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Heute ist er fasst vergessen, doch im Mittelalter war Wiprecht von Groitzsch ein bedeutender sächsischer Herrscher – davon zeugt auch sein prachtvolles Kenotaph (Scheingrab) in der Stadtkirche St. Laurentius in Pegau. Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

GeschichteDer unbekannte Sachsen-Held des Mittelalters: Wiprecht von Groitzsch

22. Mai 2024, 05:00 Uhr

Wenn es um berühmte sächsische Herrscher aus alten Zeiten geht, fallen meist Wettiner-Namen: Friedrichs, Augusts, Johanns mit klangvollen Beinamen wie "der Streitbare", "der Sanftmütige" oder schlicht "Weise" und "der Starke". Ein sehr erfolgreicher Herrscher des hohen Mittelalters ist dagegen weniger bekannt: Wiprecht von Groitzsch. Am 22. Mai 1124 starb der streitbare Markgraf von Meißen und der Lausitz, der schon vor 900 Jahren einen mittelalterlichen "Aufbau Ost" vorantrieb.

von Miriam Pütz, MDR GESCHICHTE

Wiprecht....wer? An der Autobahn A38 verweist ein braunes Hinweisschild auf den Namen "Wiprecht von Groitzsch". Es dürfte recht häufig für Unverständnis sorgen: Denn anders als die späteren wettinischen Fürsten ist der um 1050 geborene Wiprecht II. außerhalb der Region nur wenigen bekannt. Wiprecht entstammte einem altdeutschen Hochadelsgeschlecht, dass in der Altmark ansässig war. Seine ererbte Herrschaft tauschte er 1070 gegen die Burg Groitzsch im Osterland im Mulde-Elster-Gebiet und baute sie zu einer der größten sächsischen Anlagen seiner Zeit aus, die zu einem bedeutenden Zentrum seiner Macht wurde.

Wiprechts Aufstieg dank Skrupellosigkeit

Wiprecht, der für seine Skrupellosigkeit bekannt war, beteiligte sich unter Heinrich IV. und später unter dessen Sohn Heinrich V. an mehreren Feldzügen, die auch vor Papst Gregor VII. in Rom nicht Halt machten. Die Mönche im Kloster Pegau, die in ihren Annalen die Taten ihres Gründers besonders farbig darstellten, berichten von schier unglaublichen Heldentaten – mehrfach durchbrochene römische Schlachtordnungen, eine quasi im Alleingang eroberte Peterskirche – und selbst den Papst habe Wiprecht eigenhändig gefangen genommen.

Auch wenn die Schilderungen der Mönche stark übertrieben sind: Für seine Treue wurde Wiprecht reich belohnt und heiratete um 1085 Judith, die Tochter des böhmischen Königs. Dr. Jens Beutmann, Mitarbeiter des Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, führt aus: "Er ist natürlich für uns auch deswegen interessant, weil wir über ihn relativ viel wissen. Über Individuen des 12. Jahrhunderts im heutigen Sachsen ist ganz selten etwas bekannt. Über ihn gibt es eben eine Überlieferung, die sogenannten Pegauer Annalen, die seine Lebensgeschichte wiedergeben und diese auch ein bisschen als eine Heldengeschichte erzählen."

Er ist natürlich für uns auch deswegen interessant, weil wir über ihn relativ viel wissen. Über Individuen des 12. Jahrhunderts im heutigen Sachsen ist ganz selten etwas bekannt.

Dr. Jens Beutmann, Referatsleiter Ausstellungen am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz

Vom Sünder zum gottgefälligen Herrscher

Wiprecht entwickelte sich zu einem Gewaltherrscher, der seine Feinde mit Fehden überzog, ihre Burgen eroberte und sie gnadenlos verfolgte. So schreckte er auch nicht davor zurück, die Jakobskirche in Zeitz niederzubrennen, in die sich seine Gegner geflüchtet hatten.

Trotz seiner kriegerischen Erfolge und seiner Unerschrockenheit gegenüber seinen Feinden wurde Wiprecht später im Leben durch die christlichen Ideale seiner Frau dazu inspiriert, für seine schrecklichen Taten – es schlugen gleich mehrere geschändete Kirchen zu Buche – Buße zu tun. Papst Urban II. versprach ihm Vergebung, wenn er eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela in Spanien unternehmen würde.

