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NahaufnahmeSo steht es um die Digitalisierung im ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt

18. Mai 2021, 12:57 Uhr

Keine drei Wochen mehr, dann wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Wir blicken jetzt in der heißen Wahlkampfphase auf die Themen, die vor Ort interessieren und deswegen auch für die Wahlentscheidung wichtig sein könnten, wie der ländliche Raum. Um das schnelle Internet für Sachsen-Anhalt hat sich in den vergangenen fünf Jahren das SPD-geführte Wirtschafts-, Wissenschafts- und Digitalisierungsministerium gekümmert. Wie ist das gelungen? Und welche Pläne gibt es für die Zukunft?

von Anne-Marie Kriegel, Landeskorrespondentin Sachsen-Anhalt MDR AKTUELL

In der fünfteiligen Reihe "Nahaufnahme" beschäftigt sich die Redaktion jeden Dienstag mit der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Vertreter aller fünf Landtagsparteien diskutieren jeweils mit Leuten aus der gesellschaftlichen Praxis über ein strittiges Thema an einem dazu passenden Ort.

Drei Viertel der Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter leben nicht in einer der drei kreisfreien Städte Halle, Magdeburg oder Dessau. 1,5 Millionen Menschen haben ihr Zuhause im sogenannten ländlichen Raum – also in Orten wie Ahlsdorf, Zibberick oder in Tangerhütte. Hier ist Andreas Brohm der Bürgermeister. Vor dem Neuen Schloss in Tangerhütte hat er einen Klapptisch aufgestellt und Kaffee in einer Thermoskanne mitgebracht. Mit seinem Handy ist er schon im öffentlichen WLAN, das es hier gibt. Er will mit Thomas Wünsch sprechen. Dem Staatssekretär aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium, das auch fürs schnelle Internet im Land zuständig ist. Digitalisierung, das ist Brohms Thema: "Digitalisierung ist ja nicht nur Glasfaser ans Haus legen."

Allgemein

Die Verbesserung der Infrastruktur auf dem Land ist eine Kernidee, um dort mehr Menschen anzusiedeln oder zumindest Wegzug zu verhindern. Erfahren Sie hier, mit welchen Anreizen die Parteien dies schaffen wollen.

CDU

Um Menschen auf dem Land zu halten, will die Partei innovative Projekte zur Versorgung fördern. Eine Idee der CDU hier ist es, flexible Einrichtungen zu etablieren. Dort sollen die Bürger Belange wie Post, Überweisungen und Koordinierung von Hausreparaturen regeln können. Bei der Digitalisierung wird von der CDU der ländliche Raum priorisiert. Auch beim kommunalen Straßenbau soll dem ländlichen Raum besonders geholfen werden. Zum Thema Verkehrsanbindung will die CDU einen "24/7-Service mit Tür-zu-Tür-Verkehren" testen. Perspektivisch soll es in allen Regionen Pilotprojekte mit autonomen Bürgerbussen und Robotaxis geben. Die Partei will sich auch für eine Erweiterung des Streckenverlaufs der Harzer Schmalspurbahn nach Hasselfelde einsetzen. Nach eigenen Angaben soll die Streckenerweiterung vom vorhandenen Bahnhof Hasselfelde bis in die Westernstadt Pullmann City führen. Neue Behörden sollen nur in den Mittelzentren im ländlichen Raum angesiedelt werden.

AfD

Zur Verbesserung der Infrastruktur auf dem Land soll das Straßennetz ausgebaut werden. So soll es mit der B190n einen Lückenschluss zwischen der A14 und der A39 geben. Ortsumgehungen wie die geplante B184 bei Roßlau/Tornau sollen schnell umgesetzt werden. Als Ergänzung zum privaten Pkw soll der ÖPNV weiter ausgebaut werden. Der Rückbau von Bahnhöfen wie in Jütrichau soll gestoppt und stillgelegte Bahngleise, wo möglich, wiederbelebt werden. Die Finanzierung von Fährverbindungen im ländlichen Raum soll von den Kommunen auf das Land übertragen werden. Die Partei will den Schulentwicklungsplan bearbeiten und die Mindestschülerzahl absenken. Der Bestand einer Grundschule soll nicht bis 60, sondern bis 40 Schülern gesichert sein. Es soll eine Stelle geschaffen werden, die die Kommunen bei der Beantragung von EU-Fördermitteln unterstützt.

DIE LINKE

Schulstandorte im ländlichen Raum dürfen aus Sicht der Linken nicht aus finanziellen Gründen geschlossen werden. Die Stilllegung von Bahnstrecken will die Partei rechtlich untersagen; die Bahn soll mehr in den ländlichen Raum investieren. Dieser soll durch verbesserte Mobilität wie durch Mitfahr-Apps, Glasfaserausbau und Telemedizin wieder attraktiver gemacht werden. Die Planungsregionen Altmark, Harz, Anhalt, Magdeburg und Halle sollen gestärkt werden. Jede Gemeinde soll nach dem Willen der Linken an den ÖPNV angeschlossen sein, der mittelfristig landesweit kostenlos sein soll. Die Linke will Carsharing erleichtern und fördern.

