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Martin Zschoche betreibt seit 2018 einen Bio-Gemüsehof in Repau bei Köthen. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

BauerndemosWie ein junger Bio-Landwirt aus Sachsen-Anhalt über die Proteste denktvon Lucas Riemer, MDR SACHSEN-ANHALT

13. Januar 2024, 11:25 Uhr

Hier erklärt ein Bio-Bauer aus Repau in der Nähe von Köthen, was für ihn die wahren Probleme der Agrarpolitik sind und warum er sich nicht von Rechten instrumentalisieren lassen will.

Auf Martin Zschoches Hof in Repau bei Köthen war gerade so etwas wie Winterruhe eingekehrt. Mehr als 50 verschiedene Kulturen baut der Bio-Landwirt auf rund 15 Hektar Ackerfläche an, von Beeren über Kartoffeln, Zwiebeln, Kohl und Salate bis hin zu Tomaten und Zucchini. Doch der strenge Frost der letzten Tage hat den Boden steinhart gefrieren lassen. Für Zschoche ideale Bedingungen, das gefrorene Unkraut auf den Winterlauch-Feldern mit einer Hacke abzubrechen. "Dann stirbt es später einfach ab", sagt der Bauer.

Statt wie viele seiner Kollegen in dieser Woche etwa Autobahnauffahrten zu blockieren, steht Zschoche also auf dem Feld und jätet Unkraut. Oder er sitzt am Schreibtisch und erledigt Papierkram. Zum Demonstrieren fehle ihm in seinem Ein-Mann-Betrieb schlicht die Zeit, sagt der Landwirt.

Subventionen seien "eine gerechte Sache"

Dabei ist es nicht so, dass Zschoche seine Kolleginnen und Kollegen nicht verstehen würde. Ganz im Gegenteil, er unterstützt ihre Forderung nach einer Rücknahme der geplanten Subventionskürzungen für Bauern, obwohl er selbst nur einen Einachser hat und davon gar nicht betroffen wäre.

"Es ist fair, wenn landwirtschaftliche Maschinen, die in der Hauptsache auf den Feldern arbeiten und nicht auf Straßen fahren, eine steuerliche Entlastung erhalten. Das ist nach meinem Dafürhalten eine gerechte Sache. Zumal es für große Ackertechnik bislang keine alternativen Antriebsmöglichkeiten gibt, zum Beispiel mit Wasserstoff oder Strom", sagt der 33-Jährige, der auf einem Bauernhof groß geworden ist. Seine Eltern bewirtschaften gleich nebenan 400 Hektar, haben große Maschinen und demonstrieren in diesen Tagen auch auf der Straße.

Die von der Bundesregierung beschlossenen Subventionskürzungen seien nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, findet Zschoche. Tatsächlich lägen die Probleme in der Landwirtschaft viel tiefer. "Die Agrarstruktur, die in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde, ist für eine Weltmarktproduktion ausgelegt, nicht für die einheimische Produktion", sagt Zschoche.

Kaum Platz für kleine Betriebe?

Was das bedeute? Immer größere Betriebe, immer mehr Monokulturen, immer weniger Geld und Platz für kleine Bauernhöfe mit Pflanzenvielfalt und nachhaltigem Ansatz, so Zschoche. Tatsächlich zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes und Berechnungen des Magazins Katapult, dass landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen-Anhalt durchschnittlich eine Fläche von rund 272 Hektar bewirtschaften, der zweithöchste Wert im bundesweiten Vergleich.

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"Manche Unternehmen, die jetzt protestieren und Bauern darstellen, sind in Wahrheit Unternehmen von Investoren, die landwirtschaftliche Flächen nur als Wertanlage kaufen", sagt Zschoche, der sich auch bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft engagiert: "Die sehen nicht wie wir bäuerlichen Betriebe die Langfristigkeit des Betriebes und der Wirtschaftsfähigkeit, sondern bei denen geht es letztlich darum, dagegen zu protestieren, dass sie jetzt vielleicht drei Prozent weniger Gewinn machen."

Mit 15 Hektar Ackerfläche ist Zschoches Betrieb vergleichsweise klein. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Auf die Probleme in der Agrarstruktur aufmerksam zu machen, sei lange überfällig. "Deshalb ist es auch richtig, dass jetzt eine große Masse losgeht", sagt Zschoche. Er selbst hat sich für eine andere Form des Protestes entschieden. "Ich mache meine Demonstration schon, seit ich meinen Betrieb gegründet habe, und zwar im direkten Kundenkontakt", sagt er.

"Ich mache meinen Kunden zum Beispiel klar, warum ich bewusst in einer kleinen Struktur arbeite, warum ich mit Diversität in den Pflanzenkulturen arbeite, warum ich Baum- und Gebüschstreifen schaffe. Das ist mein dauerhafter Protest." Außerdem nehme er schon lange an der jährlichen "Wir haben es satt"-Demo in Berlin teil.

Die Gefahr, dass man instrumentalisiert wird, ist definitiv da.

Martin Zschoche | Landwirt

Was jedoch niemandem helfe, sei, wenn rechte Gruppierungen jetzt den Unmut der Landwirte bei Demonstrationen oder auf sozialen Medien für ihre Zwecke nutzen wollen. "Ich finde es eine Schweinerei, fremde Stimmen zu nutzen und andere Probleme auszunutzen, um sich selbst nach vorne zu bringen", sagt Zschoche. "Die Gefahr, dass man instrumentalisiert wird, ist definitiv da. Es gibt Veranstaltungen, bei denen Kräfte am Werk sind, die wir nicht haben wollen." Umsturzfantasien etwa hätten auf demokratischen Demonstrationen nichts verloren.

Das Wichtigste sei deshalb, dass man sich genau informiere, wer demonstriere und wer eine Demonstration angemeldet habe. "Wenn das ein bekannter Verband ist, der für soziale Gerechtigkeit und gemäßigte politische Richtungen einsteht, kann ich bedenkenlos demonstrieren gehen. Wenn mir aber unbekannt ist, wer die Demo angemeldet hat, oder wenn dort Personen sind, die ich nicht dabeihaben will, dann sollte ich mich fernhalten", empfiehlt der Bauer.

Vorsicht ist geboten

Allerdings gingen rechte Gruppen und Parteien durchaus gewieft vor, hat Zschoche beobachtet. "Nach außen wird das oft gar nicht klar dargestellt, wer dahintersteckt, das kriegt man manchmal erst hinterher mit." Umso mehr Vorsicht sei geboten.

Martin Zschoche baut unter anderem Winterlauch auf seinen Ackerflächen an. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Für die Zukunft fordert Zschoche Gesetze, die dafür sorgen, dass Agrarflächen in den Händen regionaler Landwirte bleiben und nicht weiter von außerlandwirtschaftlichen Investoren aufgekauft werden. "Außerdem sollte die Politik dafür Sorge tragen, dass auch auf dem Land Teilhabe an kulturellem und gesellschaftlichem Leben möglich ist", wünscht sich der Landwirt.

"Ein Dorf wie Repau braucht kein eigenes Kino oder Theater, aber zumindest die nächste größere Stadt, in unserem Fall Köthen. Das sind Entfernungen, die sind machbar, aber wenn man fürs Kino nach Halle oder Leipzig fahren muss, dann sind wir hier irgendwann komplett abgehängt."

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MDR (Lucas Riemer) | Erstmals veröffentlicht am 11.01.2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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