Mysteriöser Tod einer ZwangsarbeiterinWie starb Anastasia?
Eine junge Frau wird mit ihren zwei Söhnen 1944 aus Belarus als Zwangsarbeiterin nach Deutschland gebracht. Doch als sie in München ankommt, stirbt sie innerhalb von zwölf Tagen. Was geschah mit Anastasia?
Anastasia Blinkowa ist 36 Jahre alt, als sie aus ihrer belarussischen Heimat deportiert wird. In Deutschland soll sie in einer Gärtnerei bei München arbeiten, doch sie wird keinen einzigen Tag dort sein. Bevor sie die Arbeit antreten kann, stirbt sie in einem Krankenhaus. Sie lässt zwei kleine Söhne zurück. Wie konnte es soweit kommen?
Eine Millionen Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion
Man schreibt das Jahr 1944 und die Deutschen brauchen dringend Arbeitskräfte. Zu viele sind schon an der Front gefallen. Eine der wichtigsten Ressourcen, die die Deutschen aus den besetzten Ländern mitnehmen, sind Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Anastasia ist eine von rund einer Million sowjetischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die nach Deutschland gebracht werden.
Über Riga nach Deutschland
Wie viele andere werden Anastasia und ihre beiden Söhne zunächst nach Lettland gebracht. In Riga wird sie registriert, kommt zu einem reichen Bauern und muss dort bereits schuften. Auch ihren sechsjährigen Sohn Wladimir lässt sie als Landarbeiter eintragen. Der Grund dafür sollte sich erst später herausstellen.
Riga ist von der Wehrmacht besetzt. Am 3. September 1944 werden mehr als 20.000 Zwangsarbeiter von dort nach Deutschland "evakuiert". Auch Anastasia und die Söhne besteigen bei klirrender Kälte das Schiff, erinnert sich ihr heute 80-jähriger Sohn Wladimir.
Plötzlicher Tod in München
Am 8. September 1944 erreicht Anastasia München. Sie wird als Zwangsarbeiterin in einer Gärtnerei in Germering bei München eingeteilt. Das Unternehmen arbeitet für die Reichsbahn. Anastasia soll Gemüse für die Eisenbahner-Kantine anbauen. Doch sie wird keinen einzigen Tag dort arbeiten. Stattdessen wird sie direkt in ein Krankenhaus in München-Schwabing eingeliefert. Als sowjetische Bürgerin rangiert sie bei den Nazis weit unten in der Rangordnung. Nur bei Lebensgefahr war es für sowjetische Zwangsarbeiter überhaupt möglich, in so ein Krankenhaus zu kommen. Und offenbar war es um Anastasias Gesundheit tatsächlich nicht gut bestellt. Im Obduktionsbericht wird von einer blassen, abgemagerten Frau geschrieben. Er offenbart schließlich auch ihre Todesursache: ein Magenkarzinom. Krebs im Endstadium hat demnach die 36-jährige Frau getötet, erfährt ihr Sohn 74 Jahre später. Unvorstellbar müssen ihre Qualen auf der langen Reise von Belarus nach Deutschland gewesen sein.
Qualvolle Schmerzen begleiteten ihren Weg
Am 20. September 1944 stirbt Anastasia, sie hinterlässt zwei Söhne, die fortan in einem Waisenhaus aufwachsen. Dass sie ihre Söhne in Riga als Landarbeiter registrieren ließ, erweist sich nun als glücklicher Zufall, der ihnen möglicherweise sogar das Leben rettet. Denn als Landarbeiter haben die in den Augen der Nazis "rassistisch minderwertigen" Jungen eine Existenzberechtigung.
Über dieses Thema berichtet der MDR:12.9.2018 | 21:15 Uhr | “Spur der Ahnen“.