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1948/49Parlamentarischer Rat erarbeitet das Grundgesetz

23. Mai 2020, 05:00 Uhr

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland zum Schachbrett der Siegermächte – der beginnende Kampf der Systeme zwischen Osten und Westen brachte schließlich die jahrzehntelange Teilung des Landes. Die Gründung der Bundesrepublik nahm mit der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 die entscheidende Hürde. Aus dem Osten kam Protest.

von Johannes Christof

"An das deutsche Volk! Was wird aus Deutschland? Wird die Einheit Deutschlands endgültig zerschlagen? Das sind die großen Fragen, die jeden deutschen Menschen bedrängen." Es waren eindringliche Sätze, mit denen die ostdeutsche SED im Frühjahr 1948 um Unterschriften für die deutsche Einheit warb. Über den so genannten Deutschen Volksrat rief die Sozialistische Einheitspartei seinerzeit ein Volksbegehren für eine gemeinsame Zukunft ganz Deutschlands aus – das letztlich aber vergeblich blieb und so die fortschreitende Teilung des Landes eher bestätigen als abwenden sollte.

13 Millionen Deutsche für die Einheit

In den Westzonen des geteilten Nachkriegsdeutschlands wurde die Aktion durch die westlichen Besatzungsmächte überwiegend unterbunden – nur in der britischen Zone wurde sie unter starken Vorbehalten erlaubt. Zwar unterschrieben schließlich im Mai und Juni 1948 nach SED-Angaben etwa 13 Millionen Deutsche für die Einheit, davon etwa eine Million im Westen – doch zu einer entsprechenden Volksabstimmung führte das Begehren trotzdem nicht. Denn gemeint war von der ostdeutschen Führung natürlich eine Einheit im Sinne der sowjetischen Besatzer – und die sorgte im Westen freilich für Kopfschütteln.

Verhärtete Fronten

Spätestens Ende 1947 war die gemeinsame Deutschlandpolitik der vier Besatzungsmächte sichtlich in einer Sackgasse – die USA, Großbritannien und Frankreich waren zu keinen weiteren Zugeständnissen gegenüber der Sowjetunion bereit. Der Weg hin zur langfristigen Teilung Deutschlands war jetzt vorgezeichnet – die separate Währungsreform im Westen und die sowjetische Blockade Berlins zeigten im Juni 1948 darauf deutlich an, wohin die Reise ging.

Kurz nach dem chancenlosen Volksbegehren der Ostseite hielten die Westmächte die führenden Politiker ihrer Zonen zur Gründung eines separaten westdeutschen Staates an. Bald darauf nahm diese mit den Beratungen über eine zukünftige Verfassung ihren Lauf.

Teilung per Gesetz

Zur feierlichen Eröffnung des Parlamentarischen Rats, der in Bonn das spätere Grundgesetz erarbeiten sollte, hieß es am 1. September 1948 vom hessischen Ministerpräsidenten Stock: "Wir spalten nicht – wir führen zusammen und einigen." Was folgte, kam im Osten gleichwohl anders an. Nach monatelangen Beratungen über das Verhältnis von Bund und Ländern, die Rolle der Parteien oder die Gleichstellung von Mann und Frau zurrte der Rat unter der Führung von Konrad Adenauer (CDU) und Carlo Schmid (SPD) die kommende Verfassung fest. Die westdeutschen Landtage stimmten ihr dann auch mehrheitlich zu – nur Bayern lehnte sie als zu bundeslastig ab, akzeptierte aber trotzdem ihre Gültigkeit. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz schließlich verkündet – um tags darauf in Kraft zu treten.

In Bonn wurde diese formelle Gründung der Bundesrepublik nur mit einem bescheidenden Festakt gefeiert. Sowohl die Tatsache, dass man sich nicht im zentraleren Frankfurt zusammensetzte, als auch die Bezeichnung "Grundgesetz" zeigten bereits an, dass nur etwas Vorübergehendes entstanden sein sollte.

