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Unbekannte haben das Halle-Attentat auf der Spieleplattform Roblox nachgebaut. Die dort gezeigte Synagoge wurde akkurat dem Original nachempfunden. Bildrechte: MDR/Alexander Gruner

Ideologien online verbreitenSo missbrauchen Rechtsextreme Spiele und Gaming-Plattformen

19. März 2024, 14:10 Uhr

Computerspiele unterhalten Millionen von Menschen Tag für Tag – und das über alle Altersklassen hinweg. Gleichzeitig gibt es unter den Gamerinnen und Gamern auch Rechtsextremisten, die Spiele missbrauchen, um ihre Ideologien weiterzuverbreiten. Zum Beispiel wurde in einem Spiel das Halle-Attentat nachgebaut. So wehrt sich die Games-Branche dagegen.

Im Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist, gewaltsam in die Synagoge in Halle einzudringen. Das schaffte er nicht – tötete aber zwei Menschen außerhalb im hallischen Paulusviertel. Unbekannte haben das Halle-Attentat später auf der kostenlosen Spieleplattform Roblox nachgebaut. Roblox selbst ist eine Plattform, auf der sich auch Kinder und Jugendliche bewegen, da sie ab zwölf Jahren von der USK freigegeben ist und von ihrer Aufmachung Kinder anspricht.

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"Es ist menschenverachtend. Was Anderes kann man dazu schlicht nicht sagen. Solche Szenen nachzuspielen, dass also wie eine Art Reenactment zu begreifen, das geht einfach gar nicht", kommentiert Politiker Sebastian Striegel (Die Grünen) – gebürtiger Hallenser –, während er vor der Synagoge in Halle steht und auf das iPad schaut, auf dem eine Aufnahme des nachgebauten Halle-Attentats läuft. Das im März 2022 veröffentlichte Spiel ist von der Plattform selbst mittlerweile herunter genommen worden – knapp ein Jahr war es auf Roblox zugänglich. Inhalte wie diese dürften eigentlich gar nicht auf Spieleplattformen veröffentlicht werden können – die Plattformen hätten hier eine große Verantwortung, so der Politiker.

Die Spieleplattformen Steam und RobloxSteam ist die weltweit größte Spieleplattform, auf der Spiele gekauft, gespielt und sich in Foren und Chat mit anderen Spielenden vernetzt werden kann. Dort spielen täglich über 69 Millionen Menschen aus aller Welt.

Roblox hingegen ist eine Spieleplattform, auf der die Nutzer kostenlos eigene Spiele erstellen und die verschiedenen Games der anderen Personen spielen können. Es handelt sich dabei also um einen großen Sammelplatz für kostenlose, selbst erstellte Games. Mit wenigen Mausklicks kann man sich im dazugehörigen Roblox Studio seine eigenen Spielewelten zusammenklicken.

Nachgebautes Halle-Attentat ist eines von vielen rechtsextremen Inhalten auf Spieleplattformen

Gegen rechtsextreme Inhalte vorzugehen, ist auch das Ziel von Mick Prinz, der in Berlin für die Amadeu-Antonio-Stiftung arbeitet. Er ist Experte für Gaming und Rechtsextremismus und hat mit seinem Team das nachgebaute Halle-Attentat im Dezember 2022 auf Roblox entdeckt. Die Gruppe sucht immer wieder nach rechtsextremen Inhalten auf Spieleplattformen. Prinz kommentiert: "Es hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht, dass wir das da gefunden haben, weil Rechtsextreme genau versuchen, diese offenen Türen zu nutzen. Sie versuchen genau diese Räume zu nutzen, wo sie eigene Inhalte bauen können." Er fügt hinzu: "Trotzdem hat mich schockiert, wie akkurat versucht wurde, diesen Anschlag nachzubauen."

Mick Prinz hat mit seinem Team von der Amadeu-Antonio-Stiftung das nachgebaute Halle-Attentat auf Roblox gefunden. Er fordert, dass die Plattformen selbst, aber auch Polizei und Politik stärker gegen rechtsextreme Inhalte im Gaming-Bereich vorgehen. Bildrechte: MDR/Alexander Gruner

Roblox selbst ermöglicht es, mit wenigen Mausklicks kostenlos eigene Spiele zu erstellen und mit anderen zu teilen. Was eigentlich eine kreative Möglichkeit ist, machen sich Rechtsextreme immer wieder zu nutze, wie Mick Prinz weiß. Neben dem Halle-Attentat, das mittlerweile von der Plattform gelöscht wurde, weil Prinz und viele weitere es dort gemeldet haben, gibt es weiterhin auf Roblox auch die Attentate von Christchurch und Buffalo zum Nachspielen, genau wie Spiele zu Konzentrationslagern.

