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"Bürger-Auftrag" an die neue LandesregierungFeuerwehr-Jugendwart Fabian Vosmer aus Eutzsch: "Schnell den Ausbildungsstau auflösen"

30. April 2021, 16:11 Uhr

Sachsen-Anhalt wählt in wenigen Wochen einen neuen Landtag. Vorher spricht MDR SACHSEN-ANHALT mit Menschen über ihre Wünsche an die neue Regierung. Im fünften Teil der Reihe "Bürger-Auftrag" erzählen freiwillige Feuerwehrleute aus dem Landkreis Wittenberg von ihrer Suche nach Nachwuchs – und wie Corona auch das erschwert.

Und mit einem Schlag war alles vorbei. Als Corona kam, stand auch bei der Feuerwehr in Eutzsch im Landkreis Wittenberg plötzlich alles still. Über die Monate hat sich daran kaum etwas geändert. Als Fabian Vosmer an diesem Vormittag im April die Tür zur Kinder- und Jugendfeuerwehr aufschließt, blickt er auf eine Reihe leerer Spinde. Elias steht über einem geschrieben, Paul über einem anderen. Doch anstatt mit Elias, Paul und all den anderen über die Feuerwehr zu sprechen, steht Fabian Vosmer an diesem Dienstag allein im Raum. Wo sonst Gewusel und aufgeregte Kinderstimmen zu hören sind, passiert seit Corona kaum noch etwas.

Ein Feuerwehrmann durch und durch

Fabian Vosmer ist 32 Jahre jung und Feuerwehrmann durch und durch. Geboren und aufgewachsen ist er in Göttingen in Niedersachsen, kam später des Berufs wegen nach Sachsen-Anhalt und ist hier heimisch geworden. Fabian Vosmer ist Heizungsbauer und Brandmeister. Der Berufsfeuerwehrmann arbeitete in Berlin, in Halle, seit knapp drei Jahren in Wittenberg. Noch viel länger engagiert sich bei der freiwilligen Feuerwehr in Eutzsch. Heute ist Vosmer stellvertretender Wehrleiter. Und: Er ist Jugendwart.

Wenn Fabian Vosmer über die Kinder- und Jugendfeuerwehr in dem kleinen Ort spricht, tut er das nicht ohne Stolz. Und er hat ja auch allen Grund dazu: 32 Kinder und Jugendliche gehören zur Kinder- und Jugendfeuerwehr in Eutzsch. In einer Zeit, in der Feuerwehren überall um Nachwuchs kämpfen müssen, ist das eine beträchtliche Zahl. Umso größer ist die Sorge wegen Corona: Während sich die Kinder und Jugendlichen in normalen Zeiten regelmäßig treffen, passiert nun schon seit Monaten kaum etwas. "Es ist schwierig, Kinder und Jugendliche für die Feuerwehr zu gewinnen. Noch schwieriger ist, sie bei der Stange zu halten", erzählt Fabian Vosmer. "Wir stehen immer in Konkurrenz zu anderen Vereinen."

In Eutzsch haben sie Sorge davor, dass das monatelange Verbot gemeinsamer Dienste einen nachhaltigen Knacks auslösen könnte. Dass Kinder und Jugendliche in der Zwischenzeit andere Hobbys gefunden haben und der Feuerwehr verloren gehen.

Dabei ist es für freiwillige Feuerwehren enorm wichtig, frühzeitig Nachwuchs heranzuziehen. Gerhard Sehmisch kann ein Lied davon singen. Auch den 57-Jährigen kann man getrost als Feuerwehrmann durch und durch bezeichnen. Sehmisch hat den Brandschutz zwar nicht zu seinem Beruf gemacht; und doch gehört die Feuerwehr in Eutzsch zu seinem Leben. Seit einigen Jahren ist er hier der Wehrleiter. Ein Job, den eigentlich schon abgegeben haben wollte. Doch wegen Corona konnte niemand den Lehrgang zum Gruppenführer und Wehrleiter machen.

