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Kommunalpolitiker diskutieren auf der Demokratiekonferenz über ihre Erfahrungen mit Hass im Netz und bürgernaher Kommunikation. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

Demokratiekonferenz in Bad KösenWie Kommunalpolitiker mit Hass im Netz umgehen können

27. April 2024, 14:00 Uhr

Kommunikation zwischen Kreisräten oder Ortschaftsbürgermeisterinnen und ihren Bürgern funktioniert anders als mit Politikern auf Landes- oder Bundesebene. Sie ist sehr viel persönlicher, aber gerade deshalb manchmal auch sehr schmerzhaft. Auf der Demokratiekonferenz in Bad Kösen diskutieren die Teilnehmenden über den Umgang mit Hass im Netz – und lernen dabei, dass es neue Strategien braucht, um die Menschen im Burgenlandkreis zeitgemäß anzusprechen.

Es ist erst wenige Wochen her, dass eine Demonstration der AfD im Burgenlandkreis am Wohnhaus von Landrat Götz Ulrich (CDU) vorbeiziehen sollte. Der Landrat hatte sich davor – auch öffentlich – gegen die Bestrebungen der Partei positioniert, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Der Einschüchterungsversuch der AfD sorgte landesweit für Empörung, Ulrich erfuhr parteiübergreifend sehr viel Solidarität und die Demoroute wurde schließlich geändert.

Doch das Beispiel zeigt: Hassnachrichten und –aufrufe, die im Internet auf verschiedensten Plattformen unter anderem gegen Ulrich abgesetzt wurden, haben auch außerhalb des Netzes Folgen. Es ist deshalb sicher kein Zufall, dass das Thema "Umgang mit Hass im Netz" ein zentraler Punkt bei der Demokratiekonferenz im Burgenlandkreis war. Diese hat am Donnerstag zum zehnten Mal im Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen stattgefunden.

Hass im Netz wird strategisch verbreitet

Zu den Teilnehmern gehörten einige Vertreter der Kommunalpolitik im Burgenlandkreis, etwa Naumburgs Oberbürgermeister Armin Müller (CDU), der Stadtratsvorsitzende von Weißenfels, Jörg Freiwald (Linke) oder Eckartsbergas ehrenamtliche Bürgermeisterin Marlis Vogel (CDU). Hinzu kamen Mitarbeitende zahlreicher Bildungseinrichtungen, Sozialarbeiter sowie einige Schülerinnen und Schüler.

Das Projekt Fairsprechen

Das Projekt Fairsprechen besteht aus dem pädagogischen Referenten Max Neuhäuser und dem Volljuristen Janusz Zimmermann. Beide engagieren sich gegen Hass im Netz – in dem sie Betroffene beraten und in Seminaren Strategien zum Umgang mit Hatespeech vermitteln. Zudem versuchen sie, verschiedene Akteure der Zivilgesellschaft zu vernetzen.

Zunächst informierten zwei Referenten vom Projekt Fairsprechen, wie sich Hass im Netz äußert, welche Strategien dabei verfolgt werden, um insbesondere junge Menschen anzusprechen und wie Hass gegen Politikerinnen und Politiker im Internet ganz maßgeblich aus dem Umfeld der AfD gestreut wird.

Lokalpolitik online kaum präsent

In der anschließenden Diskussion, in der es auch um Bürgernähe in der Kommunalpolitik ging, spielte all das aber nur eine untergeordnete Rolle. Denn die drei Vertreter aus der Kommunal- und Kreispolitik auf dem Podium sind allesamt kaum oder gar nicht auf sozialen Netzwerken aktiv.

Dennoch habe sich der Umgang in den Parlamenten verändert, sind sich die Beteiligten einig. "Früher haben alle im Stadtrat ein gemeinsames Ziel gehabt. Man hat dann über den besten Weg dorthin diskutiert.", sagt etwa der Weißenfelser Jörg Freiwald. "Heute laufen die Diskussionen ein wenig wie im Bundestag – jeder hat sein Thema und geht gar nicht mehr auf das ein, was der Vorredner gesagt hat." Was etwaige virtuelle Unmutsbekundungen zu seiner Arbeit als Stadtratsvorsitzender betrifft, sagt Freiwald: "Ich lasse mir berichten, wenn irgendwo was geschrieben wurde. Aber selbst bekomme ich das nicht mit." Stattdessen suche er den direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Ähnlich hält es Steffi Schikor, die als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Naumburg arbeitet und für die Grünen im Kreistag sitzt. "Ich lasse mich nicht hassen", betont sie und ist – auch deshalb – ebenfalls nicht auf Social-Media-Plattformen aktiv.

