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Dass SPD-Minister Armin Willingmann (vorne) neue Aufgaben bekomen soll, war einer der größten Streitpunkte der Koalitionsverhandlungen. Bildrechte: MDR

Abstimmung über KoalitionsvertragSPD-Führung will Basis von "Modernisierungsschub" überzeugen

11. August 2021, 17:39 Uhr

In der SPD gab es von Anfang an viel Unmut über ein mögliches Bündnis mit CDU und FDP. Nun liegt der Entwurf für den Koalitionsvertrag vor. Seit Montagabend sammelt die SPD-Spitze nun Zustimmung für den entscheidenden Mitgliederentscheid. Interne Kritiker zerreißen derweil das Papier bereits. Im Fokus steht dabei der Verlust des Wirtschaftsressorts. Fast wären deshalb die Verhandlungen abgebrochen worden.

von MDR SACHSEN-ANHALT

Das Spiel beginnt von vorn. Auf dem Weg zur ersten gemeinsamen Koalition von CDU, SPD und FDP in Ostdeutschland richten sich die Blicke einmal mehr auf die Sozialdemokraten. In den nächsten Wochen sollen ihre Mitglieder darüber abstimmen, ob der am Montag geschlossene Entwurf eines Koalitionsvertrags ihnen taugt. Und ob die SPD damit trotz einer weiteren Wahlniederlage wieder in eine Landesregierung mit der CDU eintritt.

Schon auf einem Parteitag im Juli hatten Genossen und Genossinnen lange über die Aufnahme der Verhandlungen gestritten. Am Ende stand eine deutliche Mehrheit hinter dem Plan der Parteiführung. Gleichzeitig wurden mehrere Kernforderungen für einen Koalitionsvertrag verabschiedet.

Parteispitzen und Verhandelnde warben noch am Montagabend in der Partei für Verhandlungsergebnisse

Diese Kernforderungen bilden nun die Grundlage eines Schreibens, dass die sogenannte Lenkungsgruppe der sechs SPD-Hauptverhandlerinnen und -verhandler am Montagabend an die Mitglieder geschickt hat. Der Brief liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor. Darin listet die Gruppe jene Forderungen, die nun auch im Vertragsentwurf stehen – und jene, die es nicht geschafft haben.

Demnach sei der Soll überall erfüllt – bis auf das Vorhaben, dass Sachsen-Anhalt mehr geflüchtete Menschen aufnimmt. Erreicht wurde etwa die Einführung eines "weisungsunabhängigen Polizeibeauftragten", eines Klimaschutzkongress und eines Vergabemindestlohns für öffentliche Aufträge, der tatsächlich bei den 13 Euro liegt, die die SPD im Wahlkampf gefordert hatte. In anderen Punkten waren die vereinbarten Forderungen aber gegenüber dem Wahlprogramm abgeschwächten worden.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte die Landesvorsitzende Juliane Kleemann, man habe "einen ordentlichen Modernisierungsschub herausverhandelt". Sozialministerin Petra Grimm-Benne sah gleich mehrere Verhandlungserfolge auf ihrem Gebiet: ein neues Gleichstellungsgesetz, die Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit sowie ein Erhalt der jetzigen Kita-Beitragsregelungen, die die amtierende Landesregierung eingeführt hatte. Allerdings hatte die SPD im Wahlkampf gefordert, die Beiträge komplett abzuschaffen. Und mehrere Kommunen im Land beabsichtigen, diese demnächst zu erhöhen.

Verlust des Wirtschaftsressorts großer Streitpunkt

Ein Hauptstreitpunkt der Koalitionsverhandlungen waren die neuen Aufgaben für SPD-Minister Armin Willingmann. Der soll sich in der zukünftigen Landesregierung nicht mehr neben Wissenschaft um Wirtschaft kümmern, sondern um Umwelt- und Klimaschutz sowie Energie. Die beiden Ministerien werden umgestaltet. Gewollt hat das so die CDU.