Allgemein

Sicherheit ist ein hoch emotionales Thema und spielt auch im diesjährigen Wahlkampf zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eine wichtige Rollen. Wie wollen CDU, AfD, Linke, SPD, die Grünen und FDP die Polizei und Feuerwehren im Land reformieren?

CDU

Die Zahl der Polizisten im Land soll nach dem Willen der CDU auf 7.000 erhöht werden. Die Beamten sollen künftig mit Tasern ausgestattet sein. Das Pilotprojekt der Polizisten, die Kameras am Körper tragen, die sogenannten Body-Cams, soll ausgeweitet und flächendeckend im Land eingeführt werden. Die CDU will die Videoüberwachung ausbauen und dabei die Kommunen miteinbeziehen. Unabhängig davon, ob es sich um einen Kriminalitätsschwerpunkt handelt, sollen Messerverbotszonen eingerichtet werden. Den Verfassungsschutz will die Partei personell weiter ausbauen. Die Altersgrenzen für Überwachung durch den Verfassungsschutz sollen abgeschafft werden. Für die Bekämpfung von Wald- und Flurbränden sollen die Kommunen einen höheren Anteil aus den Einnahmen der Feuerschutzsteuer erhalten.

AfD

Die Polizei soll mittelfristig auf mindestens 7.500 Beamte aufgestockt werden. Deren technische Ausrüstung soll verbessert, der Beförderungsstau aufgelöst werden. Die AfD will die Herkunft und Nationalität von Straftätern veröffentlichen. Die Kommunen sollen eine freiwillige Bürgerwacht aufbauen, die dem Ordnungsamt unterstehen soll. Der Verfassungsschutz soll in eine Landesbehörde umgewandelt werden. Die technische Ausrüstung der Feuerwehren soll verbessert werden. Die Einnahmen aus der Feuerschutzsteuer sollen nach dem Willen der Partei vollständig an die Kommunen ausgezahlt werden. Die AfD setzt sich für privaten Waffenbesitz ein und will auf eine Liberalisierung des Waffenrechts hinwirken. Der Kleine Waffenschein soll abgeschafft, Schreckschusswaffen sollen freigegeben werden. Die Partei will sich für den Erhalt der JVA Volkstedt einsetzen.

DIE LINKE

Für die Polizei soll mehr Nachwuchs gewonnen und eine vorausschauende Personalplanung eingeführt werden. Beförderungsstau bei der Polizei soll aufgelöst werden. Die Linke fordert, dass Polizisten bereits in der Ausbildung Fortbildungen zu Diskriminierung und interkultureller Kompetenz erhalten. Die Partei will sich für die Erarbeitung einer wissenschaftlichen Studie zu Racial Profiling durch die Polizei einsetzen. Eine unabhängige Beschwerdestelle soll eingerichtet werden. Die Abteilung für Verfassungsschutz soll aufgelöst werden.

SPD

Bei der Polizei sollen zusätzliches Personal und moderne Ausstattung die Rahmenbedingungen für Sicherheit bilden. Die Zahl der Polizeibeamten soll auf 7.000 erhöht werden. Die SPD will sich für verpflichtende Schulungen von Polizisten zu Rechtsextremismus, Reichsbürgern und Antisemitismus einsetzen. Ein unabhängiger Polizeibeauftragter soll als zentrale Anlaufstelle für Bürger und Beamte etabliert werden. Im Landeskriminalamt soll ein "Kompetenzzentrum digitale Spuren" angesiedelt werden. Zudem will sich die SPD für ein Landes-IT-Sicherheitsgesetz einsetzen. Der Verfassungsschutz soll personell gestärkt werden. Die Partei will eine Heraufsetzung der "geringen Menge" von Cannabis in Sachsen-Anhalt, um damit eine Entlastung von Polizei und Justiz zu erwirken. Neben der Neueinstellung von Richtern und Staatsanwälten plant die Partei den Neubau der JVA Halle.