SPD

In vier ÖPNV-Modellregionen (Norden, Osten, Süden, Westen) soll die Abstimmung zwischen Bus, Bahn und Taxi erprobt werden. Die SPD will zudem ein Förderprogramm für flächendeckenden ÖPNV sowie ein kostenloses Schülerticket für ganz Sachsen-Anhalt. Die Mittelzentren im Land sollen an den IC-Fernverkehr angeschlossen werden. Die Partei will einen Flächenfaktor in den Kommunalfinanzen einführen. Im Bereich Kultur soll die freie Szene mit einem Mobilitätsfond in Höhe von 100.000 Euro unterstützt werden sowie wandernde Veranstaltungen durch Gastspielhäuser mit 350.000 Euro pro Jahr. Der Schulentwicklungsplan soll mit Blick auf den ländlichen Raum angepasst werden. Eine Anhebung der Mindestschülerzahlen, die zur Schließung von Standorten führen könnte, lehnt die SPD ab.

GRÜNE

Die Zukunft Sachsen-Anhalts wird nach Ansicht der Grünen in den ländlichen Räumen entschieden. Die Situation in den Dörfern sowie in Klein- und Mittelstädten will die Partei daher in allen Bereichen "konkreter in den Blick nehmen". Als Sprachrohr, Vernetzungsort und politische Vertretung der Dörfer und Gemeinden schlagen die Grünen ein "Parlament der Dörfer" vor, das den Städte- und Gemeindebund sowie den Landkreistag ergänzt. Darüber hinaus sollen etwa Jugendzentren im ländlichen Raum länger öffnen sowie Bibliotheken und Museen durch ein Landesprogramm zu Begegnungsorten ausgebaut werden, in denen etwa Coworking-Spaces eingerichtet werden.

FDP

Die Partei sieht es als dringend nötig an, die Förderprogramme für den ländlichen Raum umzugestalten. Sie sollen vereinfacht und beschleunigt werden. Gemeinden sollen politisch und finanziell unabhängiger werden, um lokale Potentiale besser fördern zu können.

Wenig Glasfaserausbau in der Altmark

Tangerhüttes Bürgermeister hat nicht nur ein Rathaus aus Steinen, er hat auch eins im Internet. Da können Bürgerinnen und Bürger ihre Verwaltung zu jeder Tages- und Nachtzeit aufsuchen und Kindergartenplätze ummelden, Personalausweise beantragen und sich um die Hundesteuer kümmern. 

Dafür brauche es stabiles und schnelles Internet und das wäre in den vergangenen Jahren nicht immer leicht zu bekommen, sagt Brohm: "Also erst mal hat die Altmark für sich definiert, wie sie mit dem, was von der Landesregierung zu erwarten ist, umgeht. Das war im Bezug auf Glasfaserausbau relativ wenig. Wir hatten uns da mehr Rückenwind erhofft. Das muss man dazu sagen. Jetzt sind wir Gott sei Dank weit vorangeschritten. Es hat lang gedauert. Aber jetzt können wir die gesamte Altmark – zwei Landkreise können jetzt Glasfaseranschlüsse bauen."

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400 Millionen Euro investiert

2018 sollte es eigentlich in Sachsen-Anhalt Breitband geben. So steht es im Koalitionsvertrag. Im vergangenen Januar kündigte Wirtschaftsminister Armin Willingmann an, dass es 2021 nun endlich klappen soll. Drei Jahre später als geplant. Um das Internet im Land noch schneller zu machen, muss dann ein Glasfasernetz her. Hier sieht der Minister große Probleme auf das Land zukommen. Es mangele an Fördergeldern vom Bund.

Dennoch sei etwas passiert, betont Staatssekretär Thomas Wünsch. Für den Infrastrukturausbau habe das Land ordentlich Geld in die Hand genommen: "Da haben wir als Land in den letzten fünf Jahren rund 400 Millionen Euro investiert. Aus Bundes-, europäischen und Landesmitteln, um diesen Teil der Aufgabe zu erfüllen. Und das wird uns auch noch die nächsten Jahre aktiv begleiten und als Aufgabe da sein."

An der Stelle hakt Tangerhüttes Bürgermeister Andreas Brohm nochmal nach und wiederholt: Digitalisierung sei eben nicht nur Glasfaser am Haus. Schnelles Internet alleine regele noch nicht, was dann im Internet passiert. Beispiel: "Terminbuchung für über 76-jährige zum Impfen wollten wir digital machen. Von unseren 800 zu impfenden Menschen, die dafür passen, haben das zehn Prozent digital gemacht. Und bei der Konzeption dachten wir: Haben über 76-Jährige eine E-Mail-Adresse? Ist es wichtig, ob die das ausdrucken müssen? Wo wir dann feststellen: Ja, wurde nicht bedacht."

Ausbau der Infrastruktur geplant

Nach den größten Hürden für die Digitalisierung gefragt, bleibt Staatssekretär Thomas Wünsch dabei: "Dass wir sehr zügig und mit allen Kräften den Infrastrukturausbau in dem Bereich vorantreiben – erstens. Zweitens, dass wir das, was wir da anbieten, was am Ende sozusagen aus der Dose kommt, auch allen Mitbürgern vermitteln und zeigen, was damit möglich ist. Dass man damit souverän umgehen kann und das wir damit eine Zukunftsoption, als dritten Punkt, für unsere Kinder und nachfolgenden Generationen schaffen: Nämlich hier ganz entspannt zu leben und zu arbeiten."

Als Brohm und Wünsch auseinander gehen, haben sie knapp eine Stunde gesprochen und sich ausgetauscht. Tangerhüttes Bürgermeister nimmt seinen Klapptisch wieder mit. Das öffentliche WLAN im Neuen Schloss, das bleibt. 

Quelle: MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 18. Mai 2021 | 08:55 Uhr