Roblox ist längst nicht der einzige Ort, an dem rechtsextreme Inhalte veröffentlicht werden: Auf der Spieleplattform Steam zeigt die Namenssuche, dass sich mehr als 40.000 Userinnen und User einen Benutzernamen mit "Hitler" im Namen gegeben haben. Außerdem gibt es einschlägige, öffentliche Steam-Gruppen, deren Namen MDR SACHSEN-ANHALT vorliegen, aber hier nicht genannt werden, in denen sich Rechtsextreme tummeln. Mick Prinz fordert deshalb, dass die Plattformen "ihre eigenen Guidelines durchsetzen und stärker proaktiver moderieren." Denn in ihren offiziellen Richtlinien sprechen sie sich beispielsweise gegen entsprechende Inhalte aus, auf den Plattform veröffentlicht sind diese aber trotzdem.

Wenn man auf der Spieleplattform Steam nach User-Profilen mti dem Namen "Hitler" sucht, erscheinenmehr als 40.000 Ergebnisse. Der Screenshot entstand am 12. Februar 2024. Bildrechte: Screenshot Steam

Was tun gegen rechtsextreme Inhalte in Spielen und auf Spieleplattformen?

Die Games-Branche selbst stellt sich entschieden gegen diese rechtsextremen Inhalte und verurteilt sie. Mick Prinz von der Amadeu-Antonio-Stiftung erklärt, der Großteil der über 34 Millionen Gamerinnen und Gamer in Deutschland sei gegen Rechtsextremismus. Einige Gaming-Influencer, wie "HandofBlood", "Fabian Siegismund" und "Staiy", würden bereits aktiv mit ihren Zuschauenden darüber sprechen, so Prinz: "Das sind alles Leute, die in ihren Communitys auch Vorbilder sind und zeigen: Nehmt diese Dinge nicht einfach so hin, wehrt euch, wenn euch solche Dinge auffallen. Und das ist unglaublich wichtig, dass man Rechtsextremismus im Gaming nicht hinnimmt."

Genauso sieht es auch Gamer Stephan Bliemel – besser bekannt als "Steinwallen": Er spielt History Games, also Spiele mit geschichtlichen Inhalten, und rät, wenn online rechtsextreme Inhalte entdeckt werden: "Wenn man das sieht, sofort melden. Und ich glaube, umso mehr das tun, umso schneller geht das dann auch, umso besser ist das. Ich glaube, da ist wirklich die Schwarmintelligenz der Gamer sehr wichtig, dass man da gemeinsam initiativ und aktiv wird. Und da macht es dann schon einen Unterschied, ob ein Einzelner oder Tausend eine Sache melden, ob eine Plattform vielleicht aktiv wird."

Stephan Bliemel spielt History Games und veröffentlicht als "Steinwallen" auf YouTube seine einordnenden Erklärungsvideos und "Let's Plays" dazu. Bildrechte: Stephan Bliemel

Mit Spielen über Rechtsextremismus und Nationalsozialismus aufklären

Im Spiel "Through the Darkest of Times" muss der Spieler eine Widerstandgruppe aufbauen, die das Ziel hat, das nationalsozialistische Regime zu stürzen. Bildrechte: Painbucket Games

Gleichzeitig werden aus der deutschen Games-Branche heraus eigene Spiele entwickelt, mit denen Wissen über Rechtsextremismus und die Zeit des Nationalsozialismus vermittelt werden kann. So beispielsweise beim Game-Studio "Paintbucket Games" in Berlin. Gründer Jörg Friedrich erzählt: "Wir haben uns die Welt angeguckt und haben gesehen, dass die Demokratien auf dem Rückzug sind und die Autoritären auf dem Vormarsch und wir uns überlegt haben: Was können wir als Games-Entwickler tun?" Das Ergebnis: Friedrich und sein Team veröffentlichten 2020 das Spiel "Through the Darkest of Times", bei dem der Spieler eine Widerstandsgruppe bilden und mit ihr das nationalsozialistische Regime stürzen muss. Das Spiel wurde im selben Jahr in zwei Kategorien mit dem Deutschen Entwicklerpreis ausgezeichnet.

Dürfen verfassungsfeindliche Symbole in Spielen gezeigt werden?