GRÜNE

Die Grünen wollen die Zahl der Polizistinnen und Polizisten auf 7.000 erhöhen. In Magdeburg und Halle soll es Fahrradstaffeln geben. Mehr Geld möchte die Partei auch für Beförderungen, Technik und Fachkräfte ausgeben, etwa im IT-Bereich. Die Grünen lehnen eine "anlasslose Massenüberwachung" ab. Konkret stellt sich die Partei gegen eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen und den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware im öffentlichen Raum. Der Landesverfassungsschutz soll in kleinerer Form neu gegründet werden. Parallel soll eine unabhängige Stelle zur wissenschaftlichen Analyse von Gefahren für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entstehen. Nach Vorstellung der Partei soll sich Sachsen-Anhalt an einer unabhängigen wissenschaftlichen Studie beteiligen, die antidemokratische Einstellungsmuster innerhalb der Polizei untersucht. "Demokratie- und menschenfeindliche Vorkommnisse in den Sicherheitsbehörden" sollen fortlaufend statistisch erfasst werden. "Racial Profiling" will die Partei gesetzlich verbieten. Die bisher beim Innenministerium angesiedelte Beschwerdestelle soll durch eine unabhängige Polizeibeauftragte beziehungsweise -beauftragten ersetzt werden. An diese Stelle sollen sich Polizistinnen und Polizisten vertraulich wenden können.

FDP

Die Partei will die Zahl der Polizisten auf 7.000 erhöhen. Zur Entlastung der Beamten sollen sogenannte Polizeiverwaltungsassistenten eingeführt werden. Für Landesbeamte in Polizei und Justiz soll es flächendeckend Angebote zur Supervision geben. Im Justizbereich will die Partei mehr Richter, Rechtspfleger und Justizvollzugsbeamte einstellen. Verfahren gegen Besitzer von "kleinen Mengen" an Betäubungsmitteln sollen künftig eingestellt werden, der Fokus stattdessen insbesondere auf Produzenten harter Drogen gerichtet werden. Sachsen-Anhalt soll sich für eine bundesweite Freigabe von Cannabis einsetzen. Eine Idee der FDP ist, bei der Gewinnung von Nachwuchs für die Freiwilligen Feuerwehren mit den Schulen zusammenzuarbeiten. Es soll geprüft werden, ob den Kommunen ein größerer Anteil an der Feuerschutzsteuer zugewiesen werden soll, um die Ausstattung der Feuerwehren zu verbessern.

Alle Ausbildungen fallen flach

Also ist Gerhard Sehmisch weiter Chef der Truppe, der er nun schon mehr als vier Jahrzehnte die Treue hält. Auch für seine Einsatzabteilung sind die ausbleibenden Lehrgänge ein Problem: Vor ein paar Monaten haben sie neue Funkgeräte bekommen, außerdem eine Schiebeleiter. Der Umgang damit muss geübt werden – sonst kann es im Einsatz schnell Probleme geben.

Unser Problem ist, dass wir unsere Einsätze einerseits komplett weiterfahren müssen – uns aber andererseits nicht aus- und weiterbilden dürfen.

Gerhard Sehmisch | Ortswehrleiter der Feuerwehr in Eutzsch

In Eutzsch haben sie das geschafft, was nur wenige Feuerwehren in Sachsen-Anhalt schaffen. Wo die Zahl der Einsatzkräfte in dem kleinen Ort einigermaßen stabil ist und in manchen Jahren sogar wächst, geht sie anderswo seit langer Zeit zurück. Zahlen für das gesamte Land Sachsen-Anhalt zeigen, dass die freiwilligen Feuerwehren seit 2010 knapp 6.000 Mitglieder verloren haben.

