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Seit Januar müssen in der Gastronomie auch Mehrwegverpackungen angeboten werden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Felix Kästle

VerpackungsgesetzDehoga kritisiert: Mehrwegangebotspflicht in Sachsen-Anhalt kaum umgesetzt

24. September 2023, 13:55 Uhr

Seit Januar gilt bundesweit die Mehrwegangebotspflicht. Gastronomische Betriebe müssen ihren Kunden also neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen zum Mitnehmen anbieten. In Sachsen-Anhalt wird die neue Regelung bisher aber kaum umgesetzt, sagt Dehoga-Landespräsident Michael Schmidt. Auch der Mehrwegbehälter-Hersteller Recup, sowie Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe sprechen von Problemen. Das Bundesumweltministerium will deshalb das Verpackungsgesetz überarbeiten.

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Die seit Januar 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht wird in Sachsen-Anhalt kaum umgesetzt, sagt der Landespräsident des Deutschen Hotel- und Gasttättenverbands, Michael Schmidt. Einerseits gebe es zu viele Ausnahmen, andererseits würden die Kunden das Angebot nicht annehmen. Als Beispiel nennt Schmidt Betriebe im Bahnhofsbereich, die unter anderem für Kaffee Mehrwegbecher anbieten. Diese hätten ihm mitgeteilt, dass die Mehrwegverpackungen kaum nachgefragt würden.

Kein einheitliches System für Mehrwegverpackungen

Außerdem koste es die Gastronomen Geld, solche Mehrwegverpackungen anzubieten, aber nicht jeder Kunde sei bereit, diese zu kaufen oder einen Pfand zu bezahlen. Schmidt kritisiert zudem, dass es kein einheitliches System für die Mehrwegverpackungen gibt. Häufig sei es nicht möglich, den Becher oder die Schüssel in einem anderen Geschäft wieder abzugeben.

In der klassischen Gastronomie sei die Mehrwegangebotspflicht aber kein großes Thema, weil die Kunden dort meist vor Ort essen würden, erklärt Schmidt. Kleine Imbisse wie Dönerläden, die ihr Angebot in Alufolie und Plastiktüten verpacken, seien dagegen häufig nicht von der neuen Regelung betroffen.

Stichwort: MehrwegangebotspflichtBetriebe, die Getränke und Essen zum Mitnehmen anbieten, müssen ihren Kunden seit Januar 2023 neben Einweg- auch Mehrwegverpackungen anbieten. Das betrifft zum Beispiel Restaurants, Bistros, Kantinen, Cateringanbieter, Cafés, aber auch Supermärkte, Tankstellen und andere Lebensmittelgeschäfte.

Eine Ausnahme besteht nur für sehr kleine Unternehmen mit höchstens fünf Beschäftigten und einer Ladenfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern. Sie müssen aber auf Wunsch des Kunden mitgebrachte Gefäße befüllen.

Recup: Nachfrage nach Mehrweg stockend

Auch Recup, der deutschlandweit größte Anbieter von Mehrwegbechern und -schalen in der Gastronomie, sieht noch Probleme bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht. Die Nachfrage der Gäste nach Mehrweg sei noch sehr stockend. Viele wüssten gar nicht, dass es dieses Angebot gebe. Häufig sei auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass in einem Betrieb Mehrweg angeboten werde.

Damit die Mehrwegangebotspflicht funktioniert, müsste die Gesetzgebung strenger und klarer sein, fordert Recup. Es sei aber auch wichtig, dass die Endverbraucher verstärkt nach Mehrweg fragten und darauf bestünden.

Recup zählt in Sachsen-Anhalt aktuell 393 Ausgabestellen (Stand 31. August). Anfang Januar seien es noch 262 gewesen. Damit habe man ein leichtes Wachstum verzeichnet. Tankstellen seien dabei die am stärksten vertretene Branche.

Umweltverbände: Einweg ist weiter die Norm

Die Deutsche Umwelthilfe zieht nach knapp neun Monaten Mehrwegangebotspflicht eine ernüchternde Bilanz. Mehrweg werde zwar häufiger als bislang in der Gastronomie angeboten und die Nutzungszahlen seien gestiegen. "Aber Einweg ist nach wie vor Standard und Mehrweg ist ganz weit weg davon, in der Breite genutzt zu werden", so ein Sprecher. Ein Problem sei, dass viele Gastronomieunternehmen die Mehrwegangebotspflicht ignorierten.

Das hätten auch zahlreiche Testbesuche der Deutschen Umwelthilfe gezeigt. Deshalb habe man unter anderem gegen Unternehmen und Händler wie Starbucks, Edeka, Rewe, Backwerk, Steinecke, Wiener Feinbäckerei, Yormas, Cineplex und Cinemaxx juristische Verfahren eingeleitet. Auch Greenpeace testete im Januar rund 700 Läden in Deutschland und kam zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte keine Mehrwegbehälter anbot.

