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In der DDR gab es mehr beruftstätige Frauen als in der damaligen BRD. Bildrechte: imago images/PEMAX

MDRfragt zum FrauentagGleichberechtigung: 80 Prozent sehen Osten als Vorbild

08. März 2023, 05:00 Uhr

Die deutliche Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmenden hält den Frauentag noch immer für wichtig. Zugleich gilt der Osten bei vielen als Vorbild für die Gleichberechtigung. Das zeigt die nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt, bei der mehr als 25.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Meinung eingebracht haben.

von MDRfragt-Redaktionsteam

Seit mehr als über 100 Jahren setzen sich viele Menschen am Internationalen Frauentag für die Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung von Frauen ein. Die deutliche Mehrheit der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer erachtet den Frauentag auch heute noch als relevant. Mehr als ein Drittel teilt diese Ansicht hingegen nicht.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Osten als Vorbild

80 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die an der Befragung teilgenommen haben, sind der Ansicht, dass der Westen beim Thema Gleichberechtigung etwas vom Osten lernen könnte. Ein Grund für diese Einschätzung liegt möglicherweise in der Geschichte Ostdeutschlands. So denken 77 Prozent, dass die Gleichberechtigung in der DDR bereits fortschrittlicher war, als es heute in Gesamtdeutschland der Fall ist.

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Welche positiven Erfahrungen die MDRfragt-Teilnehmerinnen und auch -Teilnehmer in Sachen Gleichberechtigung in der DDR-Zeit gemacht haben, erzählen sie uns in den Kommentaren:

Wir sind damit aufgewachsen, dass sich unsere Eltern gleichberechtigt um alles gekümmert haben und beide arbeiten gegangen sind. Darum war es für uns selbstverständlich.

Christine, 51 Jahre, Dresden

Wir Frauen in der DDR haben fast alle gearbeitet. Wir hatten unser eigenes Geld und konnten darüber verfügen, wir waren selbstbewusst und unsere Leistungen wurden von den Männern auch anerkannt.

Marianne, 68 Jahre, Erfurt

Zum Glück durfte ich im Berufsleben noch miterleben, dass auch Frauen die gleiche Arbeit wie Männer tätigten! Egal in welchen Positionen und Bereichen!

Maik, 50 Jahre, Anhalt-Bitterfeld

Ich habe mich als Frau nicht benachteiligt gefühlt und auch finanzielle Unterschiede beim Gehalt von Männern und Frauen nicht bemerkt. Natürlich gab es Pausen durch die Geburt der Kinder, aber die Kinderbetreuung war überall gewährleistet und kein finanzielles Problem.

Karin, 69 Jahre, Görlitz

Einige Befragungsteilnehmerinnen- und teilnehmer haben jedoch auch gemischte oder gar negative Erfahrungen beim Thema Gleichberechtigung zu DDR-Zeiten gemacht:

Frauen waren im Osten nicht von ihren Männern finanziell abhängig, da alle einen Beruf hatten, es genügend Kindergärten gab und eine Trennung die Frauen nicht in den Ruin trieb. Allerdings war es in den Betrieben nicht leichter, gegen die Männer beruflich zu bestehen, da wurden leider die Männer oft bevorzugt.

Marion, 71 Jahre, Weimar

In der DDR galt Gleichberechtigung immer als Aushängeschild. Dennoch mussten die meisten Frauen nach acht Stunden im Beruf anschließend noch Haushalt und Familie bewerkstelligen. Das empfinde ich als zutiefst ungerecht.

Susanne, 45 Jahre, Jena

Bei einer Scheidung zu DDR-Zeiten gab es keine Möglichkeiten für eine gerechte Lösung beim Kinder-Umgangsrecht. Als Vater wurde man völlig ausgebootet, alle erdenklichen Rechte und Möglichkeiten standen in der Regel nur der Mutter zu.

Armin, 70 Jahre, Zwickau

In der DDR wurde zwar Gleichberechtigung propagiert und auch in Teilen gelebt, in den Familien sah es jedoch ganz anders aus.

Frank, 62 Jahre, Nordsachsen

Knapp zwei Drittel sehen Frauen und Männer als gleichberechtigt

Auch wenn die DDR für Viele beim Thema Gleichberechtigung als fortschrittlicher galt, ziehen knapp zwei Drittel der MDRragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ein überwiegend positives Fazit zum aktuellen Stand der Gleichberechtigung. Insgesamt betrachtet, sind demnach 61 Prozent der Ansicht, dass Frauen und Männer in Deutschland heutzutage gleichberechtigt sind. Mehr als ein Drittel denkt jedoch nicht, dass dies der Fall ist.

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Mehrheit sieht fehlende Gleichberechtigung im Berufsleben

Je nachdem, in welche Bereiche man blickt, ist die Gleichberechtigung aus Sicht der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer unterschiedlich weit voran geschritten. So denken jeweils mehr als drei Viertel, dass Männer und Frauen bei der Gesundheitsversorgung und im Bildungswesen gleichberechtigt sind. Im Berufsleben und im finanziellen Bereich zeigt sich hingegen ein anderes Bild. Hier sehen deutlich weniger als die Hälfte Frauen und Männer als gleichberechtigt an.

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Betrachtet man die Ergebnisse zudem je nach Geschlecht, fällt auf, dass Frauen viel eher als Männer eine fehlende Gleichberechtigung in einigen Bereichen feststellen. Demnach erachten beispielsweise 55 Prozent der männlichen MDRfragt-Teilnehmer Männer und Frauen im Berufsalltag als gleichberechtigt, währenddessen es bei den weiblichen MDRfragt-Teilnehmerinnen nur 30 Prozent sind.

