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Der Deutsche Schäferhund wird seit 1899 gezüchtet – als Rasse-Hund zur NS-Zeit und als Waffe für den Grenzschutz der DDR. Bildrechte: Colourbox.de

Hitlers HundeDeutscher Schäferhund: Von den Nazis verehrt und in der DDR als Waffe missbraucht

27. April 2022, 12:29 Uhr

Kaum eine Hunderasse wird so verehrt und ist gleichzeitig mit so vielen Klischees behaftet wie der Deutsche Schäferhund. Diese Hunde sind ausdauernd und stark, gelten aber auch als besonders treu und gehorsam. Bei den Nationalsozialisten wurden sie für Propagandazwecke missbraucht und als Rasse-Ikone inszeniert. In der DDR hat man die Schäferhunde für den Grenzschutz abgerichtet. Was ist geblieben von der Zucht, die einst den totalitären Regimes diente?

von Andrea Besser-Seuß

Der Deutsche Schäferhund wird heutzutage überwiegend als Familienhund und Gefährte für den Alltag gezüchtet. Laut dem Verein für Deutsche Schäferhunde e.V. leben 250.000 Tiere allein in Deutschland. Die Rasse mit der längsten deutschen Tradition ist aber auch in Asien und in den USA beliebt.

Fragt man heute Züchter, dann haben sich die Anforderungen an den Deutschen Schäferhund grundlegend geändert. Die Zuchtziele seien heute ganz andere als noch vor 50 Jahren, betont beispielsweise Alexander Meyer. Der Dreißigjährige hat den Zwinger von seinem Großvater übernommen und züchtet diese Rasse in dritter Generation.

Der Opa von Alexander Meyer war in der DDR Diensthundeführer. Bildrechte: Fam. Meyer , Zuchtstätte "vom Träbishang" (MDR)

Längst gehe es nicht mehr darum, aggressive Hunde heranzuziehen. Auch für den Dienstgebrauch, etwa bei der Drogenfahndung oder im Rettungsdienst, müsse der Hund wesensfest sein, denn der Diensthundeführer will seinen Hund ja auch mit zur Familie nach Hause nehmen.

Mittlerweile ist dieser richtig ausgeprägte Kampftrieb nicht mehr da, und selbst im Diensthundewesen wollen die gar nicht mehr diese wirklich bösen Hunde haben.

Alexander Meyer, Zuchtstätte "vom Träbishang"

Das war einer der ersten Würfe aus der Zucht "vom Träbishang". Bildrechte: Fam. Meyer , Zuchtstätte "vom Träbishang" (MDR)

Der Deutsche Schäferhund als Waffe

Der aggressive Schäferhund, den man auf Menschen abgerichtet hat, gehört zum düstersten Kapitel der Geschichte dieser Rasse. Sowohl die Nationalsozialisten, als auch die DDR-Diktatur bedienten sich des Deutschen Schäferhundes als Waffe. Bei den Nazis wurde er für die Bewachung von Häftlingen in den Konzentrationslagern gezielt auf Menschen abgerichtet, in der DDR auf Flüchtende an der innerdeutschen Grenze.

Der Magdeburger Jan Mohnhaupt hat für sein Buch "Tiere im Nationalsozialismus" zahlreiche Quellen ausgewertet. Danach hätte es Anweisungen vom Reichsführer SS Heinrich Himmler gegeben, der gesagt habe, die Hunde müssten zu reißenden Bestien ausgebildet werden.   

Und so waren die Hunde ein Instrument, das eingesetzt wurde, um die Häftlinge einzuschüchtern und im Zweifel auch zu töten.

Jan Mohnhaupt, Autor "Tiere im Nationalsozialismus"

Hitler liebte Deutsche Schäferhunde

Der Hund und ganz besonders der "echte" Deutsche Schäferhund galt als Herrentier, so die Ideologie der Nationalsozialisten. Deutsche Schäferhunde waren die treuen Begleiter der deutschen Führungselite. Adolf Hitler besaß zwischen Jahren 1922 und 1945 wohl insgesamt 13 Tiere - ausnahmslos Schäferhunde. Der bekannteste war seine Hündin "Blondi". Gleich mehrere seiner Hündinnen hörten auf diesen Namen, die Rüden hießen meistens Wolf.

