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Provokateur als IdentifikationsfigurManfred Krug und "Spur der Steine"

08. Februar 2022, 05:00 Uhr

Der wohl bedeutendste Krug-Film in der DDR war "Spur der Steine" aus dem Jahr 1966. Doch dieser wurde bereits kurz nach der Uraufführung verboten. Der Film sei "ein Machwerk in jeder Beziehung", hieß es zur Begründung.

Manfred Krug hat in der DDR einen einzigen bedeutenden Film gedreht - bezeichnenderweise einen, der bereits kurz nach der Uraufführung verboten wurde: "Spur der Steine" aus dem Jahr 1966. Krug spielt darin einen ebenso robusten wie lebensklugen Zimmermann-Brigadier, der das Land mit aufbauen will, dabei aber unablässig in Konflikt mit der scheinbar allmächtigen Partei und der Bürokratie gerät. "Nie haben wir eine Arbeiterfigur von solcher Vitalität und Poesie, von so kräftigem Witz und Charme gesehen. Ein Kerl, vierfacher 'Aktivist', mit hinreißend anarchistischen Zügen", schrieb die Filmkritikerin Rosemarie Rehan drei Jahrzehnte später und bescheinigte Krug "ein erotisches Flair aus lässig gehandhabter Vorzeige-Männlichkeit und einer Seele, die auf Zehenspitzen geht".

Wer war Manfred Krug?

Als einer der wenigen Stars war Manfred Krug in Ost und West beliebt. Berühmtheit erlangte er vor allem durch seine Rolle als Zimmermann im DEFA-Fim "Spur der Steine", der lange Zeit verboten war. 1977 reiste Manfred Krug gemeinsam mit seiner Frau Ottilie und den drei Kindern nach Westberlin aus. Krug hatte sich 1976 öffentlich mit Wolf Biermann solidarisiert, der ausgebürgert worden war. Krug bekam keine Auftritte mehr und verließ die DDR. 2016 starb der Schauspieler Manfred Krug im Alter von 79 Jahren.

Manfred Krug: Provokateur als Identifikationsfigur

Regisseur Frank Beyer hatte den damals knapp 30-jährigen ehemaligen Stahlarbeiter sehr bewusst für seinen Film ausgewählt. Krug war damals bereits ein Star in der sozialistischen Republik, dem noch dazu ein von vielen DDR-Bürgern sehr geschätztes "Flair von Aufmüpfigkeit" (Frank Beyer) umwehte und der Humor besaß. Mit Krug wollte Frank Beyer das Publikum in die Kinosäle locken, das sozialistische Gegenwartsfilme in der Regel (und nicht selten auch aus gutem Grund) links liegen ließ. Der Provokateur sollte die Identifikationsfigur sein. 

Vorwurf: Partei und Staat "in gröbster Weise verunglimpft"

Doch dazu kam es nicht. Als im März 1966 der Film hochrangigen SED-Kulturfunktionären zur Abnahme vorgeführt wurde, setzte es vernichtende Kritiken - die Arbeiter und die SED seien zu negativ gezeichnet. Zu Beyers Überraschung wurde "Spur der Steine" aber nicht sofort verboten, sondern es wurde angeregt, den Film zu überarbeiten. Beyer machte ein paar kleine Kompromisse, und nun sollte der Film sogar als DDR-Beitrag für das Filmfest in Karlovy Vary im Juni 1966 angemeldet werden. Zwei Tage vor der Aufführung wurde die Zusage aber plötzlich wieder zurückgenommen. Walter Ulbricht höchstpersönlich hatte sich inzwischen "Spur der Steine" angesehen und entdeckt, dass darin Partei und Staat "in gröbster Weise verunglimpft" werden. Daraufhin wurde entschieden, dass der Film vom 30. Juni 1966 an "höchstens acht Tagen" in einigen ausgewählten Kinos der DDR gezeigt werden dürfe. Zuvor war er am 15. Juni 1966 bei den 8. Arbeiterfestspielen in Potsdam uraufgeführt worden.

Störer brüllen den Film mit Manfred Krug nieder

Das Interesse des Publikums an dem Film mit Manfred Krug in der Hauptrolle war enorm. Sämtliche Vorstellungen waren binnen kurzer Zeit ausverkauft. Allerdings hatte die SED dafür gesorgt, dass Mitglieder von Kampfgruppen und Studenten der Parteihochschule bei sämtlichen Vorführungen in den Kinos saßen. Sie hatten den Auftrag, den Film niederzubrüllen: "Das sind nicht unsere Arbeiter!", grölten die bestellten Störer beständig und, sobald Manfred Krug als Zimmermannsbrigadier Balla auf der Leinwand erschien: "Geh endlich arbeiten, du Schwein!" Letztlich forderten sie, den Regisseur "einzusperren" und die Vorführung abzubrechen.

Verbot von "Spur der Steine"

Am 8. Juli 1966 verschwand "Spur der Steine" tatsächlich aus den Kinos. Einige Tage später wurde Frank Beyer auf einer "Parteiaktivtagung" von Kulturminister Klaus Gysi mitgeteilt, dass der Film "ein Machwerk in jeder Beziehung" sei. Siegfried Wagner, Kulturchef im ZK der SED, donnerte: "Wer die Hand gegen die Arbeiterklasse erhebt, dem wird sie abgehauen". Der Film "Spur der Steine" verschwand für 23 Jahre im Giftschrank. Am 28. Oktober 1989 durfte der Film erstmals wieder aufgeführt werden.