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Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

Wagenknecht-ParteiExperte erwartet Mitglieder-Verlust bei der Linken im Osten

24. Oktober 2023, 15:20 Uhr

Im Falle einer erfolgreichen Parteigründung von Sahra Wagenknecht rechnet der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne mit einem Mitglieder-Verlust bei der Linken. Die Partei wird nach seiner Einschätzung auch Stimmen verlieren, genau wie die AfD. Den Zeitpunkt der Gründung vor der Europawahl im nächsten Jahr hält Höhne für passend. Gleichzeitig sei eine Neugründung mit hohen Hürden verbunden.

  • Sollte die Parteigründung von Sahra Wagenknecht erfolgreich verlaufen, erwartet Benjamin Höhne einen Mitgliederschwund bei der Linken im Osten Deutschlands.
  • Neben Verlusten bei den Linken rechnet der Politikwissenschaftler auch bei der AfD mit Einbußen.
  • Der geplante Gründungs-Zeitpunkt vor der Europawahl ist nach Einschätzung des Experten passend.

Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne erwartet einen deutlichen Mitglieder-Verlust für die Linkspartei im Osten im Falle einer erfolgreichen Gründung der Wagenknecht-Partei.

Zur Person: Benjamin HöhneDer gebürtige Wittenberger Benjamin Höhne ist derzeit als Projektleiter im "Hochschulnetzwerk EU GREEN" der Uni Magdeburg tätig. Davor arbeitete er als Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der Uni Münster. Er berät Parlamente, Ministerien und Institutionen zur politischen Bildung.

Höhne sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Montagabend, die Positionen, die Sahra Wagenknecht in der jüngeren Zeit geäußert habe, seien im Osten oft mehrheitsfähig – anders als in der West-Linken. "Insoweit steht zu befürchten, dass sie im Osten tatsächlich viel mehr Parteimitglieder aus der Linkspartei zum Wechsel motivieren könnte. Ich denke aber trotzdem, dass die Linke, wenn sie noch eine Chance hat, eher im Osten als Kleinst- oder Kleinpartei weiter existieren kann, als im Westen. Dort wird es sehr schwer."

Linken-Fraktion in Sachsen-Anhalt bleibt zusammen

Linken-Fraktionvorsitzende Eva von Angern sagte MDR SACHSEN-ANHALT, gegenüber der Wagenknecht-Partei habe man den Vorteil, dass die Linke im Landtag in Sachsen-Anhalt vertreten sei. Sie sehe auch keine Folgen durch die Wagenknecht-Parteigründung für ihre Fraktion. "Wir sind zwölf Abgeordnete, wir bleiben der Linken treu."

Auch AfD könnte Stimmen verlieren

Laut der Linken-Fraktionvorsitzenden Eva von Angern bleiben alle linken Abgeordneten im Landtag Sachsen-Anhalt ihrer Partei treu. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Der in Sachsen-Anhalt geborene Höhne erwartet neben Folgen für die Linke aber auch für die AfD Stimmenverluste. Wagenknecht wende sich gegen das bestehende System, äußere sich europaskeptisch und skeptisch zur Integration. "Wir wissen zugleich, dass sie Russland stärker zugeneigt ist als die anderen etablierten Parteien." Ihr Kernthema sei soziale Gerechtigkeit, und das gemischt mit verschiedenen Politik-Feldern, die eher dem Rechtspopulismus zuzuordnen sind, könnte die AfD Wähler kosten, schätzt Höhne ein.

Bundestagsfraktion der Linken droht zu zerbrechen

Auch für die Bundestagsfraktion der Linken erwartet Höhne drastische Konsequenzen: "Für die Linkspartei ist das eine dunkle Stunde, auf die man sich schon vorbereitet hat. Es steht zu befürchten, dass etliche Abgeordnete aus der Bundestagsfraktion der Linkspartei zur Wagenknecht-Partei wechseln." Damit könnte laut Höhne der Fraktionsstatus zusammenbrechen. Zudem würden auch weniger Gelder fließen und viele Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Europawahl als Experiment

Bei Europawahlen wählen die Menschen experimentierfreudiger, sagt Benjamin Höhne. Eine Wagenknecht-Parteigründung davor hält er deshalb für passend. Bildrechte: picture alliance/dpa

Die Parteigründung Wagenknechts ist nach den Worten Höhnes schon lange erwartet worden. Zudem sei eine Gründung vor der Europawahl 2024 ein geeigneter Zeitpunkt. Bei einer Europawahl seien die Menschen eher bereit, zu experimentieren. "Man muss nun sehen, wie diese 'Formation', die man als Linkspopulismus bezeichnen könnte, bei diesen Wahlen abschneiden wird", so Höhne.

Gescheitert mit "Aufstehen"

Höhne verwies aber darauf, dass es hohe Anforderungen gebe, eine Partei zu gründen. "Bereits 2018 war Wagenknecht mit ihrem Versuch der Parteigründung 'Aufstehen' gescheitert." Es brauche ein Partei-Management mit einer Organisation, Geldern und "Leuten". Jetzt müsse man schauen, ob sie es dieses Mal schaffe. "Im Prinzip sind die Chancen groß. [...] Aber das wird nur funktionieren, wenn man es richtig macht. Und ich habe große Zweifel, ob das gelingen kann."

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MDR (Gesine Stahl, Hannes Leonard, Marvin Kalies, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Oktober 2023 | 09:00 Uhr