Aktionstag für die Gleichstellung der FrauInternationaler Frauentag 2024: Wie Frauen die Welt verändern
Am 8. März – am Internationalen Frauentag – wird seit über 100 Jahren weltweit auf Frauenrechte, die Gleichstellung der Geschlechter und Diskriminierungen aufmerksam gemacht. Trotz vieler positiver Veränderungen gibt es noch immer viel zu tun für die gelebte Gleichstellung von Frau und Mann: in Alltag, Beruf – und beim Schutz gegen Gewalt. Ein Blick in die Geschichte – und Gegenwart.
"Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte" – mit diesem Slogan wirbt Clara Zetkin vor über hundert Jahren auf dem II. Kongress der Sozialistischen Internationale am 26. August 1910 in Kopenhagen für die Gleichberechtigung von Frauen.
Zetkin: "Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte"
Sie fordert die Einführung eines Frauen-Kampftages ganz nach dem Vorbild der Frauenrechtsbewegungen in den USA.
Dort haben Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA) im Jahr 1908 ein nationales Frauenkomitee gegründet, das beschließt, einen Kampftag für das Frauenwahlrecht zu initiieren. Dieser erste Frauentag in den USA, am 28. Februar 1909 wird ein Erfolg, auch weil sich bürgerliche Frauenrechtlerinnen – die so genannten Suffragetten - den Forderungen nach dem Frauenwahlrecht anschließen und gemeinsam mit den Sozialistinnen demonstrieren.
1910 nimmt der Kongress der Sozialistischen Internationale in Kopenhagen den Gedanken eines Frauentags auf, ohne sich jedoch auf ein konkretes Datum festzulegen. Damals stimmen einhundert Frauen aus siebzehn Ländern für einen Vorschlag der deutschen Delegation – unter Vorsitz von Clara Zetkin, mit einem Frauentag, den Kampf für Frauenrechte und für das Frauenwahlrecht zu forcieren. Im Folgejahr wird erstmals der "Internationalen Frauentag" in vier europäischen Ländern begangen: in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn, der Schweiz, sowie in den USA. Dieser erste offizielle Internationale Frauentag ist jedoch noch am 19. März und wird zur machtvollen Demonstration, bei der nahezu eine Millionen Frauen Gleichberechtigung im Arbeitsleben, das allgemeine Wahlrecht und mehr politische Teilhabe fordern. 1912 schließen sich Frauen aus Frankreich, Schweden und den Niederlanden, 1913 auch russische Frauen an.
8. März: Neues Datum für "alten" Kampftag
Darüber, wie sich schließlich der 8. März als Datum für den Internationalen Frauentag durchsetzt, gibt es verschiedene Versionen. Die wahrscheinlichste ist die vom Streik der Frauen des Petrograder Rüstungsbetriebs Putilow.
Dort wird angesichts der wachsenden Hungersnot infolge des Ersten Weltkriegs am letzten Februar-Wochenende 1917 zum Kampftag aufgerufen. Unter dem Motto "Für Brot und Frieden“ weitet sich der Streik der Petrograder Frauen bis zur "Februarrevolution" aus. Die Demonstration findet nach Gregorianischem Kalender jedoch nicht im Februar, sondern am 8. März 1917 statt.
Im Gedenken an diesen Frauen-Protest in Petrograd soll auf der "Zweiten Internationalen Konferenz Kommunistischer Frauen", 1921 in Moskau – auf Vorschlag der bulgarischen Delegation – der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt worden sein.
Offizielle AnerkennungDen 8. März erklärt die UNO – im Rahmen des "Internationalen Frauenjahrs" 1975 – schließlich zum "International Women’s Day“. Zwei Jahre später - im Dezember 1977- proklamierte ihn die UNO-Generalversammlung offiziell zum "Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden" und forderte, dass er künftig jährlich in jedem Mitgliedsland begangen werden soll.
In vielen Ländern ist der 8. März heute ein gesetzlicher Feiertag – darunter in einigen Staaten Afrikas, aber auch in Russland, der Ukraine, in Vietnam oder der Mongolei.
Einzig das Land Berlin erklärte den 8. März zum jährlich arbeitsfreien Feiertag: Am 24. Januar 2019 wurde eine entsprechende Änderung des Feiertagsgesetzes verabschiedet.
In Deutschland wird die wichtigste Forderung – das Frauenwahlrecht – nach dem Ende des Ersten Weltkriegs durchgesetzt. Am 12. November 1918 wird über 17 Millionen deutschen Frauen das allgemeine Wahlrecht gewährt – zwei Monate später, am 19. Januar 1919, dürfen sie erstmals landesweit wählen und sich selbst zur Wahl stellen.
