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Sachsen-Anhalt investiert über eine Firma, bmp Ventures, in Start-ups – aktuell in 48 Unternehmen. Bildrechte: IMAGO / Political-Moments

Interview"Sachsen-Anhalts Start-Up-Szene wächst stetig"

01. August 2022, 11:48 Uhr

Das Land nimmt viel Geld in die Hand und investiert in Start-Ups und ihre Ideen. Die Investments sollen Rendite abwerfen, sagt Jan Alberti, der bei bmp Ventures die Start-Up-Fonds des Landes managet. Und Alberti sagt auch: Die Start-Up-Szene wächst und Geld ist noch genug da.

Dr. Jan Alberti ist Managing Partner bei bmp Ventures. Dabei handelt es sich um eine Firma, die seit sieben Jahren Beteiligungen des Landes Sachsen-Anhalt managet und in Start-ups investiert.

MDR SACHSEN-ANHALT: Corona, Ukraine, Inflation – derzeit liest man, dass Start-Ups in ein schwarzes Loch fallen. Gleichzeitig gibt es Meldungen, dass es gut läuft für Start-Ups. Wie geht es denn nun den Start-Ups? In Sachsen-Anhalt und Deutschland?

Jan Alberti: Das hängt davon ab, wie weit die einzelnen Start-Ups entwickelt sind. Grundsätzlich gibt es immer noch sehr viel Geld im Markt und sehr viele Fonds, die noch viel Geld haben. Aber die Bewertungen der Start-Ups gehen runter. Start-Ups, die sehr stark auf Wachstum gesetzt haben, wurden sehr hoch bewertet. Das geht etwas zurück.

Also das Wachstum von Start-Ups wird anders bewertet?

Ja, das hat mit dem Ukraine-Krieg und der Corona-Krise zu tun, die starken Einfluss auf die Inflation haben. Zur Bekämpfung der Inflation werden nun die Zinsen erhöht. Bei steigenden Zinsen werden die zukünftigen Zahlungsströme von Start-Ups stärker abdiskontiert. Die Unternehmensbewertungen von technologieorientierten Wachstumsunternehmen gehen dadurch zurück. Darüber hinaus haben Investoren bei höheren Zinsen wieder mehr Alternativen in Werte zu investieren, die eine Rendite versprechen, Staatsanleihen zum Beispiel.

Genug Geld: Sachsen-Anhalts Start-Up-Szene wächst

Was heißt das für die Start-Ups in Sachsen-Anhalt?

Die Start-up-Szene in Sachsen-Anhalt ist ein kleines Pflänzchen, das stetig gegossen wird und stetig wächst. Wir finanzieren vor allem Start-Ups ab der Frühphase. All das hat dort bisher keinen riesigen Einfluss. Es ist noch nicht viel weniger Geld da. Aber früher hatte man es leichter, mit fast jedem Start-up Geld einzusammeln, wenn es auf einem guten Fundament steht. Das wird zukünftig ein bisschen schwieriger. Aber die guten Projekte kriegen nach wie vor Geld.

Wie funktioniert es denn überhaupt, dass Start-Ups an Geld kommen?

Ein Start-up kommt mit einem Pitch Deck und einem Finanzplan für die Zukunft zu einem Investor. Der soll zu einer gewissen Unternehmensbewertung investieren. Die Wachstumsprognosen sehen bei den meisten Start-Ups sehr gut aus und versprechen in fünf Jahren sehr hohen Umsatz und Profitabilität. Auf dieser Basis rechtfertigt das Start-Up die hohe Unternehmensbewertung, die der Investor heute zahlen soll. In der Regel werden diese Prognosen aber nicht erreicht. Die Unternehmensbewertungen sind in den letzten drei Jahren deutlich zu stark gestiegen. Eine kleine Blase, die nun korrigiert wird.

Gibt es einen Trend, in welchen Branchen sich Start-Ups gerade besonders gut entwickeln?

Wir haben mit den Fonds, die wir für das Land Sachsen-Anhalt managen, einen öffentlichen Auftrag und investieren nicht nur in digitale Geschäftsmodelle, sondern auch in Biotechnologie, produzierendes Gewerbe, Recycling, Batterie- oder Hardwareentwicklung. Und es gibt einen Trend bei erneuerbaren Energien und bei Hardware-Start-Ups. Nur digital retten wir die Welt nicht, dafür braucht es auch Hardware. Das ist ein positiver Trend, denn wir begrüßen, da wir bereits sehr erfahren darin sind, nicht nur in Software zu investieren. Viele haben sich in der Vergangenheit auf die Finanzierung von Software-Start-Ups gestürzt und mehr oder weniger dieselben Start-Ups finanziert. Und da gibt es mittlerweile doch einen anderen Trend.

