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Diskussion um angewiesene DatenlöschungKrise beim sächsischen Verfassungsschutz

03. Juli 2020, 09:43 Uhr

Der neue Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Dirk-Martin Christian, löste beim Amtsantritt eine Diskussion aus. Er soll angeblich den Kampf gegen den Rechtsextremismus blockieren. Denn er soll seinen Vorgänger angewiesen haben, Daten über AfD-Abgeordnete zu löschen. Am Donnerstag standen er und der Innenminister Rede und Antwort. Und dabei wurde klar: Der Verfassungsschutz selbst hat womöglich ein Problem.

von Lydia Jakobi, MDR AKTUELL

Angefangen hatte alles mit einer Recherche der "Sächsischen Zeitung": Mit ihrer Seite-Drei-Geschichte "Das große Löschen" entfesselte sie einen Eklat im Innenministerium. Erst ging es um das Vernichten von Daten. Doch nun wird klar: Der Verfassungsschutz hat widerrechtlich Informationen über AfD-Mandatsträger gespeichert.

Dirk-Martin Christian – bislang im Innenministerium für die Aufsicht der Behörde zuständig und nun selbst an der Spitze des Verfassungsschutzes – hatte das wiederholt kritisiert, wie er jetzt erklärte.

Wir hatten natürlich die Hoffnung, dass das Landesamt unsere rechtlichen Hinweise auch umsetzt. Erst als feststand, dass das Landesamt für Verfassungsschutz nicht bereit war, unsere Rechtsauffassung zu übernehmen, sondern für sich erklärt hat: Das ist so, das stimmt so und basta – da stand für uns fest, dass es keine Änderung mehr geben wird und dass es rechtswidrig ist.

Dirk-Martin Christian | Präsident sächsisches Landesamt für Verfassungsschutz

Kritik an Vorgehensweise des Verfassungsschutzes

Konkret ging es darum, dass der Verfassungsschutz keine gerichtsfesten Belege dafür liefern konnte, dass AfD-Abgeordnete ihr Mandat missbrauchen, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen – denn nur dann darf er Parlamentarier beobachten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem sogenannten Ramelow-Urteil 2013 entschieden.

Insgesamt ein ungeheuerlicher Vorgang, findet auch Valentin Lippmann von den Grünen: "Man bekämpft Verfassungsfeinde nicht dadurch, dass man verfassungswidrige Praktiken anwendet." Lippmann lobt das Vorgehen der Fachaufsicht, die durch ihr Einschreiten womöglich ein noch größeres Unrecht unterbunden habe, sagt der Grünen-Politiker.

Hagelte es zunächst noch Rücktrittsforderungen gegen Innenminister Roland Wöller, steht nun der Verfassungsschutz selbst in der Kritik. Auch, weil er sich nicht die erforderliche Genehmigung für das Sammeln der Daten beim Ministerium eingeholt hatte und dann interne Informationen an die Zeitung weitergegeben habe, kritisiert Wöller.

Außerdem erklärt der Innenminister, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet sei, denn: "Das Durchstechen von Verschlusssachen in die Öffentlichkeit, um auf diesem Wege die eigene Meinung und sein rechtswidriges Tun gegen Abgeordnete zu verteidigen, ist ein bemerkenswerter und einmaliger Vorgang." So etwas dulde das Innenministerium nicht.

Politikwissenschaftler: Verfassungsschutz in Krise

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht angesichts dieser Vorgänge den sächsischen Verfassungsschutz in der Krise: "Aber die Gründe der Krise, die müsste man noch genauer erheben. Von Meyer-Plath wissen wir, dass er mal entschieden agiert hat und oft auch nicht." Ein Beispiel dafür seien die Ereignisse in Chemnitz, wo Meyer-Plath zwar informiert habe, so Funke, aber erst sehr spät, "und das hätte eher geschehen müssen."

Der neue Verfassungsschutzchef Dirk-Martin Christian kündigte an, er wolle aktueller informieren und sehe grundlegenden Optimierungsbedarf bei der rechtskonformen Arbeit seiner Behörde. Der Rechtsextremismus bleibe dabei das drängendste Problem.

Deshalb müsse der Verfassungsschutz nun auf legaler Grundlage die AfD in den Blick nehmen, meint Funke. Wenn der Verfassungsschutz seine eigene Aussage ernst nehmen würde, entschieden gegen Personen und Organisationen vorzugehen, die rechtsextrem oder nicht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuzuordnen seien, sagt Funke, dann erwarte er, dass das Landesamt auch entsprechend aufgestellt sei. Und das müsse überprüft werden.

Man sei in der Hinsicht jedenfalls nicht untätig, gab Verfassungsschutz-Chef Christian knapp zu verstehen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 03. Juli 2020 | 05:00 Uhr

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