Die Tiere seien Haustier und Propagandainstrument zugleich gewesen, so Autor Jan Mohnhaupt. "Das sollte zeigen, wie tierlieb und auch wie 'menschlich' der Führer ist, weil er eben diesen Hund hat, mit dem er so freundlich umgeht und der so gut auf ihn hört. So hat man versucht, ein besonders nahbares Bild von Hitler zu kreieren."

Ideologie und Rassentheorie

Der Deutsche Schäferhund wurde als Rasse-Ikone inszeniert. Dafür nutzten die Nationalsozialisten die Rassentheorien der ersten Züchter. Rittmeister Max von Stephanitz, 1863 in Dresden geboren, gründete am 22. April 1899 zusammen mit Gleichgesinnten den "Verein für Deutsche Schäferhunde", den es bis heute gibt. 

Von Stephanitz hatte erstmals feste Zuchtregeln niedergeschrieben. Sein Standardwerk für die Schäferhundezucht basiert auf den damals populären Rassentheorien des 19. Jahrhunderts und propagiert eine biologische Weltanschauung mit Blutreinheit und Stammbaum. Das nutzten die Nationalsozialisten, um Mensch und Tier in lebenswert und nicht lebenswert einzuteilen.

Autor Jan Mohnhaupt stellt fest, mit dieser Idee der reinrassigen Hundezucht, sei es so wie mit vielen von den Nazis weitergetrieben Ideen gewesen: "Sie haben die Sachen aufgegriffen, die schon seit Jahren in der Luft lagen und teilweise auch ganz klar vorgegeben waren. Das waren teilweise auch einfache Modeerscheinungen, auf die die aufgesprungen sind."

Das waren teilweise auch einfache Modeerscheinung, auf die die aufgesprungen sind.

Jan Mohnhaupt, Autor "Tiere im Nationalsozialismus"

Deutsche Schäferhunde an der DDR-Grenze

Auch in der DDR wurde auf aggressive, ausdauernde Hunde gesetzt. Die Hunde für Polizei und Grenzschutz, darunter nicht nur Schäferhunde, sondern auch Boxer und Dobermann, wurden an Laufleinen gekettet. Auf einem auf wenige Quadratmeter begrenzten Areal mussten die abgerichteten Hunde entlang der innerdeutschen Grenze Flüchtlinge verbellen und anfallen.

Originalfilmaufnahmen zeigen: Die Methoden der Ausbildung waren brutal. Die Tiere wurden teilweise mit Gewalt zur Unterwerfung gezwungen und gefügig gemacht. Es hieß: Schäferhunde seien von ihrer Wesensart am besten geeignet für die Abrichtung als Diensthund.

Was dem Ruf des Deutschen Schäferhundes bis heute schadet

Der Deutsche Schäferhund wurde wie kaum ein anderes Tier instrumentalisiert. Sein diszipliniertes Wesen und seine wolfsähnliche Erscheinung lassen ihn als Bild des "idealen Hundes" erscheinen. Die Verherrlichung in den Diktaturen und der Missbrauch durch rechtsnationale Propaganda hat ihm den zweifelhaften Ruf des Nazi-Maskottchens angehängt, den er nicht so recht los wird.

Dazu kommt, dass in Züchterkreisen auch mehr als 30 Jahre nach der deutschen Einheit gerungen wird, ob der Osten oder der Westen die besseren Schäferhunde hervorgebracht hat. Mit der deutschen Teilung hatten sich die Wege der Züchter getrennt. Im Westen setzte sich der abfallende Rücken durch, der als Schönheitsmerkmal besonders gefördert wurde. In der DDR wurde der gerade Rücken weiter gezüchtet.

Die neue Generation

Die junge Generation der Züchterinnen und Züchter, dazu gehört Familie Meyer, kann das Bild gerade rücken. Sie betrachten ihre Hunde als alltagstaugliche Gefährten für den Sport und als Familienhunde.

Romy Meyer, die mit ihrem Mann den "Zwinger vom Träbishang" führt, schätzt besonders die Vielseitigkeit der Rasse. Gefragt, warum der Deutsche Schäferhund zur Ikone wurde, verweist sie auf die lange Tradition, die man in Deutschland mit dieser Hunderasse habe. Sie besuche regelmäßig internationale Wettkämpfe im Hundesport und sei jedes Mal erstaunt, welches Ansehen der Deutsche Schäferhund weltweit genieße. Für die junge Züchterin sei der Deutsche Schäferhund auch ein Kulturgut, das auch im Ausland so wahrgenommen wird.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise I Wie das Haustier zum Familienmitglied wurde | 03. April 2022 | 22:20 Uhr