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Die große Flucht aus Ostpreußen

02. Dezember 2020, 12:49 Uhr

1945. Das Ende des Krieges ist absehbar. Seit Beginn des Jahres läuft die Offensive der Roten Armee, die eine Fluchtwelle in Ostpreußen mit sich bringt. Die Soldaten befehlen den Bewohnern, ihre Häuser zu verlassen. Hundertausende werden in Lagern inhaftiert oder müssen Zwangsarbeit leisten. Die Winter in Ostpreußen sind bitter kalt bis zu minus 25 Grad. Es gibt viele Tote.

Januar 1945: Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen

Lange blieb der nordöstlichste Teil des "Deutschen Reiches" von den Schrecken des Krieges verschont. Noch 1944 wähnt sich die Bevölkerung in der "Kornkammer des Reiches" in Sicherheit. Doch die näherrückende Rote Armee zerstört die vermeintliche Idylle. Drei Jahre nachdem Hitler seine Soldaten im Unternehmen "Barbarossa" in der Sowjetunion einmarschieren ließ, stehen nun sowjetische Truppen an der Grenze zum "Deutschen Reich". Am 12. Januar 1945 beginnt die große Winteroffensive der Roten Armee gegen die deutsche Ostfront. Die Gauleitung Ostpreußens hatte die Evakuierung der Zivilbevölkerung bis zu diesem Zeitpunkt hinausgezögert, eigenständige Fluchtbemühungen waren bei Todesstrafe verboten. Erst jetzt, inmitten der blutigen Kämpfe, fliehen Hunderttausende – überwiegend Alte, Frauen und Kinder – überstürzt aus ihrer Heimat.

Flucht und Vertreibung

Nach den Millionenverlusten und jahrelangen erbitterten Kämpfen in der Sowjetunion entlädt sich in Ostpreußen der ganze Hass der Roten Armee gegen Hitlerdeutschland. Entfesselte Gewalt, Vergewaltigungen und Hinrichtungen treffen vor allem die Zivilbevölkerung. Als die deutsche Heeresleitung Eisenbahnverkehr und Hauptstraßen zugunsten des Militärs sperren lässt, müssen sich die Fliehenden größtenteils zu Fuß oder mit dem Pferdewagen, bei klirrender Kälte und oft meterhohem Schnee auf den endlosen Marsch nach Westen begeben. Tausende, vor allem die Schwachen und die Kinder, erfrieren und bleiben am Straßenrand liegen. Russische Jagdflieger feuern auf die ungeschützten Trecks, Panzer überrollen die eingeholten Flüchtlinge oder treiben sie in ihre Heimatdörfer zurück. Ende Januar ist Ostpreußen vom Rest des Reiches abgeschnitten, eine Flucht auf dem Landweg ist nicht länger möglich. Die verzweifelten Menschen haben nur noch eine Chance: Die Passage über die Ostsee gen Westen.

Todesfahrten über die Ostsee

In der Ostsee lauern russische U-Boote auf deutsche Schiffe, und doch scheint eine Flucht auf dem Seeweg die letzte Hoffnung für 2,5 Millionen Zivilisten und Militärangehörige. So harren die Flüchtlinge oft tagelang an den Häfen im Norden Ostpreußens aus, um von einem der auslaufenden Schiffe mitgenommen zu werden. Mehr als eine Million Menschen können so gerettet werden, doch über 40.000 Zivilisten und Soldaten fanden den Tod in der eiskalten Ostsee. Am 30. Januar 1945 sinkt der ehemalige KdF-Dampfer "Wilhelm Gustloff" nach einem Torpedoangriff eines russischen U-Bootes – etwa 9.000 Menschen sterben bei der wahrscheinlich größten Schiffskatastrophe aller Zeiten. Bei der Versenkung der "Steuben" am 10. Februar 1945 werden mehr als 4.000 Menschen getötet. Das Frachtschiff "Goya" wird am 17. April von zwei Torpedos getroffen, sinkt innerhalb von sieben Minuten und reißt etwa 6.800 Menschen mit in die Tiefe.

Stumme Zeugen der Geschichte

Die Wracks der "Wilhelm Gustloff", der "Steuben" und der "Goya" wurden vor wenigen Jahren entdeckt und liegen bis heute auf dem Grund der Ostsee. Als Seekriegsgräber sind sie stumme Zeugen für die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und die Einzelschicksale Tausender Flüchtlinge, die auf Rettung hofften und den Tod fanden.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:MDR Zeitreise | Januar 1945 - Ein deutscher Winter | 26.01.2020 | 22:20 Uhr

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