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Ostern 2024Du sollst nicht Töten: die Kirche und der Krieg

31. März 2024, 08:38 Uhr

Eigentlich ist die Lage klar: Das fünfte der zehn Gebote in der Bibel verbietet das Töten. Allerdings zeigt die Kirchengeschichte, dass dieses Gebot sehr oft gebrochen wurde. Zugleich fanden die Friedensbewegungen der letzten Jahrzehnte immer wieder auch Unterstützung von engagierten Christinnen und Christen. Wenn jetzt wieder von "Kriegsfähigkeit" gesprochen wird – wo bleibt die christliche Antwort?

"Wenn ich mich auf die Kriegslogik einlasse, dann bin ich in dieser Logik drin und komme da nicht mehr raus." Das sagt Eberhard Bürger, Pfarrer im Ruhestand und seit vielen Jahrzenten gemeinsam mit seiner Frau Barbara aktiv im Versöhnungsbund, eine Friedensbewegung, die sich nach dem ersten Weltkrieg gründete.

Man könnte kritisch einwenden, dass seitdem die Menschheit nicht unbedingt friedfertiger wurde. Aber der Begriff "Friedensarbeit" zeigt schon, dass es mühselig ist, sich mit dem Thema Frieden auseinanderzusetzen. Demonstrationen, Petitionen, offene Briefe, das sind die Formen von Friedensarbeit, die öffentlichkeitswirksam sind. Doch die eigentliche Arbeit ist eine andere.

Friede erst im Kleinen?

"Ich habe mich um das Große dann nicht so gekümmert, weil ich wusste, ich kann da eh nichts ändern", sagt Barbara Bürger, die nach Wende wechselte, aus dem geschützten Raum der Kirche in den Schulalltag – als Religionslehrerin. An Schulen herrscht zwar kein Krieg, aber friedlich ist der Schulalltag natürlich auch nicht. Und so wurden im Religionsunterricht von Barbara Bürger nicht nur Bibeltexte gelesen: "Wir haben geübt, zu streiten. Was passiert in der Gruppe? Gibt es eine Hackordnung? Gibt es Sündenböcke?". Das sind Themen für die im Schulalltag sonst eher weniger Platz ist. Doch natürlich stellt sich die Frage, ob das dem Weltfrieden nützt.

Barbara und Eberhard Bürger engagieren sich seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung. Bildrechte: MDR/Uli Wittstock

Bergpredigt fordert Gewaltlosigkeit

Jeder Gottesdienst endet mit dem Segen: "Der Herr gebe Dir Frieden." Und damit das nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, hat die Evangelische Kirche Mitteldeutschland einen Beauftragten für den Frieden, nämlich Jens Lattke. Er hat sein Büro am Magdeburger Dom. Im ersten Moment sei die Sache mit dem Frieden aus christlicher Sicht eigentlich klar, so Lattke: "Die Friedensbotschaft ist biblisch und damit lassen sich Krieg und Gewalt nicht begründen. Die Botschaft Jesu zielt auf Gewaltfreiheit, da kommt man eigentlich theologisch kaum dran vorbei."

Doch schaut man etwas genauer hin, dann wird es schwierig, denn die Bibel fordert auch weitere Verhaltensweisen, die unter Umständen einer einfachen Friedensidee im Wege stehen. "Natürlich gibt es die Diskussion um Nächstenliebe, ich muss meinen Nächsten helfen. Das ist auch richtig, das wird ja auch immer im Blick auf den Krieg in der Ukraine vorgebracht. Aus pazifistischer Sicht ließe sich dann fragen, muss Hilfe immer militärisch sein?"  Es bleibt also schwierig, denn für beide Positionen lassen sich Bibelzitate finden.

Der Streit über dieses Thema traf die evangelische Kirche bundesweit unvermittelt und wurde zunächst sehr heftig ausgetragen. Die Evangelische Landeskirche Mitteldeutschland (EKM) zeigte sich da weniger gespalten, wohl auch weil hier wohl die Friedensbewegung aus der Zeit des Kalten Krieges noch spürbarer ist als in westdeutschen Gemeinden. Kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte die EKM noch ein Papier verabschiedet, unter dem Titel: "Auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit und Frieden".

