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Die Panzerhaubitze 2.000 - bisher hat die Bundesregierung der Ukraine 14 Exemplare dieser schweren Kriegswaffe geliefert. Bildrechte: IMAGO/Sven Eckelkamp

Angesprochen - AusgesprochenKrieg, deutsche Waffen und Pazifismus

29. Oktober 2022, 05:00 Uhr

Deutschland sei mitten im Krieg, sagt Gerd Bauz. Doch ist es ethisch Waffen an die Ukraine zu liefern? Oder verhält sich die Bundesregierung falsch? Bauz ist bekennender Pazifist und Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung, die das Andenken des Theologen Niemöller und dessen Einsatz für Frieden und Völkerverständigung bewahrt. In unserem Interview spricht Bauz über das Verhältnis zwischen Putin und Nato, über Waffenlieferungen und über eine mögliche neue Sicherheitsarchitektur in der Welt.

von Rainer Erices, MDR THÜRINGEN

Quer durch die maßgeblichen Parteien gebe es ein Verständnis von militärischer Sicherheit, klagt Gerd Bauz. "Frau Baerbock, Herr Scholz, sind auf dem Trip, wir führen den Krieg und wir gewinnen den. Das ist furchtbar." Es gebe zwar auch im deutschen Außenministerium eine "winzige Abteilung", die sich mit ziviler Konfliktprävention beschäftige, trotzdem würde die deutsche Politik weiter an der Logik des Militärischen verbleiben. Es gelte der Ruf: Waffen, Waffen, Waffen. Das führe zu keinem guten Ende.

Der Westen dreht an der Eskalationsspirale

Im Grunde, so sagt Bauz, der selber neben seiner Tätigkeit in der Niemöller-Stiftung als Mediator arbeitet, stimme dabei nicht einmal die politische Argumentation. Wenn Deutschland der Ukraine wirklich militärisch helfen wollte, müsste die Bundeswehr kommen, um das Land "rauszuhauen". Aber wir würden nur Waffen liefern und ließen den Krieg auf fremdem Territorium geschehen. Man habe kein Konzept, wo man eigentlich wirklich hin wolle.

Begründet werde dieses Eingreifen mit dem Hinweis auf einen Aggressor Putin. Doch die Reaktion Deutschlands und des Nato-Bündnisses sei gleichfalls "hochproblematisch". Der Westen habe in den vergangenen Jahren mit an der Eskalationsspirale gedreht - mit der Gefahr eines nuklearen Winters - und er drehe daran weiter.

Waffenlieferungen sind ethisch nicht vertretbar

Als Pazifist nehme Bauz eine dritte Position ein. Er verlange von der deutschen Politik diplomatische Angebote zur Beilegung des Konflikts. Eben diesen Kampf um Verhandlungen sehe er nicht. Wenn Deutschland diesen Weg nicht bestreite, dann seien die Waffenlieferungen "politisch hochgefährlich und falsch und auch ethisch nicht zu vertreten".

Der Krieg in der Ukraine und die deutsche Haltung sorgten unter den Menschen für eine "klassische Polarisierung in Gut und Böse". Medien seien dabei nicht unschuldig. Es werde ja nahezu verlangt, dass man begeistert bei Waffenlieferungen mitmache. Sonst komme der Verdacht auf, man sei ein "Putinversteher", was als Schimpfwort gebraucht werde. Er halte es für problematisch, wenn so der Diskurs abgeblockt werde. Es gebe nicht nur Ja und Nein zu Waffen, sondern auch Zwischentöne. Bauz sagt, wenn Menschen sich als Putin-Fans bezeichnen, so denke er, stimme etwas nicht. "Aber Putin zu verstehen, ist tatsächlich die Aufgabe, wenn ich mich mit ihm verständigen will."

Pazifisten müssen neue Sicherheitslösungen finden

Gerd Bauz beschreibt es als gegenwärtige Aufgabe des Pazifismus oder der Friedensbewegung, nach neuen Sicherheitslösungen zu suchen. "Wenn wir in der Uno-Charta bereits das Verbot von Waffen und Angriffskriegen und Gewalt haben, dann kann es eigentlich nicht so sein, dass ständig aufgerüstet wird." Der nächste Schritt müsse sein, die Prinzipien ziviler und gemeinsamer Sicherheit anzuerkennen und über Rüstungskontrollen Waffen weltweit zu reduzieren.

Gemeinsame Sicherheitsarchitektur nach Modell der Energiefrage

Als Modell beschreibt Bauz den ökologischen Wandel in der Energiefrage. In 20 Jahren würden wir auf fossile Energieformen verzichten, weil wir wüssten, dass wir mit Wasser, Wind und Luft zurechtkämen. Ähnliches sollte hinsichtlich einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur geplant werden. Diese paradoxe Chance ergebe sich aus dem Ukraine-Krieg. Wir müssten erkennen, dass wir Waffen nicht brauchen, und müssten die Souveränität von Ländern anerkennen, ihren eigenen Weg zu gehen. 

Der nächste Schritt für die Ukraine könnte sein, über diplomatische Wege eine Sicherheitszone zu schaffen, die von neutralen Truppen geschützt würde, um damit die Region zu befrieden.

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MDR (ask)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Samstagmorgen | 29. Oktober 2022 | 06:10 Uhr