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UmweltschutzSo sieht der Wald der Zukunft in Hasselfelde aus

11. September 2022, 15:41 Uhr

Werner Gutbier war früher Revierförster in Hasselfelde. Weil er wissen wollte, welche Baumart wie gut oder wie schlecht in seinem Revier wächst, pflanzte er 1992 einen Versuchswald mit 80 verschiedenen, teils exotischen Baumarten. Heute, 30 Jahre später, geht es den Wäldern im Harz schlecht, und Fachleute sind auf der Suche nach den Baumarten für den Wald von morgen. Da sollten die Erfahrungen aus Hasselfelde doch eigentlich wie gerufen kommen.

Werner Gutbier dreht den Schlüssel um. Den braucht er, denn sein Versuchswald ist eingezäunt. Dem hat er den Namen Öko-Kamp gegeben. Von außen sieht der Öko-Kamp aus wie ein normales Waldstück. Im Innern aber stehen teilweise exotische Bäume in Reihen zu meist zehn Exemplaren. Korea-Tannen wachsen hier und Kaukasus-Fichten, Mammutbäume aus Nordamerika und Veichts-Tannen aus Japan, aber auch Eichen, Buchen und Lärchen.

80 Baumarten auf 10.000 Quadratmetern

Werner Gutbier hatte seine Lehre im Flachland absolviert, und auch seine ersten Arbeitsstellen führten ihn dorthin, wo er den Mischwald kennen und schätzen lernte. Als er vor Jahrzehnten in Hasselfelde Revierförster wurde, war er verblüfft, dass dort fast nur Fichten und Buchen wuchsen. 70 Prozent Fichte, 25 Prozent Buche, fünf Prozent andere – das war damals die Zusammensetzung des Harzwaldes.

Kann man nicht auch andere Bäume pflanzen, fragte er sich. 1992 stieß er auf offenen Ohren bei seinen Vorgesetzten. Auf einem ungenutzten 10.000 Quadratmeter großen Gelände bei Hasselfelde ließ er 80 verschiedene Baumarten anpflanzen sowie 20 Straucharten. 

Ökologie und Ökonomie

Heute ist Werner Gutbier 83 Jahre alt, und er kümmert sich noch immer um sein Öko-Kamp. Die Bezeichnung "Öko" stehe für Ökologie und Ökonomie, sagt der ehemalige Förster. Er wolle einen möglichst ökologischen Wald, der wirtschaftlich genutzt wird. Kamp ist die Bezeichnung für ein eingezäuntes Areal mit Jungbäumen, und genau das war das kleine Stückchen Wald. Inzwischen sind die Bäumchen von einst ziemlich groß geworden, allerdings fehlen auch einige.

Zwölf Arten sind verschwunden

"Die Fichte ist vergangen. Alles, was Fichte war, ist weg", sagt Gutbier. Auch viele Kiefern hätten Trockenheit und Schädlingsbefall nicht überstanden, und zwar Kiefern, die nicht hier heimisch seien, die Latschenkiefern aus den Alpen zum Beispiel. Von den 80 gepflanzten Baumarten seien noch 68 vorhanden, zwölf seien verschwunden durch Trockenheit und Käfer, so Gutbier.

Mammutbaum besonders widerstandsfähig

Besonders gut hingegen präsentieren sich nach 30 Jahren Douglasie, Traubeneiche, Lärche, Bergahorn und die Weißtanne. Letztere habe sich besonders gut entwickelt, ebenso die Große Küstentanne und der Mammutbaum. Den Mammutbaum befallen außerdem keine Schädlinge. Das ist gut für die Wirtschaft, doch schlecht für Tiere, die von Insekten leben, wie etwa Vögel. Der Mammutbaum kommt wie die Küstentanne aus Nordamerika. Beide Arten scheinen gut mit den neuen Bedingungen klar zu kommen, sagt Gutbier.

Zitterpappel als Baum der Zukunft?

Doch Werner Gutbiers wirklicher Favorit ist ein eigentlich unscheinbarer Laubbaum, den er damals gar nicht gepflanzt hatte – die Zitterpappel, auch Espe oder Aspe genannt. Dieser Baum hat den Förster überrascht. Im Öko-Kamp steht er zwischen ein paar Kiefern, kerzengerade gewachsen. Ein Vogel müsse den Samen hergebracht haben, glaubt Gutbier. Der Baum ist also jünger als die anderen ringsum und überragt sie trotzdem. Er verjüngt sich auch gut. Überall in der Umgebung des Baums wachsen neue halbmeterhohe Triebe. Für Werner Gutbier gehört die Aspe zu den Bäumen der Zukunft. "Die Aspe müsste man eigentlich anbauen und vermarkten", findet er. Das macht aber niemand.

Der Zitterpappel gehört nach Meinung von Förster Gutbier die Zukunft. Bildrechte: imago/blickwinkel

Wenig Interesse an Öko-Kamp

Überhaupt: Was sind eigentlich die Folgen seines Tuns? Über seine Beobachtungen und Erfahrungen hat Werner Gutbier zusammen mit einem bekannten Forstwissenschaftler ein Buch geschrieben, schon vor 16 Jahren. Danach sei nicht viel geschehen. Müssten jetzt in Zeiten der kaputten Wälder nicht die Experten Schlange stehen vor dem Hasselfelder Öko-Kamp? Das sei nicht der Fall, sagt Werner Gutbier. Es komme höchstens mal vor, dass jemand anruft und um eine Führung bittet, so Gutbier.

Monokulturen ohne Zukunft

Dabei ist beinah einmalig, was Werner Gutbier getan hat. Vor allem die lange Dauer seines Wald-Experiments macht es so besonders. Die meisten Versuchsflächen sind nur wenige Jahre alt, gibt Gutbier zu bedenken. Dabei wachsen Bäume in ihrer Jugend anders als im Alter. Erst nach 30 Jahren könne man wirklich Vergleiche ziehen. Und genau diese 30 Jahre sind jetzt um im Versuchswald des Werner Gutbier bei Hasselfelde. Der ist nach all den gemachten Erfahrungen überzeugt: Monokulturen haben keine Zukunft mehr, und in den künftigen Wäldern werden andere Baumarten wachsen als heute.

Mehr zum Thema: Die Zukunft des Waldes

MDR (Carsten Reuß, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. September 2022 | 17:00 Uhr

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