Frieden hat ja auch viel mit uns zu tun. Wie gestalten wir unser Zusammenleben? Wie gehen wir miteinander um? Welche Diskriminierungselemente gibt es bei uns in den Gemeinden, in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft.

Jens Lattke | Beauftragter für Frieden der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland

Schon der Titel zeigt, dass es dabei um mehr geht, als nur um Kritik an Rüstung und Militärlogik. Das Thema Frieden müsse umfassender gedacht werden, verlangt Jens Lattke: "Bei Krieg oder Frieden denken viele zuerst an Krieg und Militär. Aber Frieden hat ja auch viel mit uns zu tun. Wie gestalten wir unser Zusammenleben? Wie gehen wir miteinander um? Welche Diskriminierungselemente gibt es bei uns in den Gemeinden, in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft. Das hat ja viel damit zu tun, wie sich Frieden letztlich gestaltet." Gewaltfreiheit in Familien oder in der Partnerschaft wäre ja auch schon ein wichtiger Baustein für ein friedliches Miteinander.

Ostermärsche sind keine Großveranstaltungen mehr

In den Hochzeiten des Kalten Krieges demonstrierten im Westen Zehntausende gegen den Krieg, insbesondere gegen den Vietnamkrieg. Jetzt findet der Krieg in Europa statt und der Protest hält sich in Grenzen, wohl auch, weil Freund und Feind nicht mehr so klar zu trennen sind. Insofern ist Barbara Bürger gar nicht so enttäuscht, wenn auch in diesem Jahr zum Ostermarsch kein Massenandrang zu erwarten ist, denn man kennt sich: "Das ist mir lieber, als wenn dann Leute auftreten, wo ich mich fragen muss, was die da wohl fordern. Oder die Fahnen gefallen mir nicht. Ich finde es schon wichtig, dass da nicht eine Schräglage entsteht."

Und ihr Mann Eberhard Bürger ergänzt: "Ich finde die Bürgerräte und die Initiativen der Zivilgesellschaft von unten wichtig. Wir haben uns vernetzt, auch in unserer Landeskirche. Die kleinen Gruppen sind für mich der Kern für was Neues." Parteien spielen in dieser Überlegung keine Rolle, auch wenn es einige gibt, die sich da inzwischen versuchen, zu positionieren.

Ist die AfD eine Friedenspartei?

Auf dem letzten Landesparteitag der AfD in Magdeburg bezeichnete Parteichef Chrupalla die AfD als einzige deutsche Friedenspartei, und das unter großem Jubel im Saal. Für die Friedensbewegung sind solche Äußerungen schwierig, das räumt auch Jens Lattke ein. Für ihn steht hinter solchen Aussagen allerdings eher Wahlkampf als echtes Engagement: "Ich glaube nicht, dass die AfD eine Friedenspartei ist, sondern ein Thema für sich nutzt, bei dem sie merkt, dass dies von anderen Parteien nicht in so einer pazifistischen Perspektive besetzt wird. Und deswegen nutzen sie dies mit möglichst einfachen Antworten." Solche aber könne es in Fragen von Krieg und Frieden so pauschal nicht geben. Aber Lattke räumt ein, dass solche Äußerungen auch in der Friedensbewegung zu Debatten führt, denn Verbündete zu finden, scheint für manchen wichtiger zu sein, als die parteipolitischen Absichten zu hinterfragen.

Zahl der Kriegsdienstverweigerer steigt

Jens Lattke ist auch zuständig für Kriegsdienstverweigerer. Seit im Jahr 2011 die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde, gab es auch kaum noch Kriegsdienstverweigerer. Inzwischen zeigt sich jedoch ein deutlich verändert. Nahezu täglich wird Jens Lattke angerufen von Menschen, die nun überlegen, den Kriegsdienst zu verweigern. Dabei handele es sich überwiegend um Reservisten, so Lattke. Vor allem, nachdem der französische Präsident Macron einen möglichen Einsatz von europäische Bodentruppen angedeutet hatte, seien die Anfragen deutlich gestiegen.

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MDR (Uli Wittstock)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. März 2024 | 07:10 Uhr

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