Doch das politische Klima in Deutschland verschlechtert sich und die Nationalsozialisten verbieten den Frauentag 1933. Sie setzten auf den Muttertag, der das Ideal der deutschen Familie preist.
Frauentag Ost/West
Nach 1949 gibt es nicht nur zwei deutsche Staaten, auch den Frauentag begeht man auf unterschiedliche Weise. In der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone wird der 8. März schon zwei Jahre nach Kriegsende wieder gefeiert. Der Kampftag verwandelte sich unter dem Motto "Gruß und Dank den Frauen" ab den 1950er-Jahren zum staatlich verordneten Ehrentag, bei dem Frauen von Männern für ihre Unterstützung beim Aufbau des Sozialismus ausgezeichnet werden.
In der Bundesrepublik hingegen gewinnt der Frauentag erst Ende der 1960er-Jahre wieder an Bedeutung. Auf Protestmärschen fordern Frauen nicht nur ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit von den Männern. Sie wollen vor allem über ihren eigenen Körper selbst bestimmen, was auch bedeutet, legal abtreiben zu dürfen. Genau dieses Recht aber stellt der Paragraf 218 in Frage, die Debatte darum polarisiert bis heute.
Gender Pay Gap, #MeToo-Debatte, "Stillstand beim Gewaltschutz"
In den letzten 100 Jahren wurde viel erreicht: Vor über 100 Jahren wird das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt, den Gleichstellungsartikel gibt es seit über 70 Jahren im Grundgesetz (1954) - in der DDR schon seit 1949 – und vor über 60 Jahren tritt das Gleichberechtigungsgesetz (1958) in Kraft.
Dennoch: Eine echte Gleichstellung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gibt es noch immer nicht. Heute kämpfen Frauen um die Verwirklichung der Chancengleichheit, um gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben und an politischen Entscheidungsprozessen.
Auch wenn Frauenquoten in Politik und Wirtschaft so manchem männlichen Kollegen aufstoßen: Noch immer versuchen viele Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf, was oft einen beruflichen Aufstieg erschwert. Und noch immer verdienen Frauen in Deutschland deutlich weniger als Männer in gleichen Berufen, wie der "Equal-Pay-Day" oder "Tag der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern" zeigt.
Der mittlere Stundenlohn von Frauen lag nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr bei 20,84 Euro, der von Männern bei 25,30 Euro. Das entspricht einer Lohnlücke von 18 Prozent wie im Vorjahr; 2018 betrug der Unterschied noch 20 Prozent. Zurückzuführen sei das Pay Gap v.a. darauf, dass Frauen häufiger als Männer in schlechter bezahlten Berufen und Branchen, auch sei die höhere Teilzeitquote ein wesentlicher Grund, so die Behörde. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung kritisierte, die Lohnlücke in Deutschland sei im europäischen Vergleich sehr hoch. Direktorin Bettina Kohlrausch sieht die Ursache in "Arbeitsmarktstrukturen, die Frauen systematisch benachteiligen". Sie fordert, dass Männer mehr Arbeiten bei Kinderbetreuung und in der Pflege von Angehörigen übernehmen sollten.
Außerdem bestimmten die Offenlegung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen, angestoßen durch die #MeToo-Debatte, oder die Debatte um eine gendergerechte Sprache zuletzt den gesellschaftlichen Diskurs.
Anlässlich des Internationalen Frauentags 2024 wirft die frauenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher, der Ampel-Koalition vor, ihre frauenpolitischen Ankündigungen nicht umzusetzen. Besonders problematisch sei der Stillstand beim Gewaltschutz. Es fehlten mindestens 14.000 Frauenhaus-Plätze, um die Vorgaben aus der Istanbul-Konvention zu erfüllen. Die Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist seit 2018 in Deutschland geltendes Recht und verlangt unter anderem eine Mindestzahl an Schutzplätzen für Frauen in allen Regionen des Landes. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) kritisierte, in rund 90 Landkreisen und kreisfreien Städten gebe es gar keine Schutzeinrichtungen für Frauen und ihre Kinder. Mehr als ein Viertel der betroffenen Frauen müsste zudem ihren Aufenthalt im Frauenhaus ganz oder anteilig bezahlen. AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner forderte: "Der Staat muss den Gewaltschutz garantieren." Es brauche dafür endlich ein Bundesgesetz, das ausreichend Schutzeinrichtungen und die Finanzierung des Hilfesystems gewährleiste. Auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen können nicht genug Plätze bereit gestellt werden.
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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 03. Februar 2022 | 22:40 Uhr