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Urlaub mit leeren Taschen in Ungarn

12. August 2022, 11:16 Uhr

Didier Scheibe berichet von den Mühen, die eine Reise in die "fröhlichste Baracke des Ostblocks", also die Volksrepublik Ungarn, mit sich brachte.

von Didier Scheibe

Für Ungarn, Rumänien und Bulgarien benötigte der urlaubshungrige DDR-Bürger eine sogenannte Reiseanlage. Dieses im Dokumentendruck gefertigte Papier im Format A 6 war auf der Pass- und Meldestelle des zuständigen Volkspolizeikreisamtes zu beantragen. Die Reiseanlage ersparte es dem Organ, einen der begehrten (und, wie man vielleicht nicht zu Unrecht fürchtete, gefährliche Hoffnungen weckenden) Reisepässe auszufertigen. Die Reiseanlage stellte im Grunde genommen ein Ausreisevisum dar, welches gewährt oder versagt werden konnte. Einen gerichtlich nachprüfbaren Rechtsanspruch auf dieses Dokument gab es nicht.

Sozialistische Wartegemeinschaft bei Ungarn-Reisen

Die Ungarische Volksrepublik galt nicht nur als die "fröhlichste Baracke des Ostblocks", sie verströmte auch etwas von der Weltoffenheit, die der einfache DDR-Bürger im normalen Alltag schon vermisste. Anders gesagt: Es handelte sich um ein sehr beliebtes Reiseziel. Ich entsinne mich, dass sich die sozialistische Wartegemeinschaft vor dem Reisebüro in Riesa bereits am Vorabend des Tages versammelte, an welchem die Pauschalreisen nach Ungarn verkauft wurden.

Leere Taschen

Im Politbüro der SED müssen die Genossen am 27. März 1986 wohl zu dem Schluss gekommen sein, dass den bewusstseinsmäßig zunehmend erstarkten DDR-Bürgern die harte Wahrheit zugemutet werden könne. Künftig gab es nunmehr nur noch 190 Forint (entspricht 31 Ost-Mark) pro Kopf und Reisetag und das Ganze wurde auf die jährliche Höchstsumme von 2.650 Forint (entspricht 434 Ost-Mark) je Reiselustigen gedeckelt. Und da die Genossen schon einmal dabei waren, beschlossen sie, auch das Problem der volkswirtschaftlich störenden Reiselust in die ČSSR zu lösen. Es solle, so verkündete anderntags das "Neue Deutschland" nur noch 1.320 tschechoslowakische Kronen pro Person und Jahr geben, was 430 Mark der DDR entsprach.

Dieses Ansinnen stieß aber keineswegs auf wohlwollende Zustimmung in breiten Bevölkerungskreisen, im Gegenteil. Am Ende ruderten die Genossen in Sachen Reisen in ČSSR wieder zurück und die lächerliche Höchstsumme war vom Tisch. Im Falle Ungarns gab es hingegen keine Veränderung. Der Schnellzug "Metropol" von Berlin nach Budapest verkehrte in den Nachtstunden, so dass den Nicht-Auto-Besitzern eine gerade einmal finanzierbare Zwei- oder Drei-Tagesreise nach Budapest ermöglicht wurde.