Ein schrecklicher VerlustHandchirurg warnt: Vorsicht vor illegalen Böllernvon Annette Schneider-Solis, MDR SACHSEN-ANHALT
Auf die Plastischen Chirurgen am Klinikum Bergmannstrost in Halle wartet rund um Silvester viel Arbeit. Vor allem illegale Böller sorgen immer wieder für schlimme Verletzungen: abgerissene Gliedmaßen, schwere Verbrennungen, zertrümmerte Knochen. Jan Joneit hat es vor zwei Jahren erwischt. Er wird immer noch behandelt.
- Jährlich sorgen Silvesterböller für viele Verletzungen.
- Auch der damals zwölfjährige Jan aus Sachsen-Anhalt hat durch einen Böller zwei Finger verloren.
- Chirurgen haben rund um den Jahreswechsel Hochsaison.
Jan Joneit hat sich der Jahreswechsel 2021/22 tief ins Gedächtnis gebrannt. Der damals Zwölfjährige hatte auf einem Spielplatz Blindgänger eingesammelt. Einer davon explodierte in seiner Hand. "Das habe ich auch in den Jahren davor gemacht", erinnert sich Jan an den 2. Januar 2022.
"Es ist nie was passiert, und ich dachte, dass auch diesmal nichts passiert." Doch das war ein Irrtum. Kaum hatte Jan den illegalen Böller am Fenster angezündet, explodierte er in seiner Hand. Ein lauter Knall, ein weißer Blitz, dann viel Blut. "Überall war Blut", erzählt Jan, "an den Wänden, überall. Ich weiß nur noch, dass ich auf dem Bett lag und um Hilfe gerufen habe."
Ein schwarzer Tag für Jan
Auch für Jans Eltern war es ein Schock, als sie das viele Blut sahen. Jans Hand hing in Fetzen. Große Fleischwunden, zerfetzte Finger. Mit dem Rettungswagen wurde Jan ins Klinikum Bergmannstrost in Halle gefahren. Stundenlang operierten die Ärzte, um Jans Hand zu retten.
Auf den Röntgenbildern war zu sehen, dass die Wucht des Böllers auch die Knochen gebrochen hatte. Mit Nägeln wurden sie stabilisiert, die Weichteile gesäubert, winzige Gefäße genäht. Trotz aller ärztlichen Kunst verlor Jan zwei Finger – den Mittelfinger und den Ringfinger. Jan konnte sich die Bilder anfangs gar nicht angucken. "Mir wäre da echt schlecht geworden", gesteht er.
Viel Arbeit für Handchirurgen
Die Tage um Silvester gehören für die Handchirurgen zu den arbeitsreichsten. "Wir haben jedes Jahr um Silvester herum schwere Verletzungen zu behandeln", erzählt Chefarzt Professor Frank Siemers. "Meistens sind es Männer, nicht unbedingt nur Jugendliche, auch Erwachsene. Aber die Männer sind eindeutig in der Mehrheit. Der Alkohol trägt auch dazu bei, dass solche Unfälle passieren."
Der Alkohol mache leichtsinnig, weiß Frank Siemers. Das Klinikum Bergmannstrost hat einen Replantationsdienst, der 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche bereit ist, um schwere Verletzungen zu behandeln. "Es sind viele in jedem Jahr", verrät Frank Siemers. "Aber um Silvester herum sind die Fälle deutlich höher. Oft sind sie verursacht worden durch Böller, die illegal gekauft und auch gezündet wurden."
Neue Qualität von Verletzungen
Die Böller verursachen nicht nur schlimmste Verletzungen an Händen und Armen, sondern auch an den Augen und im Gesicht. Nerven, Sehnen, Kochen – auf die Replantationschrirurgen wartet in solchen Fällen eine Sisyphusarbeit. Immer wieder müssen Patienten operiert werden.
Warnung: Bild von Jans schwerer Verletzung
Die Hand von Jan ist durch den Böller schwer verletzt worden. Zwei Finger konnten nicht mehr gerettet werden.
Auch Jan war schon einige Male unterm Messer. Weitere Operationen warten auf den jetzt Vierzehnjährigen. Zum Jahreswechsel 2022/23 registrierten die Fachleute eine neue Qualität von Böllerverletzungen. "Sie wurden hervorgerufen von Kugelbomben, die es in den Jahren davor nicht in dem Maße gab", resümiert Frank Siemers.
Vorsicht im Umgang mit Böllern
Der Handchirurg rät zu grundsätzlicher Vorsicht im Umgang mit Böllern. Generell sollte man nur legale Böller mit langer Zündschnur verwenden. Oft sind es die illegalen Knaller, die eine kurze Lunte haben und noch in der Hand explodieren.
Wie hoch ihr Anteil ist als Ursache für die Sprengstoffverletzungen, kann der Chefarzt der Plastischen Chirurgie indes nicht sagen. "Wir fragen das unsere Patienten natürlich. Aber sie antworten nur sehr zurückhaltend, weil da auch versicherungsrechtliche Fragen dranhängen", so Frank Siemers.
Silvester zu Hause
Jan Joneit wird Silvester zu Hause verbringen. Auch wenn seine Hand trotz der fehlenden zwei Finger wieder einigermaßen funktioniert, hat er doch immer noch psychisch mit den Folgen zu tun. "Wenn ich die Knallerei sehe, dann kommen die Bilder wieder hoch", erzählt er.
"Dann sehe ich wieder die weißen Blitze und das viele Blut." Am liebsten würde er den Jahreswechsel verschlafen. "Ich war damals ganz schön dumm", weiß er heute und warnt andere in seinem Alter. Er selbst musste es auf eine schmerzhafte Art erfahren, an die er sein Leben lang mit seiner kaputten Hand erinnert wird.
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MDR (Annette Schneider-Solis)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Dezember 2023 | 15:40 Uhr
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