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Bei den Finanzämtern stapeln sich die Einsprüche gegen Bescheide zur Grundsteuerwertermittlung. Bildrechte: imago/Bild13

MitteldeutschlandKnapp 300.000 Grundsteuererklärungen fehlen noch – massenhaft Einsprüche gegen Bescheide

07. September 2023, 15:22 Uhr

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fehlen von Immobilienbesitzern weiterhin knapp 300.000 Erklärungen zur neuen Grundsteuerberechnung. Dazu kommen Zehntausende Einsprüche gegen die Bescheide, außerdem Klagen an Finanzgerichten – und gegen den Fiskus selbst. Und am Ende könnte noch Karlsruhe das Gesetz stoppen. Eigentlich soll die neue Grundsteuer ab 2025 gelten.

Sachsen: 90.000 Grundsteuererklärungen fehlen noch – 366.000 Einsprüche gegen Bescheide

Sachsenweit fehlen aktuell etwa 90.000 Grundsteuererklärungen, das entspricht fünf Prozent der insgesamt etwa 1,8 Millionen erwarteten Erklärungen zum Immobilienbesitz. Wie das Finanzministerium MDR AKTUELL mitteilte, sind zudem bis Ende Juli 2023 rund 213.000 Einsprüche gegen Bescheide über die Grundsteuerwertermittlung sowie etwa 153.500 Einsprüche gegen Bescheide über die Messbetragsfestsetzung erfasst worden. Daneben sind aktuell 13 Klagen zu Rechtsfragen des neuen Grundsteuerrechts anhängig – zumeist zur Bewertung von Wohnimmobilien, insbesondere beim Ansatz des Bodenrichtwerts und von Nettokaltmieten.

Sachsen-Anhalt: 62.000 Grundsteuererklärungen fehlen – 87.500 Einsprüche

In Sachsen-Anhalt fehlen den Finanzämtern aktuell noch rund 62.000 Grundsteuererklärungen zu Grundstücken und Gebäuden. Das entspricht 6,8 Prozent der gut 905.000 zu bewertenden Immobilien. Bis Ende Juli sind laut Finanzministerium landesweit etwa 87.500 Einsprüche gegen Grundsteuerwertfeststellungen und/oder gegen Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags eingegangen. Von diesen wurde demnach erst ein Bruchteil erledigt. Außerdem sind beim Finanzgericht des Landes zwei Klageverfahren zur Grundsteuerreform anhängig, bislang ohne Entscheidungen.

Thüringen: 114.000 Erklärungen fehlen noch – knapp 100.000 Einsprüche

Im Freistaat Thüringen fehlen noch etwa 140.000 Grundsteuererklärungen, circa elf Prozent der 1,1 Millionen erwarteten Erklärungen. Gegen etwa jeden zehnten Grundsteuerbescheid der Finanzämter (97.000) wurde bis Ende Juli 2023 Einspruch erhoben, 87.580 Einspruchsverfahren waren demnach unerledigt. Beim Thüringer Finanzgericht ist laut Ministerium noch kein Fall rechtsanhängig.

Finanzämter lassen Einsprüche ruhen

Für die Finanzämter sind massenhaft fehlende Grundsteuererklärungen und Einsprüche gegen ihre Bescheide eine erhebliche Mehrbelastung. Zunächst verschickte der Fiskus Hunderttausende – in der Regel automatische – Erinnerungsschreiben, wenn die Abgabefrist Ende Januar 2023 um mehrere Wochen überschritten wurde. Dazu kommen Fälle, in denen begründet eine Fristverlängerung beantragt wurde.

Im nächsten Schritt können laut Sächsischem Finanzministerium die Finanzämter einen Verspätungszuschlag erheben – oder bei unterlassener Steuererklärung ein Zwangsgeld zur Durchsetzung verhängen. Das liegt im Ermessen des jeweiligen Finanzamts. In Sachsen liegen dazu keine Daten vor. Nach Angaben aus Sachsen-Anhalt wurde davon noch kein Gebrauch gemacht. Bei Nichtabgabe der Feststellungserklärung werden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt.

Zudem haben Immobilienbesitzer gegen bereits ergangene Grundsteuerbescheide bundesweit millionenfach Einspruch erhoben, in einigen Fällen auch Klage eingereicht. Oft lassen die Finanzämter diese Einspruchsfälle ruhen und kümmern sich zunächst um die Bearbeitung der offenen Grundsteuererklärungen – möglicherweise auch, um angesichts juristisch offener Fragen Zeit zu gewinnen.

Musterklagen gegen Untätigkeit der Finanzämter

Gegen diese Vorgehensweise der Finanzämter wollen der Bund der Steuerzahler und der Eigentümerverband Haus & Grund klagen. Die Verbände teilten mit: "Millionen Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide werden von den Finanzämtern seit über einem halben Jahr nicht bearbeitet." Damit werde Bürgerinnen und Bürgern eine gerichtliche Klärung verwehrt. Denn nur bei Ablehnung des Einspruchs durch das Finanzamt, sei der Weg zum Finanzgericht möglich.

Beide Verbände wollen in zunächst vier Musterfällen aus den Ländern NRW, Sachsen, Berlin und Bremen eine sogenannte Untätigkeitsklage gegen die jeweiligen Finanzämter unterstützen – notfalls bis zur verfassungsrechtlichen Überprüfung in Karlsruhe. Bei diesen Musterklagen geht es um sehr hohe Miet- und Bodenwerte auf Basis des Bundesmodells zur Grundsteuerberechnung. Dieses Rechenmodell wird in insgesamt elf Bundesländern angewandt. Einige Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Bremen haben andere Berechnungsformeln.

Schon im April hatte der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof im Auftrag der beiden Verbände ein Rechtsgutachten erstellt, wonach die Bewertungsmethode nach dem Bundesmodell verfassungswidrig ist.

Zeitplan droht zu platzen

Bis Ende 2023 sollen die Finanzämter den Kommunen die neuen Grundsteuerdaten zur Verfügung stellen. Die Kommunen müssen dann zusammen mit einer Steuermesszahl und dem kommunalen Hebesatz den zu zahlende Betrag bestimmen.

Dabei soll der Hebesatz so angepasst werden, dass die Grundsteuerreform für die jeweilige Stadt oder Gemeinde möglichst aufkommensneutral ist. Für die einzelnen Steuerpflichtigen kann sich die Höhe der Grundsteuer jedoch ändern. Bei Zahlungsproblemen können mit der Kommune Ratenzahlungen oder ein Aufschub vereinbart werden. Für Städte und Gemeinden gehört die Grundsteuer zu ihren wichtigsten Einnahmequellen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Nachrichten | 06. September 2023 | 09:30 Uhr

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