Keine Kontrollen und Abwehrhaltung in der Gastronomie

Dass sich so wenige Betriebe an die Mehrwegangebotspflicht halten, hängt laut Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe vor allem damit zusammen, dass es so wenig Kontrollen gibt. Das kritisiert auch Recup. Eine Sprecherin von Greenpeace sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dass das Gesetz in den Bundesländern umgesetzt werden muss. Dort seien die Umwelt- und die Ordnungsämter zuständig. Diese könnten bei mehrfachen Verstößen gegen die Mehrwegangebotspflicht Strafen von bis zu 10.000 Euro verhängen. Davon werde allerdings kaum Gebrauch gemacht.

Die Deutsche Umwelthilfe sieht darüber hinaus eine Abwehrhaltung gegenüber Mehrweg in der Gastronomie, weil Einweg leichter zu nutzen sei. "Einwegbecher oder Essensboxen kommen anders als Mehrwegverpackungen nicht wieder zurück und müssen nicht gespült werden", so ein Sprecher. Außerdem bedeute der Umstieg auf Mehrweg, dass das Personal geschult werden müsse und weitere Arbeitsschritte nötig seien, was sich viele Gastronomen lieber ersparen würden.

So viel Müll entsteht durch To-Go-Produkte

Greenpeace spricht von 770 Tonnen Müll, die in Deutschland täglich durch To-Go-Lebensmittel und Getränke entstehen. Angaben der Deutschen Umwelthilfe zufolge werden in Deutschland pro Jahr 3 Milliarden Kaltgetränkebecher, 2,8 Milliarden Heißgetränkebecher sowie 4,3 Milliarden Essensboxen verbraucht.

Fast-Food-Ketten nutzen Gesetzeslücke

Hinzu käme, dass große Fast-Food-Ketten wie McDonalds oder Burger King eine Lücke im Verpackungsgesetz ausnutzten, laut der Gastronomiebetriebe, die Pizzakartons und Burgerboxen aus Pappe oder zum Beispiel Einweg-Aluminiumschalen verwenden, weder Mehrweg anbieten, noch mitgebrachte Mehrwegbehältnisse befüllen müssen. So biete McDonalds mit Ausnahme des Eises keine Mehrwegverpackungen für seine Produkte an, obwohl das Unternehmen den größten Umsatz mit Speisen mache.

"Mehrwegangebotspflicht läuft ins Leere"

Die Mehrwegangebotspflicht ist der Deutschen Umwelthilfe zufolge zwar ein guter Ansatz. In ihrer jetzigen Form laufe sie jedoch weitestgehend ins Leere. Das Problem sei, dass die Regelung weder vorgebe, wie viel Mehrweg genutzt werden soll, noch eine finanzielle Schlechterstellung von Einweg enthalte. Dadurch könnten Kunden weiter ohne Nachteile Einweg-Plastikbehälter nutzen.

Die aktuelle Gleichstellung von Mehr- und Einweg reiche nicht aus, weil die Einwegverpackungen dadurch, dass man sie wegschmeißen könne, einfacher zu nutzen und damit attraktiver seien als Mehrweg. Deshalb brauche es eine Abgabe von mindestens 20 Cent für Einwegbehälter und -besteck, fordert die Deutsche Umwelthilfe. Nur so erhielten Kunden einen echten Impuls, Mehrweg vorzuziehen. Dass das erfolgreich gelingen könne, zeige zum Beispiel die Einweg-Verpackungssteuer in Tübingen. Dort müssen Händler 50 Cent pro Einwegverpackung für Speisen und Getränke zahlen, sowie 20 Cent für Einwegbesteck.

Einheitliches Mehrwegsystem gefordert

Außerdem sei ein unternehmensübergreifendes, einheitliches Mehrwegsystem nötig, so die Deutsche Umwelthilfe. Im Moment gebe es bei vielen Anbietern wie McDonalds, Tchibo oder Edeka eigene Mehrwegbehälter, die nur dort zurückgegeben werden könnten.

Auch Greenpeace fordert eine einheitliche Lösung und geht dabei noch einen Schritt weiter. Der Umweltverband setzt sich dafür ein, dass die bestehenden Pfandautomaten durch ein Software-Update so aufgerüstet werden, dass dort auch Mehrwegbehälter zurückgegeben werden können. "Niemand könnte das so gut, wie wir in Deutschland. Wir sind es ja schon gewohnt, dass wir Mehrwegflaschen haben, die man zurückgibt", so eine Sprecherin.

Verpackungsgesetz soll angepasst werden

Das Umweltministerium hat im Juni ein Eckpunktepapier veröffentlicht, um das aktuelle Verpackungsgesetz zu verbessern. Darin steht unter anderem, dass das die Mehrwegangebotspflicht bei Speisen und Getränken zum Mitnehmen auf alle Materialien ausgeweitet werden soll. Außerdem ist geplant, Einwegverpackungen beim Vor-Ort-Verzehr für Burger, Pizza und Co. künftig zu verbieten.

Greenpeace begrüßt die Pläne des Ministeriums. Das Eckpunktepapier sei ein wichtiger Schritt, um die Verschwendung von Ressourcen zu verringern. Der Verband hatte im März ein Meldeportal gestartet, bei dem Verstöße gegen die Mehrwegangebotspflicht gemeldet werden konnten. Dieses soll nun wieder geschlossen werden.

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MDR (Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. September 2023 | 07:30 Uhr

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