BetrugBei Schockanruf 200.000 Euro verloren: Warum horten Senioren so viel Geld?
Mit sogenannten Schockanrufen erbeuten Kriminelle immer wieder hohe Summen von älteren Menschen: Sie setzen ihre oft alleinstehenden Opfer unter Druck und luchsen ihnen das Geld ab. Aber warum haben die Betroffenen überhaupt so viel Bargeld zu Hause?
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Es ist immer wieder die gleiche Masche und das Ergebnis bitter: Mal verlieren die Betroffenen 3.000 Euro - es können aber auch wie zuletzt im Saale-Kreis satte 200.000 Euro sein. Kriminelle haben es bei ihren sogenannten Schockanrufen vor allem auf ältere Menschen abgesehen. Ein Fall, der jüngst ebenfalls in Sachsen-Anhalt in die Schlagzeilen geriet, ist dabei beispielhaft für diese Art der Abzocke.
In der Stadt Südliches Anhalt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld betrogen Kriminelle eine Seniorin um fast 50.000 Euro. Eine Anruferin hatte dabei behauptet, dass die Tochter der Seniorin einen Unfall verursacht hätte, bei dem ein sechsjähriges Kind ums Leben gekommen sei. Als die Rentnerin erklärte, nur über insgesamt 48.000 Euro zu verfügen, erschien schließlich ein vermeintlicher Geld-Bote bei ihr zu Hause und holte das Geld ab.
So gehen die Kriminellen bei Schockanrufen vor
"Diese Anrufe sind gut gemacht", sagt ein Sprecher der Thüringer Landespolizeiinspektion. "Die Anrufer wissen genau, was sie machen, und sind geschult. Sie halten die Gespräche am Laufen, lassen Senioren keine Zeit zum Nachdenken, rufen immer wieder an und halten den Fisch so quasi an der Angel." Demzufolge nutzten die Betrüger oftmals die Notlage der älteren Menschen aus. Ein Modell, das besonders dann funktioniere, wenn die Menschen wenige Sozialkontakte haben und alleine leben.
Es sind die oftmals hohen Summen, die verwundern, wie viel Geld Betrüger in kurzer Zeit von Seniorinnen und Senioren erschwindeln. Aber eben auch, warum die Betroffenen so viel Geld direkt bar zur Verfügung haben.
Deshalb bunkern Senioren oft ihr Geld zu Hause
Die Thüringer Polizei hat regelmäßig mit Enkeltricks und Schockanrufen zu tun. Sie beobachtet, dass es zum einen am fehlenden Vertrauen in die Institution Bank liegt, wenn ältere Menschen ihr Geld lieber zu Hause als auf einem Konto oder in einer Anlage parken. Hinzu komme, dass es in ländlichen Gegenden nicht mehr überall Bankfilialen und Automaten gibt und das eigene Heim dann eher zum Depot wird.
Oft liegt es aber auch an festgefahrenen Gewohnheiten.
Sprecher | Landespolizeidirektion Thüringen
"Oft liegt es aber auch an festgefahrenen Gewohnheiten", ergänzt der Sprecher. "Die Menschen gehen dann aus Gewohnheit immer noch jede Woche zur Bank und heben bei ihrem persönlichen Berater zum Beispiel 300 Euro ab - haben aber nur einen geringen Bargeldverbrauch von 20 Euro oder so. Das Geldabheben ist dann auch eine Frage des Sozialkontakts."
Demzufolge durchbrächen die Menschen trotz fortschreitenden Alters oftmals nicht ihre langjährigen Strukturen. Dadurch kommen, so die Erfahrung der Polizei, auch schnell bis zu fünfstellige Beträge zusammen.
Oft auch Begräbnisgeld geklaut
Auf diese Weise werde immer wieder auch Geld geklaut, das die Betroffenen eigentlich für ihr Begräbnis und die Trauerfeier angespart und zu Hause gelagert hätten - in der Vorbereitung auf ihr Lebensende. "Klar verwenden sie ihr Geld auch immer wieder für Geldgeschenke in der Familie", sagt der Polizeisprecher, "aber das ist jetzt nicht so viel."
Schwierige Verfolgung der Täter
Die Erfolgsquote bei den Ermittlungen lässt sich laut Polizei übrigens nicht genau beziffern - ist aber relativ gering. Die Kriminellen richteten sich in der Regel auf ein konzentriertes Gebiet, da die jeweiligen Abholer schnell vor Ort sein müssten. "Wir nehmen die Täter selten fest", berichtet auch eine Sprecherin von der Polizei Saalfeld. "Das heißt: Die Personen, die das Ganze wahrscheinlich vom Ausland aus steuern, sitzen in den Call-Centern und geben an ihre Kurier-Fahrer nur die Aufträge. Es ist also für uns wirklich schwierig, in das Netzwerk durchzudringen."
Die Polizei Saalfeld erhielt im Januar beispielsweise eine Anzeige von einem Taxifahrer. Er hatte seine Stammkundin, eine 71-Jährige aus Ammelstädt im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, aufgelöst zu Gast in seinem Taxi. Sie berichtete ihm, dass ein vermeintlicher Telefonpolizist sie darüber informiert habe, dass ihr Sohn in einen Verkehrsunfall mit Todesursache verwickelt sei und 18.000 Euro Kaution gefordert seien, damit er freikomme. Der Taxifahrer durchblickte rechtzeitig die Masche und brachte den Fall in Saalfeld zur Anzeige.
So können sich Seniorinnen und Senioren schützen
"Wir plädieren immer wieder dafür, dass man seine älteren Angehörigen um sich hat und auch mit ihnen über die Fälle spricht", sagt der Sprecher der Landespolizei. Generell rät die Polizei, keinesfalls derartige Zahlungen zu leisten oder auch Schmuck als Gegenwert für Kautionen herauszugeben.
Grundsätzlich würden Bürger niemals durch Polizei oder Justiz über ihre Vermögensverhältnisse ausgefragt. Wer betrügerische Anrufe erhalte, sollte einfach auflegen, um nicht zum Opfer dieser Masche zu werden.
Hinweis: Hilfreiche Tipps, wie sich ältere Menschen vor Schockanrufen oder Enkeltricks per Messenger effektiv schützen können, gibt die Polizeiliche Kriminalprävention. Das Angebot wird von einem Zusammenschluss von Bundes- und den verschiedenen Landespolizeidirektionen zur Verfügung gestellt.
Mehr zu den Schockanrufen und wie Sie sich schützen können
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Kripo live | 07. Mai 2023 | 19:50 Uhr
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