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Neugestaltung Gedenkstätte Frauengefängnis HoheneckMillionensumme für einstiges Frauengefängnis Hoheneck

11. März 2021, 15:54 Uhr

Die ehemalige Haftanstalt "Schloss Hoheneck" wird zu einer zeitgemäßen Gedenk- und Bildungsstätte umgestaltet. Schon jetzt können Besucher virtuell durch die Räume im Hoheneck-Komplex streifen. Die gleichnamige, interaktive MDR-Dokumentation gewährt ungewöhnliche Einblicke in eine düstere, aber womöglich gerade deshalb lehrreiche Vergangenheit. Nun sind auch die notwendigen Fördermittel geflossen, die Gedenkstätte in Stollberg wird um- und ausgebaut.

Im Dezember 2019 kommt aus Berlin die Nachricht: Die Gedenkstättenkonzeption des Bundes zur Förderung historischer Aufarbeitung wird auch die Neugestaltung der Gedenkstätte Hoheneck finanziell unterstützen. Schon seit Monaten hatte man in Stollberg an einer Neukonzeption für die Dauerausstellung und Gedenkstätte im ehemaligen "Frauenzuchthaus Hoheneck" gearbeitet.

Im Oktober 2020 konnte Stollbergs Oberbürgermeister Marcel Schmidt nun endlich den Fördermittelbescheid über 1,4 Millionen Euro in Empfang nehmen. Das Geld stammt sowohl aus Mitteln des Bundes zur Förderung von Kultur und Medien als auch vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. "Die Gedenkstätte ist von großer Bedeutung, damit nie vergessen wird, welches Unrecht und welche Gewalt im Gefängnis Hoheneck an Menschen begangen wurden. Gedenkstätten dieser Art leisten einen außerordentlich wichtigen Beitrag, um die Geschehnisse unter dem NS-Regime und unter der kommunistischen Diktatur aufzuarbeiten und auch den jüngeren Menschen zu vermitteln", sagte die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Vorsitzende des Stiftungsrates der Sächsischen Gedenkstätten, Barbara Klepsch, bei der Übergabe des Fördermittelbescheids.

Wunsch und Wirklichkeit

Schon kurz nach dem Ende der DDR hatten sich ehemals politisch Verfolgte und in Hoheneck inhaftierte Frauen in einem Verein organisiert und für die Schaffung eines Ortes der Erinnerung geworben. Infolgedessen wird 1991 zunächst ein Gedenkstein außerhalb des Areals errichtet, da Hoheneck noch bis 2001 als Justizvollzugsanstalt genutzt wird. Wenige Monate nach deren endgültiger Schließung wird 2001 eine erste ständige Ausstellung zu den aus politischen Gründen in Stollberg inhaftierten Frauen in der Stadtbibliothek eröffnet und von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gefördert. Doch auf dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses bleibt es diesbezüglich ruhig. Zwar erfolgt 2012 die Eintragung in das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz und 2013 die Auszeichnung als politischer Ort Sachsens, doch seit 2003 ist das einstige Gefängnisgelände in Privatbesitz. Ein Investor will hier ein Erlebnishotel errichten, immer wieder kommt es daher zu Protest seitens der Opferverbände.

Blick in den Innenhof des einstigen Gefängnisses. Bildrechte: MDR/Kathrin Aehnlich

Ein prominentes Vorhaben der Stadt Stollberg

In der Folge erwirbt die Stadt Stollberg die frühere Frauenhaftanstalt 2014 zurück und beginnt mit einer vom Land Sachsen geförderten Sanierung des Areals. Ein neues Nutzungskonzept soll nun auch die Etablierung einer Gedenkstätte und Dauerausstellung ermöglichen. Man beginnt mit gelegentlichen, stark nachgefragten Führungen durch den ehemaligen Zellentrakt im Südflügel und mit Bauarbeiten zur Instandsetzung und Umgestaltung des Gebäudekomplexes. Zudem sollen in den Gebäuden auch weitere Nutzer untergebracht werden, wie das Stollberger Kinder- und Jugendtheater "Burattino" oder die interaktive, auf Wissenschaft und Technik und primär für Schulklassen ausgerichtete Ausstellung "Phänomenia", welche 2017 eröffnet wurde. Dauerhafte Büro- und Ausstellungsräume für eine Gedenkstätte bleiben jedoch weiterhin Zukunftsmusik.

