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Jedes fünfte Kind in Sachsen-Anhalt ist von Armut bedroht. Das Netzwerk gegen Kinderarmut geht von noch höheren Zahlen aus. Bildrechte: IMAGO / photothek

KinderarmutNetzwerk fordert rasche Einführung der Kindergrundsicherung

04. April 2023, 13:14 Uhr

Die Ampel-Koalition streitet gerade um die Einführung der Kindergrundsicherung, die eigentlich 2025 kommen soll. Noch ist aber fraglich, ob sie überhaupt kommt. Das Netzwerk gegen Kinderarmut in Sachsen-Anhalt kritisiert das und fordert schnelle Maßnahmen der Politik, weil es in dem Bundesland vergleichsweise viel Kinderarmut gibt.

Wenn Wolfgang Berzau auf die Debatte um die Kindergrundsicherung in Berlin schaut, dann hat der Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes in Sachsen-Anhalt null Verständnis: "Das kann einfach nicht sein, dass man Kinder und Familien, die unsere Zukunft sind, einfach so missachtet."

Berzau fordert die Kindergrundsicherung als Bündelung staatlicher Unterstützung. Schon jetzt hätten etliche Familien Anspruch auf Hilfen, beispielsweise für Klassenfahrten, für Bücher, das Mittagessen, die Musikschule oder den Sportverein. Nur beantragten sie es schlichtweg nicht, weil der Weg durch die Formulare zu kompliziert, zu bürokratisch sei und auch, weil so ein Antrag stigmatisiere.

Ähnlich sieht es Klaus Rös, Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie: "Das würde auf jeden Fall die Zugänge ganz stark vereinfachen, weil es einmal digital sein soll und zum anderen soll es einen Kindergrundsicherungs-Check geben. Das heißt, wenn ich meine Steuererklärung mache, dann kriege ich schon gleich die Mitteilung, dass ich Anspruch hätte." Das würde viele motivieren, die Anträge zu stellen, glaubt Rös.

Beide sind Mitglied im Netzwerk gegen Kinderarmut in Sachsen-Anhalt, einem außerparlamentarischen Bündnis, dem neben Sozialverbänden unter anderem auch Vertreter von Krankenkassen, der Arbeitsagentur und Hochschulen angehören. Ein Bündnis, das Druck ausüben will, damit die Kindergrundsicherung auch wirklich kommt.

Jedes fünfte Kind armutsgefährdet

Armut unter Kindern und Jugendlichen ist nach wie vor eine große Baustelle in Sachsen-Anhalt: Zahlen aus dem Statistischen Landesamt von 2021 belegen, dass jedes fünfte Kind im Land unter 18 armutsgefährdet ist. Das bedeutet: Sie leben in Familien mit einem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens in Deutschland. Ganz praktisch heißt das: Ihnen ist ein Lebensstandard verwehrt, der in unserer Gesellschaft "normal" ist.

20,4 Prozent unter 18 armutsgefährdet – für Eva von Angern, Gründerin des Netzwerks gegen Kinderarmut, sind die Zahlen wenig verwunderlich: "Das hat etwas mit dem Niedriglohn-Land Sachsen-Anhalt zu tun. Armut ist kein Naturgesetz, sondern es entsteht, weil Eltern in Armut leben und weil Eltern sich trennen."

Die Linken-Politikerin geht fest davon aus, dass die Zahlen inzwischen deutlich höher liegen - als Folge der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges, der Energie-Krise und der Inflation: "Wir haben nicht ohne Grund einen weitaus größeren Anspruchskreis beim Bürgergeld und beim Wohngeld. Das sind alles Signale, dass auch die Zahlen der Kinder und Jugendlichen, die in Armut leben, erheblich gestiegen sind."

Linke fordert schnelles Handeln

Von Angern fordert ein schnelles Handeln von der Politik, eher heute als morgen: "Wenn wir davon ausgehen, dass wir jedes Kind brauchen, jeden Jugendlichen brauchen für die Zukunft, für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft. Dann müssen wir schauen, was kann getan werden, um alle Kinder und Jugendlichen auch zu erreichen. Da ist die Kindergrundsicherung ein Schlüssel zum Weg."

Auf der Suche nach weiteren Partnern gegen Kinderarmut will sie jetzt auch die IHK und die Handwerkskammern ins Boot holen: "Die wissen, worauf der Fachkräftemangel beruht und die wissen auch, dass Kinder und Jugendlichen, die uns durch Armut wegbrechen, auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft fehlen werden."

Mit der Kindergrundsicherung gebe es jetzt eine echte Chance, appelliert von Angern Richtung Bundesregierung, dass Mädchen und Jugendliche teilnehmen können an Bildung und am soziokulturellen Leben – ganz unabhängig vom Einkommen der Familie.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. April 2023 | 06:00 Uhr