Tierheime am LimitWarum Tierschützer eine Kastrationspflicht für Katzen fordern
In Sachsen-Anhalt kämpfen Tierschützer für eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen. Die Tiere vermehrten sich unkontrolliert, seien häufig krank und ein Risiko für viele Vogelarten. Ohne Kastrationspflicht sei es bald unmöglich, die Tiere zu retten und den Tierschutz einzuhalten. Das Landwirtschaftsministerium zögert und will zunächst auf freiwillige Maßnahmen der Halter setzen.
- Katzen vermehren sich vielerorts unkontrolliert. Tierschützer helfen in Sachsen-Anhalt dabei, Katzen zu versorgen und Freigänger zu kastratieren.
- Der Tierschutzbund fordert eine landesweite Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen, um die Tiere zu schützen.
- Das Landwirtschaftsministerium setzt vorerst auf freiwillige Lösungen.
An einem verregneten Nachmittag haben sich Jana Spitzner und ihre Mitstreiter auf den Weg in das Dorf Lindstedt gemacht, einem Ortsteil von Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Am historischen Feuerwehrhaus stellen die Mitglieder des Vereins Tierhilfe Wolfsburg Lebendfallen an einem großen Busch auf, in der Hoffnung, herrenlose Katzen einzufangen, die dort oft den Tag verbringen.
Die Tierschützer wollen die Katzen einfangen und sie vom Tierarzt unfruchtbar machen lassen. Denn Katzen ohne Zuhause vermehren sich rasch und unkontrolliert. Innerhalb eines Jahren können sie mehrfach trächtig werden und jedes Mal bis zu einem halben Dutzend Junge werfen.
Immer öfter wird das zum Problem. Denn die Katzen sind selten an die freie Natur angepasst, werden krank oder von anderen Tieren verletzt. Zudem können sie bei ihrer Nahrungssuche auch ein Risiko für viele Vogelarten darstellen.
Tierschützer aus Wolfsburg müssen in Sachsen-Anhalt helfen
Die Tierschützer aus Wolfsburg wurden zuletzt häufiger über die Grenze nach Sachsen-Anhalt zur Hilfe geholt. Vor allem im Landkreis Börde und der westlichen Altmark seien sie aktiv, da Tierschutzvereine vor Ort nicht hinterher kämen, die vielen Katzen zu betreuen, sagt Spitzner.
Allein in dem Dorf Lindstedt mit 300 Einwohnern gibt es dutzende Streuner. Mehrfach haben die Ehrenamtlichen auch von Menschen verletzte Tiere gefunden. Tierärzte mussten Projektile von Luftgewehren aus dem Kopf oder Rücken der Katzen operieren.
Tierschutzbund fordert Kastrationspflicht für Sachsen-Anhalt
In Niedersachsen, wo die Wolfsburger Tierschützer herkommen, hat der Landtag kürzlich beschlossen, dass alle Halter im Bundesland ihre Freigänger-Katzen kastrieren lassen müssen, wenn sie sich nicht um den Nachwuchs kümmern wollen. Auch Bremen will landesweit eine Kastrationspflicht einführen.
Wir müssen jetzt handeln. (...) Das schafft sonst keiner mehr.
Rudolf Giersch | Vorstandsvorsitzender Tierschutzbund Sachsen-Anhalt
Das fordert der Deutsche Tierschutzbund in Sachsen-Anhalt schon lange. Vorstandsvorsitzender Rudolf Giersch sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die ehrenamtlichen Tierschützer könnten nicht alleine die schnell wachsenden Populationen der Streuner stoppen. Das gelte sowohl in Bezug auf Personal als auch Geld.
Rudolf Giersch sagt: "Wir müssen jetzt handeln, wir müssen jetzt etwas tun. Denn wenn die Riesenschwemme [an Katzen, Anm. d. Red.] da ist, kann das auch nicht mehr über den Tierschutz gerettet werden. Das schafft dann keiner mehr."
Wenige Kommunen haben Kastrations-Verordnung
Die Lösung aus Sicht der Tierschützer: Möglichst alle Besitzer von Freigänger-Katzen sollen ihre Tiere kastrieren oder sterilisieren lassen – oder sich verpflichten, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Erst rund ein Dutzend der mehr als 200 Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt hat bereits eine Kastrationspflicht und zum Teil auch eine Kennzeichnungspflicht für Freigänger-Katzen eingeführt.
Die meisten Kommunen haben das über ihre Gefahrenabwehrverordnung getan. Das sei rechtlich angreifbar, warnt das zuständige Landwirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt. Für rechtssicher hält der zuständige Referatsleiter Andreas Tyrpe eine Verordnung nach dem Bundes-Tierschutzgesetz. Gleichzeitig bestätigte er den Einwand des Städte- und Gemeindebunds und des Tierschutzbundes, dass das Verfahren viel zu aufwändig und schwer umsetzbar sei.
Landwirtschaftsministerium setzt auf freiwillige Kastration
Man wolle den Gemeinden mehr Anleitung geben, sagte Tyrpe MDR SACHSEN-ANHALT. Von einer landesweiten Kastrastationspflicht hält er nichts. Tyrpe verweist darauf, dass das Problem nach seinen Informationen nicht flächendeckend sei. Man müsse sich an rechtliche Vorgaben halten. Und da gelte zunächst: Man müsse an die Halter appellieren, ihre Katzen freiwillig kastrieren zu lassen. Zudem unterstütze man die Tierschützer finanziell bei den Kosten für Kastrationen.
Steigende Kosten: Tierschützer fordern mehr Fördermittel vom Land
Rudolf Giersch vom Deutschen Tierschutzbund fordert, das Förderprogramm für Kastrationen dringend aufzustocken. In diesem Jahr stehen dafür 100.000 Euro zur Verfügung.
Giersch beklagt jedoch gestiegene Kosten. So hätten sich etwa die Ausgaben für eine Kastration für Katzen 2022 mit der neuen Gebührenverordnung für Tierärzte um fast 50 Prozent erhöht. Zudem entstünden rund um Fang-Aktionen und den Tierarztbesuch weitere Mehrkosten für Tierschutzvereine.
Tierschutz ist größtenteils von Spenden abhängig
Laut Giersch können viele Tierheime ihre laufenden Kosten kaum stemmen. Die Kommunen, die eigentlich für den Tierschutz zuständig sind, könnten die Kosten nicht decken. Tierschutzvereine seien zu einem großen Teil von Spenden abhängig.
Das Land Niedersachsen hatte in einem Nachtragshaushalt 100.000 Euro für die laufenden Kosten der Tierheime eingerechnet. In Sachsen-Anhalt sieht das zuständige Landwirtschaftsministerium diesen Bedarf in den bisherigen Haushaltverhandlungen nicht.
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MDR (Max Hensch, Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. Juli 2023 | 08:00 Uhr
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