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AfD-KlageVerfassungsgericht Sachsen-Anhalt verhandelt Klage gegen Briefwahl

08. April 2021, 09:47 Uhr

Wie lässt sich eine Wahl pandemiegerecht gestalten? Vereinfacht gesagt ist das die Frage, mit der sich das Verfassungsgericht Sachsen-Anhalt am Donnerstag in mündlicher Verhandlung befassen muss. Denn wegen Corona hatte das Parlament beschlossen, dass die Landtagswahl im Juni notfalls als reine Briefwahl stattfinden kann. Dafür wurde das Wahlgesetz geändert. 22 Abgeordnete klagen nun dagegen, darunter die gesamte AfD-Fraktion. Sie halten eine verpflichtende Briefwahl für verfassungswidrig.

von Lydia Jakobi, MDR AKTUELL

Der Stendaler Briefwahlskandal von 2014 sitzt noch immer tief. Damals wurden bei der Kommunalwahl Vollmachten gefälscht und Wahlzettel von Dritten ausgefüllt. Oliver Kirchner, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, erinnert gern daran, wenn er sein Unbehagen an der Briefwahl erläutern will: "Die Sache in Stendal hat uns ja gezeigt, dass mit den Briefwahlunterlagen genau so umgegangen wurde, wie man nicht damit umgeht. Und wenn man das in großem Maße zulassen würde, wäre das eine Katastrophe für die Demokratie."

Kirchner meint damit die im Herbst beschlossene Änderung des Wahlgesetzes. Darin steht nun, dass die Landeswahlleiterin eine Briefwahl anordnen kann, wenn die Stimmabgabe an der Urne eine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Der AfD-Politiker hält diesen Passus für verfassungswidrig. "Da gibt es verschiedene Argumentationen. Eine ist, dass die Freiheit der Wahl eingeschränkt ist, die Geheimhaltung und die Öffentlichkeit der Wahl. Und da müssen wir uns eben nochmal ansehen, wie die Verfassungsrichter das sehen."

Reine Briefwahl möglicherweise verfassungswidrig

Die Frage, ob eine reine Briefwahl verfassungswidrig sei, lasse sich nicht mit ja und nein beantworten, sagt Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Halle und ehemaliger Richter. "Man muss ja mit sehr vielen Prognosen arbeiten, man muss sich die Frage stellen: Wie wirkt sich eine Urnenwahl auf die Wahlteilnahme aus, mit welchen Gefahren muss man bei einer Briefwahl rechnen? Das ist ein Ergebnis, dass bei einem Gericht mit sieben Richterinnen und Richtern von der jeweiligen Einschätzung abhängt."

Kluth zufolge gibt es keine empirischen Belege, dass Briefwahlen in relevantem Ausmaß verfälscht werden würden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher auch alle Einwände gegen die Briefwahl abgewehrt. Das Argument: Sie ermögliche eine umfassende Beteiligung. Allerdings ging es bei den früheren Urteilen jeweils um eine zusätzliche, und nicht um die einzige Möglichkeit der Stimmabgabe. Insofern würden die Karten nun neu gemischt, sagt Winfried Kluth: "Meines Erachtens muss noch ein weiterer Punkt berücksichtigt werden: Wir haben ja in anderen Bereichen, etwa bei Sozialwahlen, immer schon Briefwahlen. Es ist ja nicht so, dass eine reine Briefwahl völlig neu wäre."

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AfD-Klage nicht chancenlos

Für Kluths Kollegen von der Uni Augsburg, den Juristen Josef Franz Lindner, ist die Lage indes etwas klarer. Er hat sich intensiv mit der Briefwahl in Corona-Zeiten beschäftigt und argumentiert so: "Die Öffentlichkeit der Wahl ist ein hohes Gut, dass nur dann eingeschränkt werden kann, wenn es tatsächlich zwingende Gründe gibt, die die Urnenwahl ausschließen. Das kann eine Pandemie sein, aber da müsste schon geklärt werden, ob das Infektionsrisiko tatsächlich ausschließbar ist oder nicht."

In jedem Fall, da sind sich beide Juristen sicher, habe die Entscheidung des Verfassungsgerichts Sachsen-Anhalt Vorbildcharakter. Die AfD-Klage gegen die reine Briefwahl sei nicht chancenlos.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 08. April 2021 | 06:11 Uhr

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