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Energie und HeizenKemfert: Gasnetz rechtzeitig stilllegen, sonst wird es teuer

08. April 2024, 07:50 Uhr

Wenn ab 2045 das Heizen mit Gas nicht mehr erlaubt ist, wird auch das Gasnetz nicht mehr gebraucht. Energieökonomin Claudia Kemfert erklärt in ihrem Klima-Podcast bei MDR AKTUELL, warum Städte und Kommunen rechtzeitig reagieren müssen ‒ und was Kunden anderenfalls droht.

Energieökonomin Claudia Kemfert hat die Kommunen aufgefordert, die Stilllegung des Gasnetzes in ihren Wärmeplänen zu berücksichtigen. Die Kommunen müssten frühzeitig damit beginnen, die Stilllegung zu organisieren, sonst könne es auch für die Gaskunden teuer werden, sagte Kemfert MDR AKTUELL.

Nach ihrer Ansicht ist klar, dass in den nächsten Jahren viele Haushalte auf Fernwärme und Wärmepumpe umsteigen werden. Schließlich seien ab 2045 keine Heizungen mit Erdgas mehr erlaubt. Mit der Stilllegung der Gasnetze müsse aber schon vorher begonnen werden. "Für die verbliebenen Gaskunden wird es sonst teuer", erklärte Kemfert. Schließlich könnten die Netzbetreiber die Kosten für Wartung und Instandhaltung auf sie umlegen. 

Kemfert verweist in diesem Zusammenhang auf Studien, wonach sich die Netzentgelte bis 2045 verdreifachen und im schlimmsten Fall sogar versechzehnfachen könnten. "Das sind gigantische Kostensteigerungen", sagte die Energieökonomin, die am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Abteilung Verkehr, Energie, Umwelt leitet. Jede Kommune müsse durchdeklinieren, ab wann es für die restlichen Kundinnen und Kunden zu teuer werde.

Mit einer Art Zuschusssystem lassen sich Kunden vor übermäßigen Preisanstiegen schützen.

Claudia Kemfert | Energieökonomin

Keine Verwendung mehr für Gasnetze ab 2045

Kemfert kann sich vorstellen, dass der Staat bei zu hohen Netzentgelten übergangsweise finanziell helfen könnte: "Mit einer Art Zuschusssystem lassen sich Kunden vor übermäßigen Preisanstiegen schützen." Wenn es dann später zu einer Stilllegung komme, müssten die Gaskunden auf jeden Fall rechtzeitig informiert werden.

Klar ist nach Aussage der Energieöknomin, dass ein Großteil der Gasnetze bis 2045 nicht mehr gebraucht werde. Sie eigneten sich auch nicht für grünen Wasserstoff. Dieser sei "ineffizient und teuer". Wenn Teile der Regierung von Technologieoffenheit sprächen, sei das eine Täuschung der Gaskunden, erklärte Kemfert.

Biomethan könnte nach Meinung der Energieökonomin eine interessante Option sein. Es handle sich aber um eine stark begrenzte Ressource, mit der sich auch Strom herstellen lasse. Wenn eine Kommune aber organische Rohstoffe übrig habe, sei Biomethan eine gute Option:. "Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass ein Viertel der deutschen Haushalte tatsächlich damit beheizt werden könnten."

Studie zu Wärmeplänen: Kommunen ignorieren Thema Gasnetz

In Deutschland müssen die Großstädte bis Mitte 2026 eine Wärmeplanung vorlegen. Kleinere Kommunen haben bis Mitte 2028 Zeit. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Kommunen das Thema Gasnetz ignorieren. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Forschenden haben sich Wärmepläne von mehreren Städten in Baden-Württemberg angeschaut. Dort mussten die großen Gemeinden die Pläne auf Wunsch der Landesregierung schon bis Ende 2023 fertigstellen.

Für Claudia Kemfert ist das Ergebnis der Studie "erschütternd". Selbst für Fernwärmegebiete werde in den baden-württembergischen Plänen "nicht explizit gesagt, wann und wie das Erdgasverteilnetz voraussichtlich stillgelegt wird". Bei den Akteuren in den Städten gebe es eine hohe Unsicherheit bezüglich der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Sie hätten weiter die Hoffnung, dass er irgendwann zur Verfügung stehen werde. Außerdem sei das Geschäft mit dem Gas für viele Kommunen eine wichtige Einnahmequelle.

MDR (lik)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. April 2024 | 11:00 Uhr