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Lehrerinnen und Lehrer kommen oft nicht mit ihren Dienstgeräten ins Schul-WLAN. Bildrechte: imago images/Chris Emil Janßen

Schul-IT: Kritik der SchulträgerWLAN: Lehrer müssen draußen bleiben

25. Mai 2022, 06:51 Uhr

Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT haben ergeben: Viele Lehrer benutzen ihre Dienst-Laptop oder -Tablets nicht. Das hat mehrere Gründe: Vielfach müssen Lehrer die Geräte selbst einrichtet und können sich auch selbständig Software installieren. Das sehen einige IT-Abteilungen der Schulträger als Sicherheitsrisiko und verbieten diesen Geräten den Zugang zum Schul-WLAN. Und es wird noch mehr Kritik an der Landesregierung laut.

Im Frage-und-Antwort-Dokument (PDF) von Sachsen-Anhalts Bildungsministerium klingt es nach einem Vorteil: Lehrer können selbst Software auf ihre Dienst-Laptops installieren, jedenfalls bis eine "landesweite Administration diese Rechte einschränken", steht dort. Wann es aber eine landesweite Administration gibt, ist bislang nicht klar. An den landeseigenen Schulen wird sie gerade erprobt.

13 Millionen Euro hat Sachsen-Anhalts Landesregierung für 18.000 solcher Lehrer-Geräte ausgegeben. Und Lehrer haben darauf die volle administrative Berechtigung. Allerdings: Sie sind auch dafür verantwortlich, keine lizenz- oder datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu brechen. Das kann Lehrer abschrecken, ihre Geräte überhaupt zu nutzen. Auch wenn die Geräte beschädigt werden, gilt die "Selbstversicherung", schreibt das Bildungsministerium in seinem Dokument.

All das führt dazu, dass viele Lehrer-Geräte unbenutzt in den Schulen liegen. Und auch von den Schüler-Geräten sind in Sachsen-Anhalt nicht alle im Einsatz, hat eine Recherche von MDR SACHSEN-ANHALT ergeben.

Aber nicht in allen Regionen müssen sich Lehrer selbst kümmern, in einigen übernehmen die IT-Abteilung eines Landkreises oder einer Kommune die Betreuung der Lehrer-Geräte. Die Hilfe für Lehrer kann allerdings auch dauern – aus logistischen Gründen. Der Landkreis Harz schreibt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT zum Beispiel: "Durch die fehlenden Absprachen mit den Schulträgern wurden diese Geräte nicht konfiguriert direkt an die Schulen geliefert, mussten dann zum Schulträger transportiert und eingerichtet werden und wurden erneut an die Schulen gebracht."

Solche Computer-Fahrdienste können IT-Abteilungen nur leisten, wenn dort genug Menschen arbeiten. Denn grundsätzlich wünschen sich die meisten Schulträger in Sachsen-Anhalt mehr IT-Personal. Wenig Personal und viele neue Lehrer-Geräte: Eine Herausforderung für knapp besetzte IT-Abteilungen, die sich außerdem um dutzende bis tausende Schüler-Geräte kümmern müssen.

Lehrer kommen nicht ins Schul-WLAN

Aber das größte Problem für alle Schulträger ist, dass die Lehrer-Geräte bis auf das Betriebssystem quasi "nackt" sind. Die Gemeinde Barleben schreibt: "Ohne weitere Installationen und Vorbereitungen können die Lehrergeräte nicht in kommunale IT-Infrastruktur eingebunden werden."

Die Stadt Halberstadt schreibt, "die Geräte werden durch das Land selbst verwaltet. Dies sorgt für Einschränkungen bei uns als Kommune, wenn die Geräte beispielsweise ins Schul-WLAN eingebunden oder Apps auf den Geräten installiert werden sollen."

Auch die Stadt Tangerhütte schreibt, es sei derzeit unklar, inwiefern sich die Lehrergeräte in die Infrastruktur an den Schulen einbinden lassen. "Wir haben uns ganz bewusst für die Nutzung von Apple-Geräten entschieden." Die Landesregierung hätten die Lehrer allerdings frei entscheiden lassen, welche Geräte sie nutzen wollen.