Leipziger Agentur entwickelt Ausstellungskonzept

Die Leipziger Agentur Kocmoc entwickelte daher bereits 2016 im Auftrag der Stadt Stollberg ein erstes Vorkonzept für die Dauerausstellung. Die ungewöhnlichen Gestaltungsideen kommen gut an, man setzt auf farbliche Kontraste zwischen den geplanten Ausstellungsräumen und der düsteren Gefängnisatmosphäre und nimmt besonders die Jugend als Besucherzielgruppe in den Blickpunkt. Fortwährend offene Finanzierungsfragen, bis heute andauernde Sanierungsarbeiten an den Gebäuden sowie die Notwendigkeit, zum Beispiel genügend originale Exponate zu finden, historische Fakten in Archiven zu recherchieren oder auch Zeitzeugen einzubinden, verlangsamen jedoch immer wieder die Realisierung der Dauerausstellung.

Fördermillionen sorgen für Erfolgsdruck

Durch die aktuelle Bereitstellung der Fördermittel in Millionenhöhe nimmt die Konzeption der Gedenkstätte nun wieder Fahrt auf. "Ich finde das Gestaltungskonzept als Vision, welches wir 2016 vorgelegt haben, ist weiter stark und passend", sagt Jan Wünsche von der Agentur Kocmoc. Ende Oktober traf er sich mit Mitgliedern eines frisch gegründeten Expertengremiums auf dem Gelände der ehemaligen Haftanstalt, um das geplante Konzept weiter zu konkretisieren. Denn die Verwendung der Fördermillionen ist an Fristen gebunden und die Zeit ist knapp – trotz der erst für 2022 geplanten Eröffnung. "Das Gebäude selbst ist natürlich schon ein riesiges Exponat, aber das reicht nicht. Die Gestaltung der Ausstellung muss mit den Inhalten korrespondieren und die Perspektive der jungen Generationen, die diese Geschichte ja gar nicht erlebt haben, muss zentraler Bezugspunkt werden – ohne dabei die Authentizität des Ortes zu verlieren", so Jan Wünsche weiter.

Experten sollen Qualität und Anspruch sichern

Für die inhaltliche Qualität sowie den bildungspolitischen Auftrag der geplanten Dauerausstellung soll ein Fachbeirat bürgen, der sich aus rund einem Dutzend Experten zusammensetzt. Darunter sind Leiter anderer Gedenk- und Bildungsstätten, wie Dr. Jochen Voit von der Stiftung Ettersberg, Repräsentantinnen von Opferverbänden wie Carla Ottmann vom Verein für politisch Verfolgte und inhaftierte Frauen in der SBZ bzw. DDR oder auch die Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung, Dr. Anna Kaminsky. Momentan sieht es also gut aus für die Dauerausstellung, die Gelder als auch die fachliche Kompetenz sind vorhanden, aber auch notwendig. "Die künftige Gedenkstätte Frauenzuchthaus Hoheneck wird für die bildungspolitische Arbeit sowohl im Rahmen der Aufarbeitung des SED-Unrechts, als auch in Bezug auf die Förderung des Demokratieverständnisses eine erhebliche, bundesweite Bedeutung haben", sagte kürzlich nicht umsonst Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Die Dauerausstellung zum ehemaligen Frauengefängnis "Schloss Hoheneck" kann vorrausichtlich Ende 2022 eröffnet werden. Bis dahin empfiehlt sich der virtuelle Rundgang durch den Hoheneck-Komplex.