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recapWas ein WM-Boykott bewirken kann

18. November 2022, 17:21 Uhr

Fußball-Fans sind sauer: Katar habe die WM 2022 nur deshalb bekommen, weil FIFA-Funktionäre bestochen wurden. Die Folge sind Boykott-Aufrufe und Protest - nicht nur gegen Korruption in der FIFA, auch gegen Menschenrechtsverletzungen, schlechte Arbeitsbedingungen für Wanderarbeiter und Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen und Trans-Personen in Katar. Aber was bewirkt es, in Stadien Banner zu zeigen oder die WM zu boykottieren? Macht es einen Unterschied, ob ich den Fernseher auslasse?

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Viele Fußball-Fans fordern, die WM 2022 in Katar zu boykottieren - also die Fernseher auszulassen und keine Spiele zu schauen. Diese Protestform könnte etwas bewirken, wenn alle mitmachen würden, sagt Sportjournalistin Nicole Selmer. "Wenn jetzt die 5.000 Haushalte, in denen die TV-Einschaltquoten in Deutschland gemessen werden, alle nicht die WM schauen, dann hat das natürlich eine Wirkung." Vor allem, weil das die Werbepartner der FIFA abschrecken würde. "Das ist letztlich ja der Hebel, dass die FIFA anfängt zuzuhören." Dass aber tatsächlich so viele Menschen die WM boykottieren, um eine solche Wirkung zu erzielen, hält Selmer für unrealistisch.

Lauter Protest besser als stiller Boykott

Den Boykott hält sie aber auch aus einem anderen Grund nicht für die beste Protestform: "Die Debatte um einen persönlichen Boykott hebt das Thema auf eine individuelle Ebene. Und auf die gehört es meiner Meinung nach nicht." Es gehe um Sport- und Wirtschaftspolitik sowie um geopolitische Fragen. "Das ist nichts, was Individuen mit der Fernbedienung lösen könnten oder vor allem auch lösen sollten." Selmer plädiert deshalb für lautstarken Protest in Stadien und auf Social-Media: "Die laut geäußerte Kritik ist spürbar und hat auch zu Veränderungen geführt."

Das ist nichts, was Individuen mit der Fernbedienung lösen könnten oder vor allem auch lösen sollten.

Nicole Selmer, Stellv. Chefredakteurin des Fußballmagazins Ballesterer

Auch Michael Bernecker vom Deutschen Institut für Marketing hält sichtbaren Protest durchaus für wirksam. "Die Kataris möchten natürlich einen positiven Effekt haben. Und es hilft ihnen sicherlich nicht, wie viel negative Kommunikation darüber betrieben wird." Katar nutze internationalen Profifußball schon seit Jahren, um sein Image in der Welt zu verbessern. "Sie betreiben klassisches Sportswashing."

Lautstarker und sichtbarer Protest kann etwas bewirken. Bildrechte: IMAGO/MIS

Durch die WM bekomme Katar jetzt extrem viel Aufmerksamkeit. Der Protest gegen Katar allerdings auch. Bernecker glaubt jedoch nicht daran, dass Katar am Ende als Verlierer dasteht: "Zum einen überlagern die positiven Effekte das negative Grundrauschen." Zudem werde nicht überall so stark protestiert wie in Deutschland. "Gerade weil es ein globales Event ist, gehe ich davon aus, dass der Effekt für Katar eher positiv ist."

Sponsoren-Boykott schadet eher regionalem Handel

Neben dem Boykott der Spiele fordern Fans auch einen Sponsoren-Boykott, also keine Produkte mehr von WM-Werbepartnern wie Coca Cola oder Adidas zu kaufen. Doch davon rät Marketing-Experte Bernecker ab: "Im Zweifelsfall spüren dann diejenigen, die hier vor Ort sind, die Effekte. Das heißt, der Gastronom, der Getränkehändler, der Shop, in dem ich die Produkte kaufen kann. Eigentlich hat es also weniger Konsequenzen für die globale Marke, sondern eher Konsequenzen für den regionalen Konsum vor Ort." Auch hier könne lauter Protest aber durchaus Wirkung zeigen: "Das ganze Thema Menschenrechte und Co strahlt natürlich auf die Sponsoren mit ab. Und ein Sponsor möchte ja eigentlich so etwas nicht haben."

Die Kataris möchten natürlich einen positiven Effekt haben. Und es hilft ihnen sicherlich nicht, wie viel negative Kommunikation darüber betrieben wird.

Michael Bernecker, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing


Was das Problem an der WM in Katar ist, wie Fan-Protest aussehen kann und inwiefern dieser Protest wirkt, darüber sprechen wir auch in der aktuellen Folge recap.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | recap – bei Youtube | 18. November 2022 | 17:00 Uhr