Lehrer dürfen nicht in Schul-WLAN

Was neben der praktischen Einbindung in die IT-Infrastruktur der Schulträger noch hinzu kommt: Sicherheitsbedenken. In keinem großen Unternehmen lässt es eine IT-Abteilung zu, unbekannte Geräte ohne Weiteres in sein Netzwerk hereinzulassen. Deshalb können zum Beispiel in Halle viele Lehrer ihre Dienstgeräte nicht mit dem WLAN an den Schulen nutzen. Auch der Landkreis Börde schreibt: "Es erweist sich als schwierig, diese Vielzahl unterschiedlicher Endgeräte in die Netze der Schulen einzubinden."

Lehrer, die mit ihren Dienst-Laptops nicht ins Schul-WLAN dürfen? Nachvollziehbar, sagt Sachsen-Anhalts IT-Verbandschef Marco Langhof: "Aus fachlicher Sicht ist das vollkommen nachvollziehbar – aus Sicht der Steuerzahler ein echter Schildbürgerstreich." Weil es keinen Plan und keine Kommunikation zwischen Schulträgern und Bildungsministerium gegeben habe, sei es berechtigt und absolut nachvollziehbar, wenn Schulträger nicht "irgendwelche Lehrer-Laptops in ihre Schulnetze lassen" würden.

Langhof vergleicht den Aufbau einer IT-Infrastruktur mit einem Hausbau: "Erst die Endgeräte, zum Schluss die Netzwerke und das WLAN und zwischendrin der Glasfaser-Internet-Anschluss. Das ist, als würde man erst das Dach, dann das Fundament und zwischendurch die Baustellenzufahrt bauen wollen." Das sei eine Nicht-Architektur. Wenn man dort Sicherheit hineinbringen wolle, sei das so, "als ob man sich über die Standsicherheit eines Gebäudes erst nach dem Bau Gedanken machen wollte."

Scharfe Kritik für Sachsen-Anhalts Landesregierung

MDR SACHSEN-ANHALT hatte alle Schulträger im Land angeschrieben und gefragt, wie viele Computer, Laptops und Tablets es an den Schulen gibt, wie sie genutzt werden und wie viele IT-Expertinnen und -Experten sich darum kümmern. Bei dieser Anfrage wollte MDR SACHSEN-ANHALT auch wissen, inwieweit die Landesregierung die Schulträger besser unterstützen sollte. Geantwortet haben alle 14 Landkreise und kreisfreien Städte, die für die weiterführenden Schulen zuständig sind und 45 von mehr als 200 Städte und Gemeinden, die für die Grundschulen zuständig sind. Die 59 Antworten der Schulträger sprechen Bände.

Viele der Antworten stellen der Landesregierung ein schlechtes Zeugnis aus. Und nicht nur ihr: Auch den Lehrerinnen und Lehrern. Es ist ein Hilferuf: nach mehr IT-Personal, weniger Bürokratie, mehr Technik- und Medienkompetenz bei Lehrern, mehr Beteiligung der Schulträger und besserer Kommunikation zwischen Land und Schulträgern.

Einige Beispiele, bei denen Schulträger der Landesregierung fehlende Kommunikation bescheinigen:

  • Die Stadt Tangerhütte schreibt, es sei ein "grundsätzliches Problem, dass keine Abstimmung zwischen Land und Kommune erfolgte."
  • Die Stadt Barby schreibt, "Aktionen wie die Lehrer-Geräte sollten besser durchdacht und geplant werden. Die Geräte wurden ohne Software bis auf das Betriebssystem ausgeliefert und es gibt noch immer keine Einweisung, Service oder Support."
  • Der Landkreis Jerichower Land schreibt, es seien "genaue Absprache zwischen Land und Schulträger bei geplanten Maßnahmen wünschenswert".
  • Der Landkreis Börde schreibt, "insbesondere die Kommunikation zwischen dem Ministerium für Bildung, dem Landesschulamt, dem LISA und den Schulträgern muss verbessert und verstetigt werden."
  • Der Landkreis Stendal schreibt, "generell sind die Tätigkeiten des Landes oft erst spät kommuniziert und es gibt oft keine definierten Feedback-Kanäle."

