Kritik vom FahrgastverbandKunden frustriert über Digital-Tickets der Bahn
Viele Menschen fühlen sich abgehängt, weil man Tickets bei der Deutschen Bahn häufig nur noch digital erwerben kann. Der Fahrgastverband berichtet von zahlreichen Beschwerden. Er forderte die DB auf, an Lösungen zu arbeiten.
- Der Fahrgastverband Pro Bahn hält es für diskriminierend, dass die Deutsche Bahn viele Tickets nur noch digital anbietet.
- Die Bahn war nicht bereit, mit ProBahn Lösungen zu finden, weil bereits ein Großteil der Kunden das digitale Angebot nutze.
- Die Landesseniorenvertretung von Sachsen-Anhalt kritisierte, dass im ländlichen Raum keine Alternativen wie Reisezentren gebe.
Mit dem Slogan "Mehr Bahn für alle" wirbt die Deutsche Bahn um Kunden. Für so manchen Zugreisenden klingt das zynisch. Denn beim Ticketkauf geht fast nichts mehr ohne digitale Werkzeuge wie Smartphone oder Mail-Adresse.
Das sei Diskriminierung, sagt Lukas Iffländer, der stellvertretende Bundesvorsitzende vom Fahrgastverband ProBahn. Bei ProBahn bekomme man sehr viele Beschwerden über die oft alternativlose Digitalisierung bei der Deutschen Bahn, erzählt Iffländer: "Wir haben hier sehr viele Kunden, und das sind jetzt nicht nur ältere oder chronische Smartphoneverweigerer, sondern auch Leute, die einfach eine Alternative haben wollen. Leute, die auch wissen, dass mal das Handy leer sein kann, wenn sie viel unterwegs sind und da gibt es sehr viele Beschwerden bei uns."
Besonders ungerecht sei der Umgang mit Kunden bei Sondertarifen, sagt der Bahnvorsitzende. Vor allem da hätten Senioren das Nachsehen, obwohl diese Altersgruppe gern und viel unterwegs sei: "Ein ganz großer Block sind die Sparpreise und Supersparpreise, die es neuerdings nur noch gibt, wenn man eine E-Mail-Adresse hat", erzählt Iffländer.
Außerdem bekomme ProBahn viele Beschwerden bei der Bahncard100, sagt er: "Das ist eine Plastikkarte. Seit Mai enthält die auch das Deutschlandticket. Aber jetzt ist plötzlich die Entscheidung, dass der Deutschlandticket-Teil nur digital auf dem Handy laufen soll."
Kein Problembewusstsein bei der Bahn
Der Fahrgastverband habe versucht, mit der Bahn Lösungen zu finden – jedoch ohne Erfolg, sagt Iffländer. Die Bahn spreche von bedauerlichen Einzelfällen.
Auch MDR AKTUELL bittet die Bahn um eine Stellungnahme. Ein Sprecher teilt mit: "Schon heute buchen vier von fünf Kundinnen und Kunden ihr Ticket über bahn.de oder die App DB-Navigator. Das digitale Ticket ermöglicht es uns, unsere Kundinnen und Kunden bei Änderungen zu ihrer Reise besser zu informieren. Die Spar- und Flexpreise wird es auch in Zukunft in unseren Reisezentren und den DB-Agenturen geben." Seit dem 1. Oktober sei auch der "Supersparpreis Senioren" im Reisezentrum erhältlich, so die Bahn. Allerdings auch dort nur als digitales Ticket. Für alle anderen gäbe es auf Wunsch einen Papierausdruck.
So zu argumentieren, das ärgert unter anderem die Seniorenvertretung von Sachsen-Anhalt. Hier beschreibt die Vorsitzende Angelika Küstermann ein weiteres Problem: "Im ländlichen Raum haben wir überwiegend keine Bahnhöfe, wo diese Anwendung finden würde. Zum anderen die Automaten: zu kleine Schrift, ist nicht lesbar, zum Teil unverständlich, weil die älteren Menschen damit keinen Umgang hatten bisher. Es müssen nicht nur digitale Angebote möglich sein, sondern weiterhin auch die analogen Angebote, wo entsprechende Auskünfte den Personen gegeben werden können."
Alternative: Tickets im Ausland kaufen
Die Möglichkeiten, ohne digitale Werkzeuge als Bahnkunde vorwärtszukommen, sie sind also begrenzt. Einen Tipp jedoch hat Lukas Iffländer vom Fahrgastverband ProBahn: "Gelegentlich – und das klingt echt kaputt – aber es gibt genug ausländische Staatsbahnen, die verkaufen genug Tickets für innerdeutsche Verbindungen und schicken einem die dann per Post zu. Das ist teilweise wirklich die einzige Alternativlösung, denn am Automaten bekomme ich diese Sparpreise nicht. Dass man wirklich im Ausland anrufen muss, um sich das Ganze per Post schicken zu lassen, das wirkt eigentlich wirklich wie ein Schildbürgerstreich."
Auch die Bundesregierung greife bei diesem Problem nicht ein, sagt Iffländer, was eigentlich ihre Aufgabe wäre. Immerhin sei die Deutsche Bahn ein Konzern, der sich zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes befindet.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. Oktober 2023 | 06:50 Uhr