Ein Porträt Wiprechts auf einer von ihm geprägten Münze. Der Brakteat wird im Münzkabinett im Dresdner Residenzschloss ausgestellt. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

Nach seiner Rückkehr von der Pilgerreise gründete er zur Buße im Jahr 1091 das Benediktinerkloster Pegau, das sich, da es durch die Burg geschützt war, in der Region auch halten konnte. Seinen Erfolg als Herrscher verdankt Wiprecht nicht nur seiner Härte, sondern auch modernen Methoden, schätzt Historiker Beutmann ein: "Wiprecht war für seine Zeit ein moderner Mensch, einer, der innovative Herrschaftsmethoden angewandt hat, die bis dahin in dieser Region eigentlich noch nicht so benutzt worden sind. Er hat ziemlich skrupellos, kann man schon sagen, seine Macht ausgebaut. Er hat aber zum Beispiel auch als erster östlich der Saale ein Kloster gebaut. Er hat Siedler ins Land geholt und damit auch neue Dörfer von ihnen gründen lassen. Er war in unserer Region somit der Erste, der auf die Weise versucht hat, eine territoriale Herrschaft aufzubauen."

Wiprecht war für seine Zeit ein moderner Mensch, der innovative Herrschaftsmethoden angewandt hat. (...) Er hat Siedler ins Land geholt und neue Dörfer gründen lassen.

Dr. Jens Beutmann, Referatsleiter Ausstellungen am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz

"Aufbau Ost" unter Wiprecht von Groitzsch

Wichtige Kolonisierungsarbeiten wurden unter seiner Führung gestartet: Er holte Bauern aus Franken, um den dichten Wald bis zur Mulde zu roden und neue Gebiete zu erschließen, und gab ihnen Land zu erblichem Besitz. Nach dem Tod seiner ersten Frau Judith um 1108 heiratete er 1110 Kunigunde aus dem Hause Beichlingen. Wiprecht von Groitzsch war als Gegner Kaiser Heinrichs V. von 1113 bis 1117 auf der Reichsburg Trifels inhaftiert und erhielt nach der Aussöhnung seinen Besitz zurück.

1124 wurde Wiprecht durch Flammen verletzt. Kurz vor seinem Tod verzichtete er auf alle weltlichen Güter und trat als Mönch in das Kloster Pegau ein, wo er am 22. Mai 1124 starb. Er wurde neben seiner Frau im Kloster beigesetzt. Wiprechts Erbe wurde jedoch nicht lange bewahrt. "Das ist dann wahrscheinlich deswegen nicht gelungen, weil sein Sohn dann kinderlos verstorben ist. Also er hat keine Dynastie gegründet, wie die Wettiner dann hinterher. Deswegen ist er fast vergessen", erklärt Beutmann.

Er hat keine Dynastie gegründet, wie die Wettiner dann hinterher. Deswegen ist er fast vergessen.

Dr. Jens Beutmann, Referatsleiter Ausstellungen am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz

Etwa 100 Jahre nach seinem Tod ließ ihm Abt Siegfried von Röcken ein Grabmal errichten. Von der Grabstätte und der ehemaligen Klosteranlage in Pegau ist heute nichts mehr zu sehen. Das Sandsteinkenotaph (Scheingrab) Wiprechts ist in der St. Laurentiuskirche in Pegau zu besichtigen. Auch die Wiprechtsburg Groitzsch über der Elsteraue ist heute noch gut sichtbar.

Die Burgruine der Wiprechtsburg Groitzsch kann ständig kostenlos besichtigt werden. Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

Herrschaft und Macht im Mittelalter

Die Rolle Wiprechts verdeutlicht, wie im Mittelalter Herrschaft und Macht durch Konflikte, Landnahme, Bauprojekte und strategische Heiratspolitik gefestigt werden konnten, aber auch große Risiken bargen. Sein Einfluss auf die Besiedlung und Gestaltung der Kulturlandschaft im Elster-Pleiße-Mulde-Gebiet ist bis heute spürbar.

Das smac - Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz zeigt Stationen aus Wiprechts Leben in der Dauerausstellung, ein besonderes Highlight ist die 400 Kilogramm schwere Replik seiner Grabplatte. Am 22. Mai 2024 wird um 19:00 Uhr ein Requiem zum Todestag Wiprechts in der Frauenkirche Groitzsch gehalten. Das Stadtmuseum Pegau zeigt außerdem ab dem 22. Mai 2024 eine Sonderausstellung anlässlich des 900. Todestag von Wiprecht II und der Verein für Heimatkunde zu Pegau organisiert thematische Vorträge.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 23. Januar 2024 | 16:00 Uhr