Weil es an Kommunikation fehlt, können Schulträger wohl auch schlecht planen. Die Stadt Arnstein/Harz schreibt zu den Lehrer-Geräten: "Laut Aussagen des Landesschulamts im Jahr 2021 sollte es eine zentrale Administration durch das Land geben. Wir haben bis heute keine Kenntnis, ob der Plan greifen soll. Somit ist auch für uns als Schulträger eine langfristige Planung nur schwer umsetzbar."

Die meisten Landkreise, Städte und Gemeinden wünschen sich neben einer offenen und transparenten Kommunikation schnellere Entscheidungen. Der Landkreis Wittenberg schreibt zum Beispiel, dass die Förderung unbürokratisch und schnell ermöglicht werden sollte. So würden die IT-Experten des Landkreises nicht mit Bürokratie gebunden, sondern könnten technische Unterstützung leisten. Und im Landkreises Mansfeld-Südharz warten die zwei Beschäftigten, die sich um die IT an Schulen kümmern, "dringend" auf Unterstützung durch Administratoren. Sie sollen mit einem neuen Förderprogramm finanziert werden.

Die Stadt Ballenstedt möchte ihre Schul-IT von der IT-Abteilung des Landkreis Harz betreuen lassen. Das sei aber aus Vertragsgründen nicht möglich.

Einheitliche oder individuelle Lösungen

Aus den Antworten der Schulträger werden auch unterschiedliche Ansichten deutlich: Auf der einen Seite wünschen sich kleine Kommunen, dass die Lehrer-Geräte einheitlich mit Software ausgestattet werden. Auf der anderen Seite sind Kommunen und vor allem Landkreise mit gut ausgestatteten IT-Abteilungen, die sich weniger Vorgaben bei Geräteauswahl und Software-Ausstattung wünschen.

Was sich viele wünschen: technische Ansprechpartner beim Land und eine landeseigene Schul-IT-Administration, die auch die Geräte betreut. Die "Schaffung einer zentralen Schul-IT-Administration" sei Aufgabe des Landes, schreibt die Stadt Wernigerode. Auch die Hansestadt Osterburg schreibt, das Land sollte "in einem eigenen Rechenzentrum die notwendigen Kapazitäten bereitstellen und die Schulen, Klassen, Kurse und Schülerinnen melden sich auf dem System an, um dort zu arbeiten." Dies könnte den erheblichen Administrationsaufwand verringern und Bildungsgerechtigkeit fördern.

Weitere Meinungen:

  • Gerbstedt: "Geräte für die Lehrer sollten einheitlich ausgestattet werde, die Schulung des Lehrerpersonals sollte erfolgen."
  • Bad Dürrenberg: "Einheitliche Software sollte für alle Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Jede Kommune kocht ihr eigenes Süppchen. Das kostet jeder Kommune sinnlos Geld."
  • Verbandsgemeinde Wethautal: "Landeseinheitliche Vorgabe der Geräte, da die freie Auswahl an Geräten die Betreuung komplizierter macht."
  • Stadt Ballenstedt: "Weniger Vorgaben an technische Gerätschaften"
  • Hansestadt Osterburg: "Die Auswahl der zu nutzenden Software sollte sich am Bedarf ausrichten; nicht am Markt. Open-Source sollte der Vorrang gewährt werden."
  • Magdeburg wünscht sich "Initiativen, die die Administration der IT-Infrastruktur besser mit Trägern abstimmen, um der Komplexität von IT-Infrastrukturen gerecht zu werden und um Doppelstrukturen zu vermeiden."

Fehlende IT-Kompetenzen bei Lehrern

Neben der Landesregierung kritisieren die Schulträger auch viele Landesbeschäftigte: nämlich die Lehrerinnen und Lehrern. Wo der Landesregierung mangelnde Kommunikations-Kompetenz vorgeworfen wird, wird vielen Lehrern ein Mangel an Technik- und Digital-Kompetenz attestiert.