Bürgermeisterin wird beim Einkaufen angesprochen

Marlis Vogel, die ehrenamtliche Bürgermeisterin von Eckartsberga, hält wöchentlich zwei Sprechstunden ab und ist außerdem im Verbandsgemeinderat aktiv. Häufig wird sie zudem beim Einkaufen oder Spazieren angesprochen, berichtet sie. Kommunikation zwischen Politik und den Einwohnern funktioniert in kleinen Orten sehr viel direkter, das wird in diesem Moment deutlich. Zusätzliche Präsenz im Internet scheitert deshalb auch an der fehlenden Zeit. Ein Argument, das an diesem Tag immer wieder zu hören ist.

Nachwuchssorgen auf der einen, fehlende altersgerechte Ansprache auf der anderen Seite

Im Laufe der Veranstaltung zeigte sich, dass natürlich nicht alles schlecht ist, was im Internet passiert. Für Informationen und Vernetzung ist es bei den meisten Anwesenden ein wichtiges Hilfsmittel. Immer wieder wird etwa das Bedürfnis geäußert, dass Politik und Entscheidungen besser erklärt werden müssen. Ansätze und Initiativen dazu gibt es im Netz zuhauf. Nur gefunden werden diese eben oft nicht.

Derweil beklagen die überwiegend älteren Kommunalpolitiker, dass es in den Parlamenten im Burgenlandkreis an Nachwuchs mangelt. Doch die Lebenswirklichkeit junger Menschen findet zu einem großen Teil im Internet statt, erklären die Referenten von Fairsprechen. Die anwesenden Schülerinnen bestätigen das. Wirklich darauf einlassen wollen sich viele ältere Lokalpolitiker nicht.

Schülerin: "Junge Leute könnten besser angesprochen werden"

"Schade", sagen Zara und Eva Maria, zwei Schülerinnen des Domgymnasiums in Naumburg. "Wir haben heute gesehen, dass die AfD sehr präsent ist bei TikTok. Andere Parteien sollten jüngere Leute animieren, mehr Videos zu machen – um eine Verknüpfung zwischen den Vertretern der älteren Generation und den sozialen Medien der jüngeren Generation herzustellen", sagt die 17-jährige Eva Maria und ergänzt: "Damit könnte man jüngere Leute auf jeden Fall besser ansprechen."

Um Rechtsextremen und der AfD nicht die sozialen Netzwerke zu überlassen und um demokratische Strukturen – bundesweit genau wie im Burgenlandkreis – zu schützen, sind Präsenz auf den Plattformen und Gegenrede sehr wichtig, betont auch Max Neuhäuser vom Projekt Fairsprechen. Welchen Effekt ein gemeinsames Vorgehen aller demokratischen Institutionen haben kann, zeigen die Demonstrationen von hunderttausenden Teilnehmenden nach den Correctiv-Enthüllungen zu Umsiedlungsplänen von Rechtsextremen im Januar.

Die Bereitschaft, Rechtsextremen nicht das Feld – weder im Netz, noch in den Orten im Burgenlandkreis – zu überlassen, ist bei den meisten Anwesenden in Bad Kösen definitiv vorhanden. Das zeigt auch die rege Teilnahme an einem Workshop zur politischen Bildung in der (außer-)schulischen Arbeit. Doch bei der bürgernahen Kommunikation und beim technischen Verständnis auf diesem Weg gibt es aktuell noch erhebliche Defizite. Ein wichtiger Schritt, diese abzubauen, wurde auf der Demokratiekonferenz in Bad Kösen jedoch gemacht.

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MDR (Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. April 2024 | 12:00 Uhr

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