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In Weißenfels demonstrierten zahlreiche Menschen beim CSD 2023 auf dem Marktplatz. Bildrechte: CSD Weißenfels

Nach Schlägen und HitlergrußCSD-Organisatoren fordern nach Angriffen mehr Unterstützung in 2024von Leonard Schubert, MDR SACHSEN-ANHALT

12. Januar 2024, 10:14 Uhr

Schläge, Hitlergrüße, brennende Flaggen: Die Gewalt gegenüber CSD-Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt nimmt zu. Ein Grund dafür: Der erstarkende Rechtsextremismus. Inzwischen hat sich der Innenausschuss mit den Angriffen befasst. Während die Polizei Fehler einräumte, kämpfen die Veranstalter um Unterstützung. Ihr Leitspruch: Jetzt erst recht!

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Eric Stehr steht fröstelnd auf dem Marktplatz von Weißenfels. Hier, wo der eisige Wind zwischen Eisbahn und Weihnachtsbaum hindurchpfeift, hat der 22-Jährige (für "die Linke" im Stadtrat) im August den ersten Christopher-Street-Day (CSD) im Burgenlandkreis organisiert. 600 bis 800 Menschen feierten hier zusammen und setzten ein Zeichen gegen die Diskriminierung von queeren Menschen. Für Stehr ein großer Erfolg und eine schöne Erinnerung.

Doch wenn er von diesem Tag erzählt, gehört dazu auch die andere Seite. Die Geschichte von 25 Personen aus dem rechtsextremen Umfeld, die versuchten, den CSD zu stören. Die Teilnehmende bepöbelten und bedrängten, Flaschen und Steine warfen, den Hitlergruß zeigten. Und die Geschichte von der Polizei, die laut Stehr die Gefahrenlage trotz mehrfacher Hinweise im Vorfeld unterschätzt hatte, und den CSD nicht ausreichend vor den Angriffen schützen konnte, so dass beim Umzug durch die Stadt die Route gekürzt werden musste. Lediglich 37 Beamte seien zunächst vor Ort gewesen.

Die Polizei musste sich beim CSD in Weißenfels Störern entgegenstellen. (Archivbild) Bildrechte: CSD Weißenfels

Polizei hatte Gefahr in Weißenfels unterschätzt

Eric Stehr will den negativen Ereignissen nicht zu viel Platz einräumen. Für ihn überwiegt trotz der Zwischenfälle die Freude über die Veranstaltung, die Aktionen und den vielen Zuspruch. Dennoch hat das Ereignis große Wellen geschlagen. Erst kürzlich hat sich der Innenauschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt auf Antrag von Linken und Grünen mit dem Thema befasst.

Ein zuständiger Mitarbeiter des Ministeriums hatte nach einer langen Befragung unter anderem eingeräumt, die Polizei habe die Gefahrenlage und die Teilnehmeranzahl in Weißenfels trotz der Hinweise der Veranstalter im Vorfeld unterschätzt. Zunächst hatte die Polizei mitgeteilt, es habe zu keinem Zeitpunkt eine echte Gefahr für Teilnehmende bestanden.

In Weißenfels hatte der erste CSD des Landkreises 2023 stattgefunden. Bildrechte: CSD Weißenfels

Stendal, Halle, Magdeburg: Mehrere Angriffe auf CSD in 2023

Laut Eric Stehr hat sich die Kommunikation mit der Polizei inzwischen deutlich verbessert. Insbesondere mit der Kreispolizei habe es konstruktive Gespräche gegeben, er blicke den nächsten Veranstaltungen optimistisch entgegen. Dennoch bereite ihm die gesellschaftliche Entwicklung Sorgen. Denn Weißenfels war 2023 mitnichten der einzige Angriff auf CSDs und queeres Leben in Sachsen-Anhalt.

Egal ob in Stendal, Halle, Magdeburg: Immer wieder kam es den Berichten nach auf CSDs zu Körperverletzung, Pöbeleien, Zeigen des Hitlergrußes. Auch queere Symbole werden immer wieder attackiert. In Naumburg war erst wenige Wochen vor dem CSD in Weißenfels eine Regenbogentreppe an einer Schule mit der Reichskriegsflagge übermalt worden.

Rechtsextremismus Hauptursache der Angriffe

Antje Arndt, Projektleitung der Mobilen Opferberatung bei Miteinander e.V., macht für die steigende Anzahl an Übergriffen vor allem den Rechtsruck in der Gesellschaft verantwortlich: "Den rechtspopulistischen Akteuren ist es mit ihren Hassreden von 'Genderwahn', Diffamierungen der Wissenschaft oder Falschbehauptungen gelungen, eine feindselige Stimmung bis weit in bürgerliche Kreise hinein zu schaffen."

Das zeige sich in den Parlamenten, in den Medien und auch auf der Straße, wo die Hemmschwelle zur Gewaltausübung sinke. Es brauche daher dringend eine klarere Unterstützung der Community und eine erhöhte Sensibilisierung und Schulung auf Seiten der Polizei.

CSD Sachsen-Anhalt: "Politiker lassen sich von AfD vor sich her treiben"

Die Analyse teilt auch Falko Jentsch vom CSD Sachsen-Anhalt. Queere Veranstaltungen hätten sich in den letzten Jahren zwar positiv entwickelt, aber auch die Angriffe hätten zugenommen. Es brauche dringend eine konsequentere Unterstützung für queere Organisationen, Bildungsangebote und andere ehrenamtliche Organisationen.

Falko Jentsch fordert eine bessere Unterstützung für ehrenamtliche Organisationen und queeres Leben. Bildrechte: MDR/Leonard Schubert

Jentsch wünscht sich dazu ein klareres Agieren der Politik. Derzeit ließen sich Politiker zu oft von der AfD vor sich hertreiben, so Jentsch. Stattdessen müsse ein stärkerer zivilgesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert und gegen die Spaltung vorgegangen werden. So könnte sich die Bevölkerung geschlossener gegen Übergriffe stellen.

Zeitz: Erster CSD fidnet 2024 statt

Dem stimmt auch Eric Stehr in Weißenfels zu. Der 22-Jährige ist inzwischen längst mit der Organisation des nächsten CSD beschäftigt. 2024 soll die Demo das erste Mal in Zeitz stattfinden. Stehr freut sich auf die Veranstaltung, die schon jetzt hohen Zuspruch erfahren habe.

Aufgeben sei für ihn sowieso keine Option. "Wir lassen uns nicht unterkriegen und sind erst am Ziel, wenn jede Person lieben kann, wen sie will, und die Kleidung tragen kann, die ihr gefällt", erklärt er. Und zeigt sich zuversichtlich, dass die Sicherheit beim nächsten CSD besser eingehalten werden kann.

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MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. Januar 2024 | 10:00 Uhr

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