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Kommt jetzt der Mindestlohn?Sachsen-Anhalt debattiert über Bezahlung von Gefangenen

23. September 2023, 11:15 Uhr

Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht fest: Sachsen-Anhalt muss seine Gefangenen besser bezahlen. Nun wurde im Rechtsausschus des Landtages darüber diskutiert, wie genau das aussehen soll. Die Linksfraktion fordert den Mindestlohn. Experten halten das für unwahrscheinlich.

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  • Derzeit verdienen laut Justizministerium arbeitende Gefangene zwischen 1,33 und 2,51 Euro pro Stunde, sie gelten aber nicht als Arbeitnehmer.
  • In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wurde die niedrige Bezahlung der Gefangenen als rechtswidrig anerkannt.
  • Nun müssen alle 16 Bundesländer die Gefangenenvergütung überarbeiten, auch Sachsen-Anhalt muss nachjustieren.

Sachsen-Anhalt muss seine Gefangenen künftig besser bezahlen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe in einem Urteil im Juni. Am Freitag befasste sich nun auch der Rechtsauschuss Sachsen-Anhalts mit der künftigen Erhöhung der Gefangenenentlohnung.

Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) berichtete über den derzeitigen Stand der länderübergreifenden Arbeitsgruppe, die mögliche Maßnahmen zur Überarbeitung der Gefangenenvergütung erarbeitet. Konkrete Maßnahmen nannte sie allerdings noch nicht.

Sollten arbeitende Gefangene in Sachsen-Anhalt künftig Mindestlohn erhalten? Bildrechte: IMAGO / BRIGANI-ART

Gefangene in Sachsen-Anhalt: Beschäftigungsquote von 54 Prozent

In Sachsen-Anhalt sind laut Justizministerium derzeit 836 von 1.539 Gefangenen beschäftigt oder in einer Weiterbildungsmaßnahme. Das ist gleichbedeutend mit einer Beschäftigungsquote von 54 Prozent. Künftig sollen 60 Prozent erreicht werden, so Justizministerin Weidinger.

Dafür werde das Beschäftigungs- und Bildungsangebot vom zuständigen Landesbetrieb für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen regelmäßig überprüft und an die Bedarfe angepasst.

Neben handwerklichen Eigenbetrieben wie Tischlerei, Schlosserei und Schneiderei lassen auch fünf externe Unternehmen in den Justizvollzugsanstalten Halle, Burg und Volkstedt produzieren. Die Tätigkeiten umfassen Montagearbeiten für die Elektro-, Verpackungs- oder Transportindustrie sowie Recyclingarbeiten.

Gefangene verdienen in Sachsen-Anhalt zwischen 1,33 und 2,51 Euro pro Stunde

Derzeit können Gefangene in Sachsen-Anhalt laut Justizministerium je nach ausgeführter Tätigkeit und eingestufter Vergütungsgruppe zwischen 1,33 und 2,51 Euro pro Stunde verdienen. Ende 2023 müsse der kommende Lohnanstieg in der Haushaltsplanung für 2025 aber bereits mitgedacht werden, so Weidinger.

"Die konkrete Höhe der Gefangenenentlohnung ist nur eins von vielen Aspekten, die es zu überarbeiten gilt", sagte Weidinger. Auch nicht-monetäre Vergütung sei nach dem Urteil möglich. Bereits jetzt können sich Gefangene in Sachsen-Anhalt nach sechs Monaten Arbeit zehn Tage freistellen lassen, so das Justizministerium.

Über 15,3 Millionen Euro für die Beschäftigung von Gefangenen

Im Jahr 2022 kostete die Beschäftigung von Gefangenen laut Justizministerium etwa 8,3 Millionen Euro. Für schulische und berufliche Qualifizierung von Gefangenen wurden sieben Millionen Euro ausgegeben. Dazu kämen die Kosten für die Bewachung der Gefangenen.

Die Vereinigung Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation fordert den gesetzlichen Mindestlohn für Gefangene und die Anerkennung als Arbeitnehmer. Dadurch könnten Gefangene in die Sozialsysteme einzahlen und Mindestlohn erhalten. Dieser liegt derzeit bei zwölf Euro brutto pro Stunde.

Kommt Mindestlohn für Gefangene?

Auch die Linksfraktion in Sachsen-Anhalt, die das Thema in den Rechtsausschuss gebracht hat, fordert den Mindestlohn. Damit einhergehend könne auch eine Beteiligung der Haftkosten diskutiert werden, so Fraktionsvorsitzende Eva von Angern.

Eva von Angern und die Linksfraktion fordern Mindestlohn für Gefangene. Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Gesetzlicher Mindestlohn für Gefangene sei aber unwahrscheinlich, meint der Rechtsanwalt Philipp Köster aus Halle, der das Gerichtsurteil in Karlsruhe verfolgt hatte. "Gefangene können zur Arbeit gezwungen werden und sind daher keine Arbeitnehmer, die unter den gesetzlichen Mindestlohn fallen", sagte Köster. "Für die Gefangenen hätte eine solche Regelung selbstverständlich den Vorteil, dass eine Einzahlung in die sozialen Sicherungssysteme wie bei jedem anderen Arbeitnehmer erfolgen würde, auch dann, wenn die Gefangenen an den Haftkosten beteiligt würden."

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MDR (Daniel George)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. September 2023 | 15:00 Uhr

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