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Bundestag soll kleiner werdenAmpel legt Entwurf für neues Wahlrecht vor

15. Januar 2023, 21:15 Uhr

Eine feste Größe von 598 Abgeordneten, das Aus von Überhang- und Ausgleichsmandaten: Das sieht der Entwurf der Ampel-Koalition zur Reform des Wahlrechts vor. Die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen sollen demnach nicht mehr in den Bundestag einziehen. Beobachter erwarten Widerstand der Union – sie profitiert vom bisherigen System am stärksten.

Die Ampel-Fraktionen haben einen Gesetzentwurf für eine Wahlrechtsreform vorgelegt, der den Bundestag wieder auf seine Regelgröße von 598 Abgeordneten verkleinern würde. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate war das Parlament immer weiter gewachsen – auf zuletzt 736 Abgeordnete. Der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP sieht nun vor, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Dies kann zur Folge haben, dass in einem Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten werden.

Ampel bietet Union Gespräche über Wahlrechtsreform an

Die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen im Bundestag schickten den Gesetzentwurf laut Nachrichtenagentur dpa an CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU). In einem Schreiben boten sie Gespräche darüber an. "Die Fraktionen der demokratischen Mitte eint, eine massive Vergrößerung des Bundestages über seine gesetzliche Regelgröße für zukünftige Bundestagswahlen vermeiden zu wollen", heißt es darin. "Deshalb möchten wir für die nächste Bundestagswahl eine Lösung finden, die breit getragen werden kann."

Was sind Überhangmandate?

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese zusätzlichen Mandate darf die Partei behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. Das bisherige System der Überhang- und Ausgleichsmandate hat zu der derzeitigen Aufblähung des Bundestages geführt.

Nach dem Gesetzentwurf bleibt es bei der bisherigen Einteilung in 299 Wahlkreise und bei zwei Stimmen, die jede Wählerin und jeder Wähler vergeben kann. Für die Sitzverteilung im Bundestag sollen künftig allein die Zweitstimmen ausschlaggebend sein. Sie werden im Entwurf "Hauptstimmen" genannt, die Erststimmen heißen "Wahlkreisstimmen".

Einige Wahlkreisgewinner ziehen künftig nicht mehr in den Bundestag ein

Über das Hauptstimmenergebnis soll künftig berechnet werden, wie viele der 598 Mandate jeder Partei bundesweit zustehen und wie sich diese auf die einzelnen Landeslisten verteilen. Gewinnt sie mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem Hauptstimmenergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten Wahlkreisstimmenergebnis leer aus.

Zu dem Problem, dass einige Wahlkreisgewinner künftig nicht mehr zum Zuge kommen, heißt es in der Einleitung des Gesetzentwurfs, derzeit würden "Wahlkreise mit tendenziell immer kleiner werdenden Margen gewonnen, damit auch mit einer wachsenden Mehrheit von Wählerinnen und Wählern, die den gewählten Kandidaten nicht unterstützt haben".

Der Verzicht auf Überhang- und Ausgleichsmandate würde alle Parteien treffen. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es davon 138. Davon entfielen auf die Union 41, auf die SPD 36, auf die Grünen 24, auf die FDP 16, auf die AfD 14 und auf die Linke 7.

Widerstand von Union gegen Wahlrechtsreform erwartet

"Die Zeit der Ausreden für eine echte Wahlrechtsreform muss vorbei sein. Der Deutsche Bundestag muss kleiner werden", sagte am Sonntag Konstantin Kuhle, der Obmann der FDP in der Bundestags-Kommission. "Wir wollen, dass eine Reform des Bundestagswahlrechts von einer breiten Mehrheit des Parlaments beschlossen wird, um die Akzeptanz des neuen Wahlrechts sicher zu stellen", betonte Kuhle.

Die Zeit der Ausreden für eine echte Wahlrechtsreform muss vorbei sein.

Konstantin Kuhle (FDP) | Obmann der Wahlrechtskommission

Der Gesetzentwurf soll in dieser Woche von den Fraktionen beraten werden. Er dürfte auch in den Reihen der Ampel nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, weil sich Abgeordnete ausrechnen können, dass sie mit den neuen Regeln bei der nächsten Wahl ihr Mandat verlieren werden. Noch größer dürfte der Widerstand bei der Union werden. CDU und vor allem CSU profitieren von den geltenden Regelungen am meisten.

dpa/AFP (jan)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Januar 2023 | 18:00 Uhr