Das Land hat in fast 50 Start-Ups investiert

Um wie viel Geld geht es denn bei bmp und den Fonds des Landes und was hat der Steuerzahler davon?

Wir sind dazu angehalten, eine positive Rendite zu erzielen und wie ein privater Venture Capitalist zu agieren. Das hat das Land in unserem Auftrag verankert. Wir vergeben keine Fördermittel und hoffen dann, dass ein kleiner Teil zurückkommt oder gar nichts. Sondern wir müssen darauf achten, dass mindestens das Geld zurückkommt, am besten mit positiver Rendite.

Und wir müssen in innovative Unternehmen investieren. Aktuell haben wir in den Fonds ein Portfolio von 48 Start-Ups. Aktuell investieren wir aus dem Risikokapitalfonds III mit einem Volumen von 77 Millionen Euro. Später verkaufen wir nach und nach die Investments: entweder an die anderen Gesellschafter, an ein anderes Unternehmen oder über einen Börsengang.

Gibt es dafür ein Beispiel?

Jüngst hatten wir einen Exit von UniNow. Das hat zum Beispiel eine schöne Rendite gemacht. Wir hatten 2016 mit weit über eine Million investiert und mit positiver Rendite verkauft. Das Geld geht dann wieder in den Fonds und steht für neue Investments zur Verfügung.

Gibt es eigentlich Tränen, wenn Sie sich als Investor zurückziehen und von einem Start-Up trennen? Oder ist es einfach ein Geschäft?

Man muss sich daran gewöhnen. Wenn es für die Gründer gut gelaufen ist, haben die auch viel Geld danach. Sie müssen dann aber weiter für das Unternehmen arbeiten. Die können nicht einfach nur Kasse machen. Aber als Investmentmanager oder Partner eines Fonds, der über Jahre mit den Gründern gearbeitet hat, ist man im freundschaftlichen Austausch, nach dem Exit aber eben nicht mehr ganz so intensiv. Mit den Gründern von UniNow zum Beispiel habe ich nach wie vor sehr häufig Kontakt.

Mitteldeutschland mit großen Chancen

Für die Zukunft: Was wünschen Sie sich für die Start-up-Szene in Sachsen-Anhalt?

Die Start-up-Szene sollte sich mehr öffnen, nicht nur zu anderen Bundesländern. Auch innerhalb des Landes. Ich spüre immer, dass es so einen Clinch zwischen Magdeburg und Halle gibt. Ich weiß nicht, warum das so ist. Komischerweise gilt das auch für Halle und Leipzig. Und von außen sollten Sachsen-Anhalt und ganz Ostdeutschland anders wahrgenommen werden. Wenn man sich anguckt, welche Rolle Mitteldeutschland zum Beispiel bei der E-Mobilität spielen wird, da kommt das Schwabenländle vielleicht langsam ins Hintertreffen.

Für manche hat es ein Geschmäckle, wenn man Start-Ups anlockt und die nach ein paar Jahren wieder verschwinden.

Aber das machen wir die ganze Zeit auch an anderen Stellen. Wir haben Hochschulen, die junge Menschen ausbilden, die danach meist nach Süddeutschland gehen und für Konzerne arbeiten. Was hat Sachsen-Anhalt davon? Da sollte man die Grenzen im Kopf ein bisschen verschieben. Unsere Start-Ups müssen eine Betriebsstätte in Sachsen-Anhalt haben, solange sie die Mittel verwenden – hier sind wir sehr streng. Komischerweise bleiben sie danach in der Regel auch weiterhin hier, da sie die Vorteile genießen und Kunden und Mitarbeiter gewinnen. Ich finde es begrüßenswert und völlig normal, wenn Start-Ups im Wachstum auch an anderen Stellen Betriebsstätten gründen. Für eine Expansion in die USA zum Beispiel braucht es mitunter auch eine Dependance.

Mehr zum Thema: Digitales aus Sachsen-Anhalt

MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 01. August 2022 | 14:30 Uhr

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