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Auch der Landkreis Wittenberg hat seit 2007 mehrere Hundert freiwillige Einsatzkräfte verloren. Die positive Nachricht ist: Landesweit wie auch im Landkreis Wittenberg stieg im selben Zeitraum die Zahl der Mädchen und Jungen, die sich in Kinder- und Jugendfeuerwehren engagieren.

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In Eutzsch haben sie schon 2011 auf den drohenden Mangel an Nachwuchs reagiert und ihre Kinderfeuerwehr gegründet, einige Jahre später kam die Jugendfeuerwehr dazu. "Es geht nur mit Eigeninitiative", sagt Jugendwart Fabian Vosmer und erzählt von einem Imagevideo, mit dem sie noch mehr Kinder und Jugendliche in die Wehr holen wollen.

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Heute kommen sogar Kinder und Jugendlichen aus anderen Orten zur Feuerwehr nach Eutzsch. "Unser Erfolgsrezept ist vielleicht, dass wir ein relativ junges Team in der Kinder- und Jugendausbildung haben", sagt Fabian Vosmer.

Über die Reihe: Was der "Bürger-Auftrag" zeigen soll

Am 6. Juni ist Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Schon vorher will MDR SACHSEN-ANHALT wissen, was die Menschen im Land bewegt – und was sie von der neuen Regierung erwarten. Frauen und Männer aus sechs Wahlkreisen formulieren in dieser Reihe ihren Wunsch an die neue Landesregierung – den "Bürger-Auftrag". Die sechsteilige Serie erscheint bis Sonnabend jeden Tag.

Damit diese Entwicklung weitergeht, braucht es Nachwuchs. Und es braucht die Möglichkeit, die eigenen Leute auszubilden. Wegen der Pandemie fällt zumindest Letzteres seit Monaten flach. Das stört auch den Landesfeuerwehrverband in Sachsen-Anhalt, der darauf verweist, dass keine digitale Ausbildung je die handwerkliche Fortbildung am Feuerwehrfahrzeug wird ersetzen können.

Mein Bürgerauftrag

Ich wünsche mir von der neuen Landesregierung, dass wir zeitnah unsere Führungskräfte an der Landesfeuerwehschule ausgebildet bekommen, um den jetzt schon entstandenen Ausbildungsstau wieder einzuholen.

Fabian Vosmer | Jugendwart und stellvertretender Ortswehrleiter der Feuerwehr Eutzsch

Am Gerätehaus der Feuerwehr in Eutzsch hat Fabian Vosmer inzwischen Besuch bekommen. Die Elfjährige Hanny aus der Nachbarschaft ist da. Auch sie gehört zur Kinder- und Jugendfeuerwehr, ist seit ihrem fünften Lebensjahr dabei. Warum? "Weil es ein guter Zeitvertreib und man etwas lernt", erzählt sie. Dass ihr Hobby in Corona-Zeiten keines sein kann, findet Hanny schade. Oft langweilt sie sich.

Doch bei aller Leidenschaft zur Feuerwehr: Wer Hanny fragt, ob auch sie wie ihr Jugendwart später mal zur Berufsfeuerwehr will, schüttelt sie mit dem Kopf. Damit aber kann Fabian Vosmer umgehen. Schmunzelnd streckt er den Daumen nach oben. Viel wichtiger für ihn ist ohnehin, dass die 11-Jährige möglichst lange der freiwilligen Feuerwehr erhalten bleibt.

Hintergründe und Aktuelles zur Landtagswahl – unser multimediales Update

In unserem Update zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt geben unsere Redakteure einen Überblick über die wichtigsten politischen Entwicklungen – und ordnen sie ein.

#LTWLSA – das multimediale Update zur Landtagswahl – immer freitags per Mail in Ihrem Postfach. Hier können Sie das Update abonnieren.

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MDR/Marc Burgemeister, Manuel Mohr, David Muschenich, Luca Deutschländer

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. April 2021 | 19:00 Uhr

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