Im Spiel "The Darkest Files" von Paintbucket Games werden Hakenkreuze gezeigt. Es handelt sich hierbei um einen Lernkontext und die historische Darstellung, weshalb das rechtlich erlaubt ist. Bildrechte: MDR/Alexander Grunder, Paintbucket Games

Die rechtliche Lage sieht so aus: Grundsätzlich ist es verboten, verfassungswidrige Symbole, wie das Hakenkreuz, zu zeigen und zu verbreiten. Es gibt aber Ausnahmen: Hakenkreuze beispielsweise dürfen im Lernkontext gezeigt werden oder wenn sie der historischen Darstellung dienen, wie zum Beispiel in Filmen oder auch Games.

Im Spiel "Through the Darkest of Times" sind keine verfassungsfeindlichen Symbole zu sehen. Im zweiten Spiel des Game-Studios Paintbucket Games namens "The Darkest Files", das voraussichtlich im April 2024 veröffentlicht wird, sind Hakenkreuze zu sehen – und zwar im Lernkontext und zum Zweck der historischen Darstellung. Trotzdem hat die Spieleplattform Steam Jörg Friedrich und seinen Team erstmal nicht erlaubt das Spiel "The Darkest Files" auf Steam hochzuladen. Es scheint also einen Mechanismus zu geben, der überprüft, welche Inhalte auf Steam landen. Gleichzeitig sind dort rechtsextreme Gruppen, Forenposts und Hitler-Usernamen möglich. Darüber wollte MDR SACHSEN-ANHALT mit Steam reden, doch die Plattform hat trotz mehrerer Nachfragen nicht geantwortet.

Jörg Friedrich konnte Steam dann erklären, dass die oben genannten Ausnahme-Regelungen auf sein Spiel zutreffen, weshalb Steam es nachträglich zugelassen hat. Steam hätte ihm gesagt, bevor das Missverständnis aufgeklärt wurde, so Friedrich, dass sie ihr Spiel hätten überall veröffentlichen können, nur nicht in Deutschland, da dort mit Blick auf den Nationalsozialismus andere Regeln gelten. Steam selbst hat seinen Hauptsitz in den USA.

Spiele wie "Through the Darkest of Times" seien für die Erinnerungskultur sehr wichtig, betont Çiğdem Uzunoğlu, Geschäftsführerin der Stiftung digitale Spielekultur. Sie erklärt mit Blick auf die verschiedenen Medien: "Bei Filmen oder wenn ich ein Buch lese, dann berührt mich das natürlich emotional, natürlich kann ich tief in die Geschichte eintauchen, aber ich bin passiv. Ich kann in die Handlung nicht eingreifen. Und bei Games ist das so toll, dass ich proaktiv die Geschichte mitgestalten kann."

Außerdem seien Games Teil der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen, weshalb man ihnen mit Spielen besonders gut Wissen vermitteln und sie in der politischen Bildungsarbeit einsetzen könne. Diese Idee hatte beispielsweise auch die bayerische Eichendorffschule in Erlangen. Dort haben die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8b im Dezember an einem Projekttag das Spiel "Through the Darkest of Times" gespielt und am zweiten Tag das Erlebte ausgewertet. Und das mithilfe sogenannter "Respekt Coaches" vom Internationalen Bund, die das Spiel mitgebracht, die Kinder beim Spielen angeleitet und beim Auswerten unterstützt haben.

Und bei Games ist das so toll, dass ich proaktiv die Geschichte mitgestalten kann.

Çiğdem Uzunoğlu, Geschäftsführerin der Stiftung digitale Spielekultur

Was deutlich wird beim Thema "Gaming und Rechtsextremismus": Die Plattformen haben eine Verantwortung, online stärker gegen die rechtsextremen Inhalte in Spielen und in den Gaming-Communities vorzugehen – teilweise tun sie das bereits. Experten, wie Mick Prinz, fordern aber ein verstärktes Vorgehen. Gleichzeitig kann jede Gamerin und Gamer etwas tun: nämlich solche Inhalte melden. Sei es bei der Plattform selbst über einen entsprechenden "Melden"-Button oder mit einer Anzeige bei der Onlinewache, zum Beispiel beim Landeskriminalamt Sachsen.

Denn neben den Plattformen müsse auch die Polizei und die Politik mehr tun, so Prinz. Wie die Polizei gegen rechtsextreme Inhalte vorgeht und welche Verantwortung die Politik trägt, können Sie hier nachlesen.

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MDR (Johanna Daher, Lars Frohmüller, Johanna Hemkentokrax)

Dieses Thema im Programm:MDR exactly | 18. März 2024 | 17:00 Uhr

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