macht die Malerkasse mit dem einbehaltenen Geld?

Einerseits legt die Kasse das Geld auf Urlaubsberechtigte um, die bereits längere Zeit im Beruf sind und somit einen Anspruch auf mehr Urlaubstage und eine höhere Urlaubsvergütung haben. Auf der Webseite der Kasse findet sich eine Auflistung der entsprechenden Ansprüche. Andererseits bezahlt die Malerkasse in Wiesbaden aus den hinterlegten Beiträgen der Malerbetriebe und den Zinsen, die daraus erwirtschaftet werden, alle Kosten: also ihre Mitarbeiter, die Miete für Büroräume in Wiesbaden, die Kosten für Messeauftritte und so weiter. Das genau ist der Grund, weshalb einige Unternehmen Transparenz fordern.

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MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 19. März 2024 | 20:15 Uhr

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