In ihrem Mitgliederbrief schreibt die Lenkungsgruppe, die CDU wäre bereit gewesen, die Verhandlungen am Montag abzubrechen, sollte die SPD nicht das Wirtschaftsressort an den CDU-Landesvorsitzenden Sven Schulze abtreten. Weil am Ende aber Inhalte entscheidend seien, habe sich die Partei "nicht mit leichtem Herzen" darauf eingelassen. 

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Willingmann selbst sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Mittwoch, die Entscheidung sei "ohne Frage bitter".  Er wolle aber nicht lange zurückschauen, sondern den "Erfahrungsschatz mit in die nächsten fünf Jahre nehmen", so Willingmann. Das neue Ministerium könne nun "Zukunftsthemen" wie die Energiewende angehen.

Man sollte nicht zu lange zurückschauen, sondern den Erfahrungsschatz mit in die nächsten fünf Jahre nehmen.

Armin Willingmann über den Verlust des Wirtschaftsressorts für die SPD

Erstmal geht der Blick aber ins Land. Ab 18. August hält die Partei insgesamt sechs Regionalkonferenzen ab, bei denen die Mitglieder der Lenkungsgruppe mit der Basis über die Verhandlungsergebnisse diskutieren wollen. Schon diese Woche will man den Mitgliedern einen Vergleich von Wahlprogramm und Vertragsentwurf zur Verfügung stellen.

Die Parteispitze scheint zudem zu hoffen, dass sich die breite Beteiligung der Mitgliedschaft nun auszahlt: Mit 70 Genossinnen und Genossen hatte die SPD deutlich mehr Personal in die Verhandlungsgruppen entsandt als CDU und FDP.

Scharfe Kritik kommt von den Jusos und von einem ehemaligen Landeschef

Dennoch dürfte die Abstimmung über den Vertragsentwurf anders als bei der CDU heftig umstritten sein. Kritik regte sich bereits, noch bevor der Vertragsentwurf abschließend verhandelt war. In einer internen Facebook-Gruppe des Landesverbands schrieb der ehemalige SPD-Landesvorsitzende, Burkhard Lischka, es sei der "mit Abstand schlechteste Koalitionsvertrag", über den die Partei in Sachsen-Anhalt je abzustimmen hatte. Den Wechsel in der Ressortverantwortung nannte Lischka eine "Amputation".

Unsere politischen Gegner wird diese Amputation der SPD freuen.

Ex-Landesvorsitzender Burkhard Lischka über Ressortwechsel

Der Juso-Ko-Vorsitzende Rico Rauch schloss sich am Mittwoch Lischkas Kritik an. MDR SACHSEN-ANHALT sagte Rauch, viele Vereinbarungen seien zu "schwammig und ungenau". Im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen sei eines der stärksten Argumente der Parteispitzen gewesen, eine angeblich neoliberale Wirtschaftspolitik von CDU und FDP durch einen SPD-Wirtschaftsminister verhindern zu können. Stattdessen könne sich wohl bald ein CDU-Wirtschaftsminister Schulze mit dem von der SPD entwickelten Tariftreue- und Vergabegesetz schmücken, so Rauch.

SPD-Projekte sollen sicher vor Rotstift sein

Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Schmidt trat derweil Befürchtungen entgegen, die Projekte seiner Partei könnten schon bald Einsparungen zum Opfer fallen. Auf Letztere haben sich CDU, SPD und FDP für das Jahr 2022 verständigt. Der Vertragsentwurf nennt aber keine Bereiche, in denen die fehlenden 1,5 Milliarden Euro zusammengekürzt werden soll.

Die Themen seiner Partei, also "alles, was mit Pandemie, Gesundheit, Krankenhäusern, Klimaschutz und Energie zu tun hat", seien von Einsparungen ausgeschlossen, so Schmidt zu MDR SACHSEN-ANHALT.

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MDR/Thomas Vorreyer/Roland Jäger

Dieses Thema im Programm:MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 11. August 2021 | 19:00 Uhr

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