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Die Solarhersteller sind in der Krise – gibt es bald Unterstützung aus der Politik? Bildrechte: picture alliance / ZB | Arno Burgi

"Resilienz-Boni"Regierungsparteien verhandeln über Förderung der heimischen Solarindustrie

17. Februar 2024, 05:00 Uhr

Es wird ernst für die Solarindustrie: Eigentlich sollte in den kommenden Tagen entschieden werden, ob der Branche mit staatlichen Mitteln geholfen wird. Doch dass es wirklich dazu kommt, ist fraglich.

  • Die Regierungskoalition will eigentlich das Solarpaket beschließen.
  • Ob konkreten Hilfen für die Solarindustrie kommen, ist noch offen.
  • In der Opposition herrscht Unverständnis über die Verzögerung.

Wenn es um Hilfen für die deutsche Solarindustrie geht, dann ist die Sache für Michael Kellner klar: "Ich finde einen Resilienz-Bonus wichtig und richtig. Und das sollte unbedingt Bestandteil eines Solarpakets sein", sagte Kellner MDR AKTUELL. Kellner ist Staatssekretär im grün-geführten Bundeswirtschaftsministerium. Seit Monaten bemüht sich das Ministerium darum, die angeschlagenen Hersteller von Solarmodulen in Deutschland zu retten. Doch bisher wurden Gesetzesänderungen oder Förderprogramme immer wieder verschoben. 

In der Woche ab dem 19. Februar sollte es zumindest klappen mit den sogenannten Resilienz-Boni – zumindest, wenn es nach den Grünen in der Bundesregierung geht. Mit den Boni sollen Verbraucher für den Kauf von europäischen beziehungsweise deutschen Modulen eine dauerhaft höhere Einspeisevergütung bekommen. Damit würden Käufer solcher Module zwar kurzfristig mehr bezahlen, die höheren Kosten beim Kauf aber langfristig ausgeglichen werden. Geplant ist bisher, dass die "Resilienz-Boni" als Teil des Solarpakets verabschiedet werden.  

Doch von der FDP gibt es offenbar Bedenken, deshalb könnten die Boni noch scheitern. Nach Informationen von MDR AKTUELL laufen derzeit Gespräche zwischen den drei Koalitionspartnern. Die beteiligten Bundestagsfraktionen äußerten sich auf Anfrage nicht zum Stand der Verhandlungen. Ob Solarpaket und "Resilienz-Boni" noch im Februar verabschiedet werden, ist deshalb unklar.

Bezahlt werden könnten die sogenannten Resilienz-Boni aus Mitteln des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das dafür angepasst werden müsste. Klar ist: Sollten die Boni kommen, müsste dafür langfristig Geld bereitgestellt werden.  

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CDU: Offenkundig große Widersprüche in der Bundesregierung

Bei der Opposition ist man skeptisch, ob Solarpaket und "Resilienz-Boni" zeitnah von der Bundesregierung verabschiedet werden. "Wir erleben, dass es seit Monaten Uneinigkeit gibt in der Ampel. Man möchte ein Solarpaket machen, man möchte den Ausbau der Photovoltaik voranbringen, man will die heimische Industrie stärken. Das alles wäre notwendig, aber es wird nicht entschieden. Und ich kann es mir nur dadurch erklären, dass es offenkundig große Widersprüche innerhalb der Bundesregierung gibt", sagte Andreas Jung, energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, zu MDR AKTUELL.

Andreas Jung, energiepolitischer Sprecher von CDU/ CSU im Bundestag Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Grundsätzlich sei er aber dafür, dass die heimische Solarindustrie unterstützt werde. "Das hat etwas zu tun mit Souveränität. Wir können es uns nicht leisten, dass in einer wichtigen Zukunftsbranche Produktion ausschließlich in China und im Ausland stattfindet. Und deshalb müssen Maßnahmen zur Resilienz umgesetzt werden", sagte Jung. Er plädierte für eine besondere Berücksichtigung heimischer Solarprodukte bei der Beschaffung für öffentliche Gebäude.