Die Verbandsgemeinde Egelner Mulde schreibt, das Land müsste mehr Energie in die Lehrerausbildung und Qualifizierung stecken: "Es nützen die besten Geräte nichts, wenn die Lehrkräfte diese nicht sinnvoll im Unterricht einzusetzen wissen." Auch die Stadt Arnstein/Harz ist deutlich: "Die Arbeit mit IT in der Schule macht nur Sinn, wenn die Lehrkräfte in der Lage sind, diese Technik sinnvoll zu verwenden und grundlegende administrative Tätigkeiten (Updates der Geräte, sichere Anwenderkenntnisse) selbst zu tätigen." Das Land sollte eine verpflichtende Fortbildung für Lehrer einführen. "Hier fehlt es an grundlegendem Wissen und somit werden die Geräte auch noch nicht effektiv eingesetzt", schreibt Arnstein.

Weitere Meinungen von Schulträgern zur Kompetenz der Lehrer:

  • Stadt Barby: "Die Lehrer sollten von der Landes- oder Schulverwaltung an den Geräten ausgiebig geschult werden. Es sind teilweise nicht einmal Grundkenntnisse vorhanden."
  • Coswig: "Es besteht erheblicher Schulungsbedarf bei der ‘digitalen Kompetenz’ der Lehrkräfte."
  • Sandersdorf-Brehna: "Durch fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten und verständlicherweise auch Unwissenheit sind Lehrer gar nicht in der Lage, ein Endgerät zu administrieren."

Neues Ungemach droht: beim Geld

Einige Landkreise und Gemeinden unterstützen die Lehrer bei der Einrichtung ihrer Dienst-Geräte: Das ist noch mehr Arbeit für die knapp besetzten IT-Abteilungen. Und eine Dienstleistung, die die Schulträger der Landesverwaltung kostenlos zur Verfügung stellen.

Deshalb wünschen sich Schulträger, dass die Finanzen besser geklärt werden. Die Stadt Gräfenhainichen schreibt: "Das gesamte Thema Schul-IT und digitale Lernformen ist nicht in den Berechnungen zum finanziellen und personellen Bedarf der Kommunen berücksichtigt." Die Stadt Möckern will, dass sich Landesverwaltung an den Kosten für die Administration und Wartung der gesamten Schul-IT finanziell beteiligt.

Auch der Landkreis Stendal hält langfristig mehr Geld für "unbedingt notwendig, um die Schul-IT-Betreuung zukünftig in ausreichender Menge, Qualität und Sicherheit sicherstellen zu können!" Blankenburg schreibt, "ohne zusätzliche IT-Unterstützung in Form von Personal ist der Support nicht zu gewährleisten. Derzeit bleiben die Kommunen auf den Kosten sitzen." Die Stadt Wanzleben befürchtet gar, dass das Geld, das Schulträger in den Unterhalt der Technik stecken müssen, zum Beispiel bei Renovierungen in den Schulen fehlt.

Götz Ulrich (CDU), Landrat Burgelandkreis: bereits jetzt an den Austausch der Geräte denken. Bildrechte: Götz Ulrich

Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), denkt noch weiter: "Wir müssen bereits heute an die Zeit denken, in denen die angeschafften Geräte ausgetauscht werden müssen." Die Digitalisierung der Bildung hätte hohe Folgekosten. Das Land Bayern hätte sie für weiterführende Schulen mit etwa 600 Euro pro Schüler und Jahr berechnet, so Ulrich. "Landkreise und Gemeinden müssen deshalb mit dem jeweiligen Land über eine künftige Pauschalfinanzierung verhandeln." Es dürfe nicht von der Finanzkraft des einzelnen Schulträgers abhängen, dass der Unterricht digital ordentlich verläuft, so Ulrich.

Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Über den AutorMarcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau und IT-Angriffe. Er ist Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben". E-Mail: digitalleben@mdr.de

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MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Mai 2022 | 09:00 Uhr

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