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Stadtinsel e.V. bietet offenes OhrHilfe-Verein in Halle: Der Bedarf an Selbsthilfegruppen ist riesig

12. März 2023, 08:42 Uhr

Menschen mit psychischen Problemen brauchen Geduld, denn es fehlen Beratungsangebote und Therapieplätze. Der hallesche Verein "Stadtinsel" bietet Betroffenen während dieser Wartezeit Unterstützung an. Finanziert wird die Arbeit fast ausschließlich über Fördermittel.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die beginnende Klimakatastrophe oder die Energie- und Preiskrise – es sind momentan keine einfachen Zeiten. Das merkt auch Andrea Mund. "Ich könnte hier jeden Tag eine neue Selbsthilfegruppe aufmachen", sagt Mund im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Die Pädagogin ist Chefin des Vereins "Stadtinsel" in Halle, einer "psychosozialen Kontaktstelle".

Gemeinsam mit ihren zwei Mitarbeitern bietet sie Beratung für Menschen mit psychischen Problemen an, dazu finden Selbsthilfegruppen in den Vereinsräumen ihr Domizil. Daneben beraten Mund und Kollegen auch zu Fragen rund um Wohngeld oder Bürgergeld. Fakt ist: Der Bedarf an psychologischer Beratung ist enorm. Rund ein Drittel der Teilnehmer einer repräsentativen Online-Umfrage in Deutschland hat sich als psychisch erkrankt bezeichnet.

Das Angebot: Niedrigschwellige Beratung

Besonders häufig gaben die erwachsenen Befragten an, an Depressionen zu leiden (21 Prozent). Insgesamt erklärten rund 32 Prozent der Befragten, dass sie unter Depressionen, einer Angststörung, Essstörung, Zwangsneurose oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Das zeigen Daten des Meinungsforschungsinstituts Ipsos, die im Auftrag des Versicherungskonzerns AXA erhoben worden sind.

Das Besondere beim halleschen Verein "Stadtinsel": Die Beratung ist nur an sehr wenige Voraussetzungen geknüpft. Volljährig müssen die Menschen sein, die sich von Mund oder ihren Kollegen beraten lassen wollen. "Unsere Aufgabe ist, die Menschen ankommen zu lassen, zuzuhören, sich Zeit zu nehmen, auch mal wirklich zuzuhören. Natürlich geben wir auch mal Empfehlungen, was es in Halle alles noch so an Beratungsangeboten oder Hilfen gibt." Eine Diagnose, Einwilligung oder Kostenübernahme der Krankenkasse braucht niemand. Dazu kommt: Die Beratung läuft so lange, wie es die Menschen brauchen.

Hilfe, bevor es zu spät ist

Mund und ihre Kollegen sind eine Art Überbrückungsstation. "Die Wartezeiten bei Psychiatern sind sehr lang. Die Wartezeiten bei ambulanten Psychotherapeuten sind noch viel länger. Bevor die Menschen in ein ganz großes schwarzes Krisenloch fallen, können sie gerne zu uns kommen", erklärt Mund. Seit 1991 gibt es den Verein. Pro Jahr führen die Mitarbeiter des Vereins zwischen 1.800 und 2.000 Einzelgespräche. Dazu kommen noch 18 Selbsthilfegruppen, deren Mitglieder sich in den Räumen des Vereins treffen.

"Das sind reine Selbsthilfegruppen. Die werden nicht angeleitet, aber wir machen alles Organisatorische." Für viele Menschen seien die Treffen eine Möglichkeit, aus der eigenen Isolation herauszukommen. "Die wissen, da sind immer Leute, mit denen kann ich sprechen."

Finanziert wird die Arbeit des Vereins vor allem über Fördermittel. Neben dem Saalekreis zahlt die Stadt Halle den größten Anteil der Kosten. "Das ist nach meiner Kenntnis die einzige Kommune, die sich so etwas leistet. Weil die erkannt haben, dass es einen so riesengroßen Bedarf gibt, den der sozial-psychiatrische Dienst der Stadt Halle nicht alleine abdecken kann", erläutert Mund. Aber auch Vereinschefin Mund stößt an ihre Grenzen. "Mehr Selbsthilfegruppen kann ich derzeit nicht aufmachen. Dafür fehlen mir Platz und Personal."

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MDR (Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. März 2023 | 08:30 Uhr

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