Solarindustrie mit Standorten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 

In Mitteldeutschland haben mehrere Solarhersteller Standorte – darunter Meyer Burger, Heckert Solar und Solarwatt. Wegen Konkurrenz aus China stehen mehrere Werke aber vor dem Aus. Hunderte Arbeitsplätze in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind bedroht. Meyer Burger und Heckert Solar hatten den Verbleib ihrer Produktion in Mitteldeutschland auch von der Entscheidung über die "Resilienz-Boni" abhängig gemacht.  

Zwar wird die Solarindustrie derzeit massiv ausgebaut, die Module dafür kommen aber fast alle aus China. Diese sind weitaus billiger als in Deutschland gefertigte Produkte. Wegen Überkapazitäten in China und weil die USA ihren Markt für chinesische Solarmodule gesperrt haben, wird der europäische Markt seit Monaten mit chinesischen Modulen zu Billigpreisen überschwemmt. Das drückt zwar den Preis für die Energiewende, stellt aber die heimischen Hersteller vor massive Probleme. 

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Doch abgesehen von den Arbeitsplätzen: Ist es überhaupt sinnvoll, eine eigene Wertschöpfungskette bei der Solarindustrie in Deutschland zu halten? Wirtschafts-Staatssekretär Kellner sagt, man sei in diesem Bereich zu sehr von China abhängig. Deshalb sei eine eigene Industrie in dem Bereich wichtig. Man solle nicht den gleichen Fehler machen wie bei Russland. "Es ist eine große Chance gerade für Ostdeutschland, für Sachsen, für Sachsen-Anhalt, für Brandenburg und das ist unser Ziel als Wirtschaftsministerium", so Kellner. 

Hilfen für Solarbranche: Außenhandelsexperte skeptisch 

Doch das sehen längst nicht alle so: Jürgen Matthes ist Außenhandelsexperte am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Er ist skeptisch, was die "Resilienz-Boni" angeht. Es drohe eine Subventionierung ohne Ende, sagte er. Denn man könne nicht hoffen, dass sich die Produktion mit der gegenwärtigen Technologie irgendwann als wettbewerbsfähig herausstelle.

Matthes plädiert hingegen für Kooperationen mit Schwellenländern, um gemeinsam Abhängigkeiten von China zu verringern. "Denn am Ende geht es natürlich auch darum, das für die Energiewende nicht zu teuer zu machen. Und wenn wir es hier produzieren würden, dann wird es natürlich sehr teuer werden für den Steuerzahler, der die Subventionen aufbringen muss."

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Energiewendeexpertin sieht Resilienzprogramm als Brückenfinanzierung 

Mira Wenzel, Projektleiterin bei Agora Energiewende. Bildrechte: Agora Energiewende

Allerdings: Derzeit gibt es außerhalb von China kaum Solarindustrie. Eine mögliche Kooperation mit anderen Schwellenländern ist derzeit also schwierig. Skeptisch ist in diesem Punkt Mira Wenzel, Projektleiterin bei Agora Energiewende. Sie verwies auf das 40-Prozent-Ziel der EU. Dieses besagt, dass künftig 40 Prozent des europäischen Bedarfs an strategisch wichtigen Technologien für die Energiewende in Europa produziert werden soll. "Das heißt, wenn wir dieses 40 Prozent-Ziel haben, werden wir immer noch 60 Prozent an günstigen Modulen importieren. Und das kann auch zu einem guten Ausgleich führen", sagte Wenzel MDR AKTUELL. 

Es sei deshalb sinnvoll, dass ein Resilienz-Programm aufgesetzt werde, bis sich das Marktumfeld wieder verbessere. Wenzel weiter: "Allerdings muss das ein Übergang sein, eine Art Brücke, damit wir die Technologiekompetenz auf diesem Gebiet erhalten können." Sie spricht von "Brückenfinanzierung". Damit könne perspektivisch in Europa wieder eine wettbewerbsfähige Industrie aufgebaut werden – und damit auch das 40-Prozent-Ziel der EU eingehalten werden. Letztlich müsse man sicherstellen, so Wenzel, dass einerseits günstige Importe genutzt würden, andererseits diese Schlüsseltechnologie in der EU vorhanden sei. 

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 18. Februar 2024 | 06:11 Uhr

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