In diesem Dossier:
Theologe und BürgerrechtlerWer ist Friedrich Schorlemmer?
Friedrich Schorlemmer - ein Pfarrer, der für Protest gegen das DDR-Regime steht. Einer, der weiß, wie unerbittlich das System den Einzelnen behindert und verletzt.
Er ist ein Mann des Wortes. Ganz im Sinne des ersten Satzes aus dem Johannes-Evangelium: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott." Friedrich Schorlemmer hat mit Worten, mit Erwägungen, mit Gedanken, mit Reden, Predigten und Büchern eine Welt verändert. Oder besser: Eine Welt bewahrt. Die der christlichen Friedensbotschaft in einer hochgerüsteten, waffenstarrenden Umgebung.
Die maßgeblich von ihm initiierte Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" in Wittenberg 1983 markierte eine bedeutende Zäsur in der Friedensbewegung der DDR: Für alle sichtbar ging der Protest gegen die atomare Hochrüstung aus den geschlossenen Kirchen heraus auf die Straße. Das auch das Westfernsehen dabei war, beflügelte den Protest – und den Pfarrer Friedrich Schorlemmer. Wer sich heute sein Interview von damals anhört, erlebt einen begeisterten, mitreißenden Mann, der freudig und voller Elan für seine Sache wirbt. Ein Bergprediger aus Wittenberg.
Steine auf Schorlemmers Schulweg
Geboren in Wittenberg, aufgewachsen in Werben in der Altmark, studierte Schorlemmer in Halle Theologie. Vorher war ihm als Sohn eines Pfarrers der Zugang zur Erweiterten Oberschule verwehrt worden, so dass er das Abitur auf der Volkshochschule nachholen musste. In den 70-er Jahren wirkte Schorlemmer als Studentenpfarrer in Merseburg, seit 1978 war er Dozent am Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg.
Drastischer Protest: Die Selbstverbrennung des Oskar Brüsewitz
Ein wichtiger Bezugspunkt für Schorlemmers DDR-kritisches Begehren war die Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz in Zeitz 1976. Die Tat, so Schorlemmer, habe die DDR und auch die Kirche völlig durcheinandergewirbelt. Auch gegen solche Selbstzerstörung wandten sich Schorlemmers Protestformen - gegen die Dumpfheit, Trägheit und Bevormundung der DDR, für Zeichen der Hoffnung und des Glaubens. Gern zitiert Schorlemmer den Ausspruch Martin Luthers: "Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen". Schorlemmer ergänzt es so: "Ich würde sogar sagen, m e i n Apfelbäumchen pflanzen, das meine dazu tun."
Friedensbewegung lebt durch Schorlemmer
In den 70er- und 80er-Jahren hat Schorlemmer das seine getan, vor allem zur Friedensbewegung in der DDR: Friedensdekaden, Friedensseminare, die Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" auf dem Lutherhof. Schorlemmer gehörte zu den Rednern der großen Demonstration vom Berliner Alexanderplatz vom 4. November 1989.
Auch nach der Friedlichen Revolution mischte er sich als gefragter Gesprächspartner und als Buchautor als eine Stimme des Ostens immer wieder in die Transformationsprozesse ein. So mahnte er mehrfach vor "Weg in die Barbarei" durch eine "völlige Ökonomisierung der Gesellschaft". Friedrich Schorlemmer ist Mitglied der SPD und lebt in Wittenberg.