Kampf der Worte

Während der Staatsformung in ihren Zonen hatten die Westmächte nach wie vor das letzte Wort – was ihnen im Westen Deutschlands langfristigen Einfluss sicherte und den Sozialisten im Osten übel aufstieß. In einem SED-Programm hieß es bereits im Januar 1949: "Die Westmächte hätten ihre Versklavungspolitik gegen das deutsche Volk nie und nimmer durchführen können, wenn sich nicht Deutsche zu Handlagerdiensten hergegeben hätten."

Wilhelm Pieck, Staatspräsident der DDR, mit Bauern 1956. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Letztlich kam es den Machthabern in der Sowjetzone aber auch entgegen, dass der Westen in Sachen Teilung voranging und man ihm somit die Schuld daran geben konnte. Der spätere erste Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, sprach am 17. Juni 1949 vor dem Zentralen Block der ostdeutschen Parteien davon, dass man in Sachen Staatsgründung nicht nachziehen sollte, "bevor dieser Weg im Westen ganz zu Ende gegangen ist. Solange das nicht der Fall ist, soll man den Kampf für die Erhaltung der Einheit Deutschlands führen.“

Volkes Wille?

So wie im Osten hielt man auch im Westen zunächst offiziell an der Einheit als zeitnahem Ziel fest – im ersten Bundestagswahlkampf vertraten die Spitzenparteien CDU und SPD diese Linie. In Wahrheit hatte es aber in Bonn für Erleichterung gesorgt, dass die vier Siegermächte sich auch bei erneuten Gesprächen im Mai und Juni nicht mehr angenähert hatten – und dem zügigen Aufbau der Bundesrepublik somit nichts mehr im Wege stand.

Die erste Bundestagswahl am 14. August 1949 brachte der CDU einen knappen Sieg vor der SPD ein, so dass im neuen Parlament die Staatsgründung schließlich durch dessen Eröffnung und die Wahl Konrad Adenauers zum ersten Bundeskanzler zementiert werden konnte. Mit dessen Regierungsbildung zum 20. September war die Gründung der Bundesrepublik dann auch praktisch vollzogen.

Im Osten sprach Pieck nun davon, dass es "dem amerikanischen Imperialismus gelungen ist, einen großen Massenbetrug durchzuführen, so wie es Hitler 1933 gelungen ist, die Massen zu betrügen und für den Krieg zu gewinnen" – und seine SED wähnte sich nun in einer "Stunde der das ganze deutsche Volk bedrohenden Gefahr der Vernichtung".

Getrennte Wege

Wilhelm Pieck verliest das Manifest zur Gründung der DDR am 7. Oktober 1949. Bildrechte: picture alliance/dpa

Um demnach "Betrug und Gefahr" zu begegnen, gründete die SED nun am 7. Oktober 1949 mit der Deutschen Demokratischen Republik ihren eigenen Teilstaat. Zuvor hatte die Sowjetunion als Taktgeberin des Ostens in einer Protestnote an die US-Regierung offiziell ihren Unmut über das neue Westdeutschland bekundet. Der DDR als neuem Kind Moskaus im Osten entzog Bundeskanzler Adenauer im Westen freilich fast unmittelbar nach dessen Geburt die Anerkennung. Die bis auf Weiteres nicht mehr abwendbare Teilung Deutschlands war letztlich auch der Schlussstein der Gründung der Bundesrepublik.

Eine vorerst letzte, wenn auch kaum reale Chance auf ein Zusammengehen beider Deutschlands verband sich mit der spektakulären Deutschland-Note des Sowjetführers Stalin vom 10. März 1952 – in der er ein geeintes, aber außenpolitisch neutrales Deutschland vorschlug. Als aber bald klar wurde, dass Moskau keine freien Wahlen in ganz Deutschland als Voraussetzung dafür akzeptieren würde, ging der Westen nicht näher auf den Vorstoß ein. Die "Zerschlagung" Deutschlands aus dem SED-Jargon war gewissermaßen längst wahr geworden und blieb es bekanntlich rund vier Jahrzehnte.

Über dieses Thema berichtete MDR im TV in "Aktuell"16.05.2019 | 17:45 Uhr