Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
MDR KULTUR im RadioMDR KULTUR im FernsehenÜber unsKontaktSuche
Die deutsche Doku-Serie "Pumping Beauty" taucht in die Welt der Bodybuilderinnen ein und ist in der ARD Mediathek zu sehen. Bildrechte: Benjamin Kahlmeyer

Interview zu "Pumping Beauty"Film über Frauen im Bodybuilding: Pumpen für den perfekten Körper

25. August 2023, 14:00 Uhr

"Pumping Beauty" ist die erste deutsche Doku-Serie über Bodybuilderinnen. Die vierteilige Serie, die nun in der ARD Mediathek zu streamen ist, begleitet die Profi-Bodybuilderinnen Lena Ramsteiner und Bahar Ayra auf ihrem Weg zum "Mr. Olympia", dem Königswettbewerb der Szene in Las Vegas. Für den Traum vom perfekten Körper überwinden sie körperliche Grenzen und riskieren ihre Beziehungen und ihre Gesundheit. Regisseurin Vera Weber spricht im Interview über Selbstoptimierungswahn, Vorurteile und warum Bodybuilding nicht unbedingt feministisch ist.

MDR KULTUR: Wie sind Sie auf das Thema Bodybuilderinnen gekommen?

Vera Weber: Wenn man die Welt und die Gesellschaft beobachtet, stellt man fest, dass es unterschiedliche Körperkulte gibt – vor allem aber einen krassen Optimierungs- und Schönheitswahn. Und die Bodybuilding-Welt ist zudem als Bildwelt sehr spannend. Ich kann ehrlicherweise sagen, dass ich am Anfang auch ein bisschen Abwehr gespürt habe. Das hat mich dann noch mehr gereizt, da hinzugucken, um herauszufinden: Was finde ich denn daran so befremdlich? Was ist mir daran so unverständlich?

Also habe ich angefangen, mich mit ganz vielen Frauen zu unterhalten, die Bodybuilding aktiv betreiben, sowohl als Hobby als auch auf Profi-Niveau. Und da habe ich ziemlich schnell eine große Gemeinsamkeit entdeckt: nämlich dass viele aus einer großen persönlichen Verletzung heraus mit dem Sport angefangen haben, um irgendwie die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen und selbst über sich und ihren Körper entscheiden zu können.

Und ich habe sehr schnell festgestellt, dass diese Menschen alles andere als – wie beim Pumper-Klischee – dumm zu bezeichnen sind, sondern dass der Sport mit extrem viel Köpfchen betrieben werden muss, um den Körper nicht an die Wand zu fahren. Und so stecken unter dem Deckmantel des Bodybuildings, des Körperkults und dieser Verwandlungslust ganz viele Themen, die uns alle beschäftigen. Das sind zum einen der Leistungsdruck und Optimierungswahn in unserer Gesellschaft, aber auch die große Frage: Wie kann man so aussehen, wie man will, ohne dass man von der Gesellschaft verurteilt oder kritisiert wird?

Sie sagen, dass Sie vor dem Film selbst Vorurteile hatten. Was hat Sie bei den Dreharbeiten überrascht? Womit haben Sie nicht gerechnet?

Ich ziehe meinen Hut vor der Disziplin, die diese Menschen an den Tag legen und auch davor, wie viel Wissen sie sich aneignen. Und zwar ganz konkretes Wissen über den eigenen Körper. Sie wissen wirklich mehr über Darm-Gesundheit, Stoffwechsel, Hormonhaushalt, Vitamine und vieles mehr als jeder andere Mensch. Mich beeindruckt sehr, wie gut sie sich selbst kennen. Und dass sie sich trotzdem so viel abverlangen und antun, das beschäftigt mich sehr.

Man sieht die beiden Protagonistinnen Lena und Bahar tatsächlich sehr viel leiden und kämpfen, um den "perfekten" Körper zu bekommen. Ein großes Thema dabei ist Weiblichkeit. Die ausgeprägten Muskeln werden allgemein eher mit Männern assoziiert. Würden Sie sagen, das Ganze hat daher auch eine feministische Komponente?

Weiblichkeit spielt eine große Rolle, denn das Ziel der Bodybuilderinnen ist, trotz Muskeln weiblich zu sein. Es werden neben den perfekt ausdefinierten symmetrischen Muskelpartien ja auch die Präsenz, die Erscheinung, das Make-Up, der Bikini, also das Gesamtpaket von der Jury bewertet. Sie stolzieren in High Heels auf die Bühne. Weiblich sein ist also trotz oder viel mehr MIT so viel Muskulatur ganz wichtig.

Bodybuilderin Lena Ramsteiner in der Umkleidekabine. Bildrechte: Benjamin Kahlmeyer

Für die Protagonistin Lena ist es die größte Angst, ihre Weiblichkeit zu verlieren. Von außen draufgeblickt kann man darin vielleicht eine feministische Komponente erkennen. Aber es gibt keine feministische Agenda vonseiten der Bodybuilderinnen. Sie machen das für sich und suchen Wege, wie sie die Person sein können, die sie eben sein wollen, aber ohne zu sagen: Ich kämpfe jetzt für alle Frauen da draußen, damit jede Frau so aussehen kann, wie sie will.

Bodybuilderin Bahar Ayra vor einem Wettkampf. Bildrechte: Benjamin Kahlmeyer

In vielen aktuellen Dokumentarfilmen kann man zur Zeit beobachten, dass die Filmemacher*innen selbst Teil des Films werden. Sie aber erklären und kommentieren in "Pumping Beauty" nichts, sondern lassen nur die Protagonistinnen reden. Warum?

Mir ist es wahnsinnig wichtig, dass die Protagonistinnen ihre Geschichte selbst erzählen. Gleichzeitig bestimme ich als Autorin natürlich trotzdem erheblich mit, was genau wie erzählt wird. Ich kuratiere O-Töne, plane Drehs und habe Storylines im Blick, die ich auserzähle. Aber wer bin ich, dass ich das Leben der Menschen kommentiere, vielleicht sogar bewerte, was an Bodybuilding gut oder schlecht ist? Natürlich gibt es da viele Fragen, die man sich stellen kann. Aber die schwingen im Film mit, weil die Bodybuilderinnen sie selbst ansprechen: Zum Beispiel keine Periode mehr haben, weil der Körper in so einer absoluten Hungersnot ist, dass er das gar nicht mehr leisten kann.

Lena Ramsteiner (hinten) macht letzte Aufwärmübungen bevor sie für einen Wettkampf auf die Bühne geht. Bildrechte: Benjamin Kahlmeyer

Oder der Leistungsdruck, wegen dem man vielleicht irgendwann doch dopen muss, weil man sonst keine Chance mehr hat. Oder dass die Eltern einen nicht mehr supporten, weil sie den Sport extrem fragwürdig finden. All das ist ja der Geschichte der Bodybuilderinnen immanent. Ich sehe mich als Filmemacherin vor allem in die Lage versetzt, dass ich mit meinem Medium die Geschichte anderer Menschen erzählen kann.

Weitere Informationen"Pumping Beauty"
Doku-Serie, Deutschland 2023
Regie: Vera Weber
Mit Lena Ramsteiner, Bahar Ayra u.a.
4 Folgen, je 23 Minuten

Abrufbar in der ARD-Mediathek bis zum 4. August 2028

Das Interview führte Juliane Streich für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

Mehr Highlights in der Mediathek und Audiothek

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 08. August 2023 | 08:59 Uhr