Über ihre Erlebnisse mit fehlender Gleichberechtigung schreiben die MDRfragt-Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Kommentaren:

Mein ehemaliger Chef hat mich immer gern als weinerliches kleines Mädchen dargestellt, um bei Lieferanten bessere Bedingungen rauszuholen. Das fand ich unmöglich. Das hat meinem Ruf als Einkäufer geschadet und gelogen war es auch noch. Auch finanziell wurde ich in diesem Betrieb benachteiligt. Jetzt arbeite ich unter Tarif und finde das in vielen Punkten deutlich besser und fairer.

Susann, 35 Jahre, Vogtlandkreis

Speziell Frauen in leitender Position, z.B. Schule- oder Kita-Leiterinnen, stellen sich provokativ über mich und bringen ihre Verachtung für Männer allgemein, speziell aber für Handwerker zum Ausdruck.

Markus, 59 Jahre, Landkreis Leipzig

Es wäre schön, wenn Frauen endlich genauso viel Geld verdienen würden wie Männer. Darüber wird von Seiten der Politik jedes Jahr nur geredet und festgestellt. Frauen müssen im Berufsleben oft doppelt so viel Einsatz zeigen und leisten, um dieselbe Würde und Anerkennung zu bekommen, wie Männer.

Maria, 44 Jahre, Weimar

8 von 10 fordern Einsatz der Politik für Angleichung des Einkommens

Eine Maßnahme, um der mangelnden Gleichberechtigung in finanzieller Hinsicht entgegenzuwirken, könnte die Angleichung des Einkommens von Männern und Frauen sein. Nach wie vor gibt es hier deutliche Unterschiede. So haben Frauen haben 2022 in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde verdient als Männer. Aus Sicht von 81 Prozent der Befragungsteilneherinnen und -teilnehmer ist hier die Politik gefragt. Sie müsste in ihren Augen mehr tun, damit Frauen über dasselbe Einkommen wie Männer verfügen.

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Große Ablehnung von Frauen- oder Männerquote

Die Einführung einer Frauen- oder aber Männerquote in Bereichen, in denen jeweils Frauen oder Männer stark unterrepräsentiert sind, lehnen die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer hingegen mehrheitlich ab. Während die Frauenquote bei 64 Prozent auf Ablehnung stößt, sind es bei der Männerquote mit 70 Prozent noch etwas mehr.

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Familienarbeit wird mehrheitlich von Frauen übernommen

Die Gleichberechtigung wird auch immer wieder thematisiert, wenn es um die Aufteilung der Familienarbeit geht. Drei Viertel der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -teilnehmer haben selbst Kinder und wurden von uns befragt, wie das bei ihnen ist. Mit 55 Prozent gab die Mehrheit an, dass die Familienarbeit durch die Frau beziehungsweise die Mutter übernommen wurde. Bei 42 Prozent haben Mutter und Vater diese Arbeit gleichermaßen übernommen. Bei lediglich 2 Prozent wurde die Familienarbeit überwiegend durch den Vater geleistet.

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Ihre persönlichen Erfahrungen schildern die Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer in den Kommentaren.

Als Selbstständiger war es mir möglich, mich viel um meine Kinder zu kümmern. Nach der Trennung war ich sieben Jahre alleinerziehend. Auch das hat geklappt. Männer können das auch und es sollte jeder Mann in der Lage dazu sein.

Jörg, 63 Jahre, Harz

Ich habe selbst unbewusst die Erfahrung gemacht das Frauen / Mütter eher in der Familie zurückstecken, um des Friedens willen.

Ingo, 62 Jahre, Dresden

Mit zunehmender Arbeitsbelastung, vor allem nach der Elternzeit, verfällt man leider schnell in alte Rollenmuster.

Mario, 39 Jahre, Magdeburg

Ich habe einen Mann geheiratet, der die Pflichten im Haushalt ganz genau so erledigt wie ich, ohne dass wir uns gegenseitig hierzu ermuntern oder erinnern müssen.

Michaela, 48 Jahre, Börde

Der Hauptteil lag bei mir, weil es zur damaligen Zeit undenkbar war, dass mein Mann regelmäßig unser Kind aus der Kita abholen konnte oder zum Sport hätte fahren können. Sein Arbeitsalltag gab das nicht her. Nicht mal für ein oder zwei Tage. Das war genau so ungleichberechtigt.

Carola, 56 Jahre, Magdeburg

Zwei Drittel sehen männliche Normierung kritisch

Ein weiterer Bereich, in dem es ebenso an Gleichberechtigung mangelt, war für viele der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer neu. So wussten 55 Prozent nicht, dass zahlreiche allgemeingültige Normen im Grunde für Männer ausgestaltet werden. Beispielsweise orientieren sich Crash-Tests im Allgemeinen an der männlichen Anatomie und auch Medikamentendosierungen für Erwachsene werden zumeist auf Männer zugeschnitten. Zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer halten das für problematisch.

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Über diese BefragungDie Befragung vom 28.02.-02.03.2023 stand unter der Überschrift:
Geld, Job, Familie: Wie steht's in Deutschland um die Gleichberechtigung?

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.193 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 02.03.2023, 17:30 Uhr).

25.606 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen. 75 Prozent davon haben nach eigenen Angaben Kinder (egal welchen Alters).

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 316 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.417 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.334 Teilnehmende
65+: 11.539 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.186 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.287 (25 Prozent)
Thüringen: 6.133 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.280 (44 Prozent)
Männlich: 14.254 (56 Prozent)
Divers: 72 (0,3 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell TV | 08. März 2023 | 19:30 Uhr